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Die neue EU-Kommission
Überraschungen bei der Umwelt- und Verbraucherpolitik

Am Ende hat der designierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gestern noch für einige Überraschungen gesorgt, allerdings nicht bei den schwergewichtigen Dossiers. Doch gerade die Zusammenlegung von Fischerei und Umwelt hatten die meisten nicht auf der Rechnung.

    Jean-Claude Juncker am Rednerpult bei der Vorstellung der neuen EU-Kommission unter seiner Leitung.
    Jean-Claude Juncker bei der Vorstellung der neuen EU-Kommission unter seiner Leitung. (picture alliance / dpa / Olivier Hoslet)
    Prinzipiell sei die Zusammenlegung für die Fischereipolitik zu begrüßen, heißt es etwa bei Greenpeace. Denn zumindest vor der großen Fischereireform habe das Thema Nachhaltigkeit bei den Mitgliedstaaten keine große Rolle gespielt. Umweltpolitisch sieht jedoch die Greenpeace-Direktorin Mahi Sideridou die neue Zuordnung eher kritisch:
    "Das ist das erste Mal seit gut 25 Jahren, dass Europa keinen eigenen Umweltkommissar mehr hat. Das ist also ein sehr drastischer Kurswechsel, obwohl es gerade in der Umweltpolitik viele Aufgaben gibt. Also, das ist schon sehr überraschend, dass hier zwei so große Dossiers zusammengewürfelt wurden".
    Zuständig für das neue Dossier Fischerei, maritime Angelegenheiten und Umwelt wird der ehemalige maltesische Tourismusminister Karmenu Vella. Aus europapolitischer Sicht ein eher unbeschriebenes Blatt, weshalb Greenpeace die Personalie noch nicht bewerten will.
    Energiebinnenmarkt soll entstehen
    Ebenfalls überraschend die Neuordnung in der Klima- und Energiepolitik. Beide Themen stehen derzeit ganz oben auf der europäischen Agenda. So müssen sich die Staats- und Regierungschefs im Oktober auf neue Klimaziele für die EU bis 2030 verständigen. Gleichzeitig soll Europa unabhängiger von russischen Gasexporten werden – Ziel ist die Umsetzung eines Energiebinnenmarktes. Künftig sollen beide Bereiche in einer Hand liegen, was wiederum beim Klimaexperten der SPD im Europäischen Parlament, Jo Leinen, auf wenig Begeisterung stößt:
    "Man hat immer wieder Sachen, die einem nicht gefallen. Mir gefallen zum Beispiel nicht, dass der Klimaschutz der Energiepolitik untergeordnet wird, Klimaschutz ist viel mehr, da ist sicherlich eine Baustelle, an der wir noch arbeiten müssen."
    Unmittelbar verantwortlich für das neue Dossier wird der ehemalige spanische Landwirtschaftsminister Arias Miguel Canete, ein Politprofi. Doch Spanien hat sich bislang nicht unbedingt einen Namen gemacht als Verfechter für strenge klimapolitische Ziele. Weshalb sowohl Neuordnung als auch Personalie bei Greenpeace auf Skepsis stoßen:
    "Das Risiko besteht jetzt, dass Klima marginalisiert wird. Denn die Energiepolitik wird derzeit so kontrovers diskutiert. Und ist gleichzeitig sehr wichtig. Die Klimapolitik könnte damit sozusagen zum Hobby des Kommissars werden. Der designierte Kommissar ist ein politisches Schwergewicht, er kennt die die europäische Szene, die Umweltszene. Aber leider hat er eine sehr schlechte Bilanz aufzuweisen, wenn es um seine nationale Verantwortung in Spanien geht."
    Demnach, so Sideridou, gebe es auch enge Verbindungen zur Ölindustrie. Freilich wird Christdemokrat Canete sein Ressort nicht allein verantworten – Juncker hat gestern auch die ehemalige Ministerpräsidentin Sloweniens, Alenka Bratusek zur Vizekommissarin für Energie ernannt, die dann in diesem Bereich eine koordinierende Funktion übernehmen soll.
    Bratusek, eine gelernte Textilingenieurin, gilt zwar als effizient und durchsetzungsstark, ist aber zuhause umstritten. Auch aus dem Parlament gibt es bereits kritische Töne über das nationale Nominierungsverfahren. Insofern werden sich wohl beide auf eine strenge Befragung durch die Abgeordneten einstellen müssen.