Amy Zayed: Viele Künstler und auch die Presse waren überrascht und begeistert zu hören, dass Sie wieder zurück im Musikgeschäft sind. War Pete McLeod einer der Gründe dafür?
Alan McGee: Absolut! Er ist dran schuld! Ich habe Pete in Los Angeles kennengelernt. Das war um die Zeit, als ich mich aus dem Musikgeschäft zurückgezogen habe. Ich bin danach mit meiner Familie nach Wales gezogen. Pete kam dann irgendwann wieder zurück nach England, weil jemand aus seiner Familie krank geworden war. Wir haben uns dann wieder getroffen, und viele gemeinsame Interessen entdeckt, und plötzlich wurden wir so etwas wie Telefonfreunde, weil wir Stunden am Telefon verbrachten! Er hat mich mehr als jeder andere inspiriert. Aber Pete hat mehr an mich geglaubt, als ich an mich selbst geglaubt habe, und irgendwann war ich gezwungen, wieder an mich zu glauben!
Zayed: Was war denn überhaupt der Grund dafür, dass sie 2008 plötzlich einfach keine Lust mehr hatten? Gabs ein besonderes Ereignis?
McGee: Das ganze Musikbusiness hat mich einfach angeödet. Ich hatte seit 1977 oder 1978 nichts anderes gemacht! Ich war 47, und wollte einfach nach 30 Jahren mal Filme gucken, Bücher lesen und meine Tochter aufwachsen sehen. Und dann hab ich mich letztes Jahr breitschlagen lassen, Bands für ein Festival in Japan zu buchen. Ich bekam direkt Neil Young und Blur! Und da wurde mir klar: Ich will wieder zurück!
Zayed: Was hat sich für Sie persönlich geändert, im Vergleich zu damals, als Sie Oasis und Primal Scream entdeckt haben?
McGee: Für mich hat sich einiges geändert! Allein die Tatsache, dass ich mittlerweile 53 bin, ist schon Veränderung genug, da ich jetzt mehr weiß, als damals, oder vielleicht ist es auch weniger, wie man's nimmt … Die Technik hat sich allein in den letzten fünf Jahren so rapide weiterentwickelt. Und genauso schnell verändert sich auch die Musikindustrie. Jetzt, wo ich fünf Jahre lang nichts damit zu tun hatte, fällt mir das natürlich viel extremer auf. Aber wie gesagt, es gibt Dinge, die ändern sich nie: Hast Du eine gute Platte? Kannst Du live überzeugen? Ganz simple Dinge, die sich nie ändern werden! Was allerdings anders geworden ist, ist, dass der Künstler sich viel mehr behaupten muss, um seine Fans zu überzeugen, weil es durch das Internet und soziale Netzwerke so einfach ist, an die Hörer ranzukommen.
Zayed: Finden Sie es denn heute besser als damals, oder sind sie einer derjenigen, der sagt, früher war alles besser?
McGee: Man kann das nicht pauschalisieren. Ich glaube, dass es einfach schwerer ist für Musiker, Fuß zu fassen. Zumindest ist es in England so. Ich weiß nicht, wie es in Deutschland ist, aber was ich herausgefunden habe, ist, dass man es erst mal schaffen muss, sich irgendwie durch den ganzen anderen Wust im Netz Gehör zu verschaffen. Egal wie! Und wenn man das schafft, kann man anfangen von einer Karriere zu träumen. Jake Bugg hat das zum Beispiel geschafft, und verkauft 500.000 Alben im Jahr. In dem Moment, wo man aus dem Wust im Netz ausbricht, und es irgendwie ins Radio, in die Musikzeitschriften und vor allem ins Bewusstsein der Leute schafft, dann hat man tatsächlich in diese "coole trendige neue Welt" geschafft.
Zayed: Jetzt sind Sie ja nicht nur wieder im Musikgeschäft, sondern es kommt nächsten Monat ihre Autobiografie auf den Markt, sie spielen in zwei Filmen Svengali und Kubricks mit, hat Ihnen das den ultimativen Adrenalinkick gegeben?
McGee: Im Film "Svengali" spiele ich den Mentor eines Musikmanagers. Ich spiele mich allerdings selbst als Alan McGee. Ich nenne das post-ironische Ironie! Das interessante an der Sache war, dass alle meine Freunde sagen: McGee, Du bist ein guter Schauspieler, mach was draus! Sogar mein ältester Kumpel Bobby Gillespie von Primal Scream hat das gesagt, nachdem er Ausschnitte aus Svengali gesehen hat! Das Ding ist, die haben mich am Set immer verarscht, und ich musste dieselbe Szene ungefähr 16 Mal wiederholen! Und irgendwann bin ich dann wirklich in der Szene ausgerastet, und hab alle angeschrien, sie sollen sich verpissen. Und da meinte der Regisseur: Genau! Die Szene nehmen wir! Ich dachte: Häh? Ich schrei euch an, und finde euch total bescheuert, und dass macht mich zu einem guten Schauspieler? Wenn das so ist, weiß ich, womit ich demnächst Geld verdiene, wenn’s mit der Musik nicht klappt!
Zayed: Dann haben sie ja noch in Kubricks mitgespielt! Vollkommen anderes Genre, ein total surrealer Film.
McGee: Das waren nur der Regisseur Dean Cavannagh und ich. Wir sind mit der Kamera durch Wales gelaufen, und haben total schräges Zeug eingefangen. Aber mehr verrate ich dazu nicht, sonst ist ja die ganze Spannung futsch!
Zayed: Warum wollten Sie gerade jetzt eine Autobiografie schreiben. Das hat man Ihnen doch sicher schon oft angeboten, warum jetzt uns alle Geheimnisse verraten?
McGee: Man hat mir das tatsächlich sehr oft angeboten, aber ich hab das nie ernst genommen! Und dann gab’s plötzlich einen Konkurrenzkampf zwischen den Verlagen, um den Zuschlag zu bekommen. Und ich hab mich schlapp gelacht, was man mir da für überdimensionale Geldsummen angeboten hat! Ich dachte, die können das nicht ernst meinen! Ich dachte, der Schund kann doch nicht mehr wert sein als fünf Cent oder so! Als ich dann tatsächlich den Scheck mit dem vielen Geld in der Tasche hatte, dachte ich, ok, ich schreib mal lieber das Buch.
Zayed: Wenn sie zurückblicken, gibt es etwas, was Sie diesmal bei ihrem neuen Durchstart anders machen wollen? Ich habe Sie in Interviews sagen hören, dass ihr neues Label 359 nie so sein wird wie Creation. Warum?
McGee: Die Zeiten sind anders. Aber die Qualität der Musik ist die gleiche! Das einzige, was ich einfach wirklich noch nicht absehen kann, ist, ob wir genau so eine große Zielgruppe ansprechen können wie damals mit Creation. Es kann natürlich trotzdem sein, dass einer der Künstler es tatsächlich schafft, und eine Riesenkarriere hinlegt, was mich sehr freuen würde, weil dann wieder Leute meine Arbeit bewundern können.
Zayed: Was hat sie damals am Meisten überrascht am Musikgeschäft?
McGee: Ich dachte, ich entdecke mal eine Band, und die bringt irgendein One Hit Wonder raus, und wir gehen einmal auf Tour, und das war’s! Dass ich damit mal Geld verdienen könnte, hab ich nie gedacht! Wenn man mir mit 18 oder 19 gesagt hätte: Du wirst eines Tages Teil einer politischen Werbekampagne sein, und die britischen Politiker beraten, wie man mit Drogenabhängigkeit bei Jugendlichen umgeht, hätte ich gelacht und gesagt: Hä? Aber ich nehme doch selbst Drogen! Ich hätte auch nie gedacht, dass ich eine Stimme haben würde, mit der ich in der Politik helfen kann, Gesetze für gescheite Plattendeals in Großbritannien zu entwerfen. Und 20 Jahre später hab ich genau das getan!
Zayed: Sie haben ja erst die Labour Partei unterstützt, und später dann die Konservativen. Wen unterstützen sie jetzt?
McGee: Ich bin desillusioniert, und habe aufgehört, irgendeine politische Partei zu unterstützen. Ich habe gelernt, dass das alles nur eine Gameshow ist. Ich mag unseren Parteiabgeordneten MP in Wales. Der ist Liberaldemokrat. Wenn ich wählen gehen müsste, würde ich ihn wählen. Nicht, weil ich die Liberaldemokraten unterstütze, sondern weil der Typ nett ist. Er ist etwa 64, und der Typ rockt! Er ist auf jedem Event, was in seinen Bezirk fällt. Ich wohne in dem kleinsten Bezirk von Großbritannien, aber der fasst allein schon 180.000 Leute, die er allein betreut. Das ist schon relativ klein im Vergleich zu Glasgow oder so. Es gibt wahrscheinlich dort mehr Schafe als Menschen. Nichtsdestotrotz, der Typ kennt glaube ich, alle 180.000 Leute mit Namen, und die Schafe kennt er glaub ich auch. Irgendwann bin ich nach Hause gekommen, und da saß der auf meiner Couch. Und ich meinte: Wer sind Sie denn bitte? Und er meinte: Ich bin ihr lokaler Parteiabgeordneter. Ich meinte dann total perplex: Und was machen Sie hier bei mir? Er sagte: Ihre Frau hat sich über die kaputten Straßen beschwert, und da wollte ich vorbeikommen, und mal mit Ihnen besprechen, was man da ändern könnte. Und ich dachte: Wow! Der kümmert sich ja wirklich! Anfangs dachte ich, der macht das nur mit mir, weil man mich kennt, aber der Typ macht das wirklich mit Allen, weil er ein cooler Typ ist, und deshalb kriegt er meine Stimme.
Zayed: Sind sie sehr enttäuscht, wenn Sie daran zurückdenken, wie viel Zeit sie auf die Politik verschwendet haben?
McGee: Ich habe eingesehen, dass es nichts bringt, ärgerlich zu sein, denn am Ende sind die Politiker nur Marionetten, die in einer großen Agenda mitspielen.
Zayed: Was für eine Agenda?
McGee: Es geht nur ums Geld! Das Schlimme daran ist, dass Du als Teenager heute keine Hoffnung mehr hast. Wenn Du nicht mit Deinen Eltern klarkommst, wirst Du wahrscheinlich noch obdachlos, weil es keine Sozialwohnungen mehr in England gibt. Einen Job kriegst Du auch nicht! Was bleibt dann noch übrig, außer kriminell zu werden? Wir sehen tatenlos zu, wie eine ganze Generation zerstört wird, und tun nichts! Und dann geht ein Tony Blair hin, und führt Krieg im Irak. Was war dass denn bitte? Hat kein Mensch verstanden! Wir hatten Mitte der 90er alle so die Schnauze voll von den Konservativen und dachten: Wow! Endlich mal jemand, der uns versteht! Wir waren alle euphorisch! Alle die Künstler aus England, die sie vielleicht kennen, waren begeistert, dass wir’s endlich geschafft hatten, diese beschissenen Tories aus der Downing Street zu haben, und dann bekamen wir leider Tories 2.0! Die neue Version, das neue Upgrade der Tories! So viele Leute in meinem Alter beschweren sich über das Verhalten der heutigen Kids! Mir tun sie nur leid! Wenigstens konnten Bobby Gillespie und ich damals noch irgendeinen Scheißjob machen. Das können die Kids heute nicht!
Zayed: Warum nicht?
McGee: Weils keine gibt! Wenn Du ein Teenager in irgendeinem Kaff in Großbritannien bist, und keinen Onkel Alan hat, der dich unterstützt, dann gehst Du vor die Hunde! Schuld daran ist die Globalisierung! China hat richtig viel investiert. Die haben Geld in ihre Minen gesteckt, haben diese Einkindpolitik eingeführt. Ich unterstütze das nicht unbedingt, aber man kann doch nicht in England, wo es festgesetzte Mindestlöhne gibt, hergehen und alle Kohleminen dichtmachen! Wir haben alle unsere wichtigen Industrien dichtgemacht, und alles an die Chinesen abgegeben. Jetzt haben die Chinesen ganz viel Geld und wir nicht! Irgendwann haben wir in England nur noch ein paar Supermärkte, ein paar Tattoo Shop, einen Sexshop ein paar Handygeschäfte, und vielleicht noch ein paar Bestattungsinstitute.
Zayed: Wie gehen Sie heute mit Drogen um, beziehungsweise was sagen Sie ihrer Tochter, die ja jetzt auch langsam zum Teenager wird, und vor allem nimmt die Ihren Rat dann ernst?
McGee: Das ist tatsächlich schwierig. Ich hoffe, dass meine Tochter zu clever ist, um Drogen zu nehmen. Aber oft ist das auch genetisch veranlagt. Ich hoffe nicht, denn ich war ja selbst abhängig. Das Problem mit Drogen und Alkohol ist, dass es Menschen gibt, die ihren Konsum kontrollieren können, und andere nicht. Ich war zwischen 1994 und 2002 komplett trocken und clean. Irgendwann war ich dann Weihnachten 2002 in der Karibik, hatte Stress es war unglaublich warm, und ich habe ein Glas Wein getrunken. Zwei Jahre später wollte meine Frau mich verlassen, hat mir die Gelbe Karte gegeben, denn ich war wieder total auf Alkohol, und Gott sei dank, hab ich’s wieder geschafft! Man muss immer daran denken, dass Alkohol und Drogen die Persönlichkeit verändern! Man denkt sehr oft, dass man der größte ist. Gott sei Dank vergisst man dieses Gefühl auch wieder, wenn man nüchtern ist. Da ist so ein kleines Arschloch in einer Box, und sobald man high oder betrunken ist, kommt das raus. Gott sei Dank ist der Bildschirmschoner davor, wenn man nicht high ist, aber wenn der rauskommt, dann ist man ein Vollidiot, das ist zumindest bei mir so! In Schottland haben wir eine Riesenmenge Alkoholiker, die es nicht mal merken! Mein Vater ist so einer! Er denkt, er kann alles, dabei kann er grad mal aufs Klo gehen!
Zayed: Wenn Gott Ihnen eine Traumzukunft gewähren würde, was würden Sie sich wünschen?
McGee: Pete McLeod größter Rockstar in Deutschland!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Alan McGee: Absolut! Er ist dran schuld! Ich habe Pete in Los Angeles kennengelernt. Das war um die Zeit, als ich mich aus dem Musikgeschäft zurückgezogen habe. Ich bin danach mit meiner Familie nach Wales gezogen. Pete kam dann irgendwann wieder zurück nach England, weil jemand aus seiner Familie krank geworden war. Wir haben uns dann wieder getroffen, und viele gemeinsame Interessen entdeckt, und plötzlich wurden wir so etwas wie Telefonfreunde, weil wir Stunden am Telefon verbrachten! Er hat mich mehr als jeder andere inspiriert. Aber Pete hat mehr an mich geglaubt, als ich an mich selbst geglaubt habe, und irgendwann war ich gezwungen, wieder an mich zu glauben!
Zayed: Was war denn überhaupt der Grund dafür, dass sie 2008 plötzlich einfach keine Lust mehr hatten? Gabs ein besonderes Ereignis?
McGee: Das ganze Musikbusiness hat mich einfach angeödet. Ich hatte seit 1977 oder 1978 nichts anderes gemacht! Ich war 47, und wollte einfach nach 30 Jahren mal Filme gucken, Bücher lesen und meine Tochter aufwachsen sehen. Und dann hab ich mich letztes Jahr breitschlagen lassen, Bands für ein Festival in Japan zu buchen. Ich bekam direkt Neil Young und Blur! Und da wurde mir klar: Ich will wieder zurück!
Zayed: Was hat sich für Sie persönlich geändert, im Vergleich zu damals, als Sie Oasis und Primal Scream entdeckt haben?
McGee: Für mich hat sich einiges geändert! Allein die Tatsache, dass ich mittlerweile 53 bin, ist schon Veränderung genug, da ich jetzt mehr weiß, als damals, oder vielleicht ist es auch weniger, wie man's nimmt … Die Technik hat sich allein in den letzten fünf Jahren so rapide weiterentwickelt. Und genauso schnell verändert sich auch die Musikindustrie. Jetzt, wo ich fünf Jahre lang nichts damit zu tun hatte, fällt mir das natürlich viel extremer auf. Aber wie gesagt, es gibt Dinge, die ändern sich nie: Hast Du eine gute Platte? Kannst Du live überzeugen? Ganz simple Dinge, die sich nie ändern werden! Was allerdings anders geworden ist, ist, dass der Künstler sich viel mehr behaupten muss, um seine Fans zu überzeugen, weil es durch das Internet und soziale Netzwerke so einfach ist, an die Hörer ranzukommen.
Zayed: Finden Sie es denn heute besser als damals, oder sind sie einer derjenigen, der sagt, früher war alles besser?
McGee: Man kann das nicht pauschalisieren. Ich glaube, dass es einfach schwerer ist für Musiker, Fuß zu fassen. Zumindest ist es in England so. Ich weiß nicht, wie es in Deutschland ist, aber was ich herausgefunden habe, ist, dass man es erst mal schaffen muss, sich irgendwie durch den ganzen anderen Wust im Netz Gehör zu verschaffen. Egal wie! Und wenn man das schafft, kann man anfangen von einer Karriere zu träumen. Jake Bugg hat das zum Beispiel geschafft, und verkauft 500.000 Alben im Jahr. In dem Moment, wo man aus dem Wust im Netz ausbricht, und es irgendwie ins Radio, in die Musikzeitschriften und vor allem ins Bewusstsein der Leute schafft, dann hat man tatsächlich in diese "coole trendige neue Welt" geschafft.
Zayed: Jetzt sind Sie ja nicht nur wieder im Musikgeschäft, sondern es kommt nächsten Monat ihre Autobiografie auf den Markt, sie spielen in zwei Filmen Svengali und Kubricks mit, hat Ihnen das den ultimativen Adrenalinkick gegeben?
McGee: Im Film "Svengali" spiele ich den Mentor eines Musikmanagers. Ich spiele mich allerdings selbst als Alan McGee. Ich nenne das post-ironische Ironie! Das interessante an der Sache war, dass alle meine Freunde sagen: McGee, Du bist ein guter Schauspieler, mach was draus! Sogar mein ältester Kumpel Bobby Gillespie von Primal Scream hat das gesagt, nachdem er Ausschnitte aus Svengali gesehen hat! Das Ding ist, die haben mich am Set immer verarscht, und ich musste dieselbe Szene ungefähr 16 Mal wiederholen! Und irgendwann bin ich dann wirklich in der Szene ausgerastet, und hab alle angeschrien, sie sollen sich verpissen. Und da meinte der Regisseur: Genau! Die Szene nehmen wir! Ich dachte: Häh? Ich schrei euch an, und finde euch total bescheuert, und dass macht mich zu einem guten Schauspieler? Wenn das so ist, weiß ich, womit ich demnächst Geld verdiene, wenn’s mit der Musik nicht klappt!
Zayed: Dann haben sie ja noch in Kubricks mitgespielt! Vollkommen anderes Genre, ein total surrealer Film.
McGee: Das waren nur der Regisseur Dean Cavannagh und ich. Wir sind mit der Kamera durch Wales gelaufen, und haben total schräges Zeug eingefangen. Aber mehr verrate ich dazu nicht, sonst ist ja die ganze Spannung futsch!
Zayed: Warum wollten Sie gerade jetzt eine Autobiografie schreiben. Das hat man Ihnen doch sicher schon oft angeboten, warum jetzt uns alle Geheimnisse verraten?
McGee: Man hat mir das tatsächlich sehr oft angeboten, aber ich hab das nie ernst genommen! Und dann gab’s plötzlich einen Konkurrenzkampf zwischen den Verlagen, um den Zuschlag zu bekommen. Und ich hab mich schlapp gelacht, was man mir da für überdimensionale Geldsummen angeboten hat! Ich dachte, die können das nicht ernst meinen! Ich dachte, der Schund kann doch nicht mehr wert sein als fünf Cent oder so! Als ich dann tatsächlich den Scheck mit dem vielen Geld in der Tasche hatte, dachte ich, ok, ich schreib mal lieber das Buch.
Zayed: Wenn sie zurückblicken, gibt es etwas, was Sie diesmal bei ihrem neuen Durchstart anders machen wollen? Ich habe Sie in Interviews sagen hören, dass ihr neues Label 359 nie so sein wird wie Creation. Warum?
McGee: Die Zeiten sind anders. Aber die Qualität der Musik ist die gleiche! Das einzige, was ich einfach wirklich noch nicht absehen kann, ist, ob wir genau so eine große Zielgruppe ansprechen können wie damals mit Creation. Es kann natürlich trotzdem sein, dass einer der Künstler es tatsächlich schafft, und eine Riesenkarriere hinlegt, was mich sehr freuen würde, weil dann wieder Leute meine Arbeit bewundern können.
Zayed: Was hat sie damals am Meisten überrascht am Musikgeschäft?
McGee: Ich dachte, ich entdecke mal eine Band, und die bringt irgendein One Hit Wonder raus, und wir gehen einmal auf Tour, und das war’s! Dass ich damit mal Geld verdienen könnte, hab ich nie gedacht! Wenn man mir mit 18 oder 19 gesagt hätte: Du wirst eines Tages Teil einer politischen Werbekampagne sein, und die britischen Politiker beraten, wie man mit Drogenabhängigkeit bei Jugendlichen umgeht, hätte ich gelacht und gesagt: Hä? Aber ich nehme doch selbst Drogen! Ich hätte auch nie gedacht, dass ich eine Stimme haben würde, mit der ich in der Politik helfen kann, Gesetze für gescheite Plattendeals in Großbritannien zu entwerfen. Und 20 Jahre später hab ich genau das getan!
Zayed: Sie haben ja erst die Labour Partei unterstützt, und später dann die Konservativen. Wen unterstützen sie jetzt?
McGee: Ich bin desillusioniert, und habe aufgehört, irgendeine politische Partei zu unterstützen. Ich habe gelernt, dass das alles nur eine Gameshow ist. Ich mag unseren Parteiabgeordneten MP in Wales. Der ist Liberaldemokrat. Wenn ich wählen gehen müsste, würde ich ihn wählen. Nicht, weil ich die Liberaldemokraten unterstütze, sondern weil der Typ nett ist. Er ist etwa 64, und der Typ rockt! Er ist auf jedem Event, was in seinen Bezirk fällt. Ich wohne in dem kleinsten Bezirk von Großbritannien, aber der fasst allein schon 180.000 Leute, die er allein betreut. Das ist schon relativ klein im Vergleich zu Glasgow oder so. Es gibt wahrscheinlich dort mehr Schafe als Menschen. Nichtsdestotrotz, der Typ kennt glaube ich, alle 180.000 Leute mit Namen, und die Schafe kennt er glaub ich auch. Irgendwann bin ich nach Hause gekommen, und da saß der auf meiner Couch. Und ich meinte: Wer sind Sie denn bitte? Und er meinte: Ich bin ihr lokaler Parteiabgeordneter. Ich meinte dann total perplex: Und was machen Sie hier bei mir? Er sagte: Ihre Frau hat sich über die kaputten Straßen beschwert, und da wollte ich vorbeikommen, und mal mit Ihnen besprechen, was man da ändern könnte. Und ich dachte: Wow! Der kümmert sich ja wirklich! Anfangs dachte ich, der macht das nur mit mir, weil man mich kennt, aber der Typ macht das wirklich mit Allen, weil er ein cooler Typ ist, und deshalb kriegt er meine Stimme.
Zayed: Sind sie sehr enttäuscht, wenn Sie daran zurückdenken, wie viel Zeit sie auf die Politik verschwendet haben?
McGee: Ich habe eingesehen, dass es nichts bringt, ärgerlich zu sein, denn am Ende sind die Politiker nur Marionetten, die in einer großen Agenda mitspielen.
Zayed: Was für eine Agenda?
McGee: Es geht nur ums Geld! Das Schlimme daran ist, dass Du als Teenager heute keine Hoffnung mehr hast. Wenn Du nicht mit Deinen Eltern klarkommst, wirst Du wahrscheinlich noch obdachlos, weil es keine Sozialwohnungen mehr in England gibt. Einen Job kriegst Du auch nicht! Was bleibt dann noch übrig, außer kriminell zu werden? Wir sehen tatenlos zu, wie eine ganze Generation zerstört wird, und tun nichts! Und dann geht ein Tony Blair hin, und führt Krieg im Irak. Was war dass denn bitte? Hat kein Mensch verstanden! Wir hatten Mitte der 90er alle so die Schnauze voll von den Konservativen und dachten: Wow! Endlich mal jemand, der uns versteht! Wir waren alle euphorisch! Alle die Künstler aus England, die sie vielleicht kennen, waren begeistert, dass wir’s endlich geschafft hatten, diese beschissenen Tories aus der Downing Street zu haben, und dann bekamen wir leider Tories 2.0! Die neue Version, das neue Upgrade der Tories! So viele Leute in meinem Alter beschweren sich über das Verhalten der heutigen Kids! Mir tun sie nur leid! Wenigstens konnten Bobby Gillespie und ich damals noch irgendeinen Scheißjob machen. Das können die Kids heute nicht!
Zayed: Warum nicht?
McGee: Weils keine gibt! Wenn Du ein Teenager in irgendeinem Kaff in Großbritannien bist, und keinen Onkel Alan hat, der dich unterstützt, dann gehst Du vor die Hunde! Schuld daran ist die Globalisierung! China hat richtig viel investiert. Die haben Geld in ihre Minen gesteckt, haben diese Einkindpolitik eingeführt. Ich unterstütze das nicht unbedingt, aber man kann doch nicht in England, wo es festgesetzte Mindestlöhne gibt, hergehen und alle Kohleminen dichtmachen! Wir haben alle unsere wichtigen Industrien dichtgemacht, und alles an die Chinesen abgegeben. Jetzt haben die Chinesen ganz viel Geld und wir nicht! Irgendwann haben wir in England nur noch ein paar Supermärkte, ein paar Tattoo Shop, einen Sexshop ein paar Handygeschäfte, und vielleicht noch ein paar Bestattungsinstitute.
Zayed: Wie gehen Sie heute mit Drogen um, beziehungsweise was sagen Sie ihrer Tochter, die ja jetzt auch langsam zum Teenager wird, und vor allem nimmt die Ihren Rat dann ernst?
McGee: Das ist tatsächlich schwierig. Ich hoffe, dass meine Tochter zu clever ist, um Drogen zu nehmen. Aber oft ist das auch genetisch veranlagt. Ich hoffe nicht, denn ich war ja selbst abhängig. Das Problem mit Drogen und Alkohol ist, dass es Menschen gibt, die ihren Konsum kontrollieren können, und andere nicht. Ich war zwischen 1994 und 2002 komplett trocken und clean. Irgendwann war ich dann Weihnachten 2002 in der Karibik, hatte Stress es war unglaublich warm, und ich habe ein Glas Wein getrunken. Zwei Jahre später wollte meine Frau mich verlassen, hat mir die Gelbe Karte gegeben, denn ich war wieder total auf Alkohol, und Gott sei dank, hab ich’s wieder geschafft! Man muss immer daran denken, dass Alkohol und Drogen die Persönlichkeit verändern! Man denkt sehr oft, dass man der größte ist. Gott sei Dank vergisst man dieses Gefühl auch wieder, wenn man nüchtern ist. Da ist so ein kleines Arschloch in einer Box, und sobald man high oder betrunken ist, kommt das raus. Gott sei Dank ist der Bildschirmschoner davor, wenn man nicht high ist, aber wenn der rauskommt, dann ist man ein Vollidiot, das ist zumindest bei mir so! In Schottland haben wir eine Riesenmenge Alkoholiker, die es nicht mal merken! Mein Vater ist so einer! Er denkt, er kann alles, dabei kann er grad mal aufs Klo gehen!
Zayed: Wenn Gott Ihnen eine Traumzukunft gewähren würde, was würden Sie sich wünschen?
McGee: Pete McLeod größter Rockstar in Deutschland!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.