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Die neue Oper von Klaus Lang
Entschleunigung pur in Bayreuth

Die Uraufführung der Oper "der verschwundene hochzeiter" steht im Zentrum des Festspiel-Rahmenprogramms "Diskurs Bayreuth". Klaus Langs tonale, unablässig flirrende Musik scheint die Zeit aufheben zu wollen. Und um die geht es auch in der alten österreichischen Sage, von der die Geschichte handelt.

Christoph Schmitz im Gespräch mit Karin Fischer |
    Eine Szene aus der Oper "Der verschwundene Hochzeiter" von Klaus Lang, Diskurs Bayreuth - Bayreuther Festspiele 2018
    Eine Szene aus der Oper "Der verschwundene Hochzeiter" von Klaus Lang in Bayreuth (Diskurs Bayreuth - Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath)
    Es ist eine fast surreale Geschichte, auf der das Libretto beruht, das der österreichische Komponist Klaus Lang, geboren 1971, auch selbst geschrieben hat. Eine alte österreichische Sage erzählt von einem Bräutigam, der einen Fremden zu seiner Hochzeit einlädt. Der Fremde revanchiert sich und lädt den jungen Ehemann zu seiner eigenen Hochzeit ein paar Tage später ein. Der junge Mann kommt dort an, und der Fremde sagt ihm, dass er immer nur so lange tanzen darf, wie die Musik spielt, auf keinen Fall länger. Der junge Mann aber ist vom Fest so begeistert, dass er gegen das Verbot verstößt. Als er in sein Dorf zurückkehrt, erkennt er niemanden mehr wieder und ist für die Dörfler selbst zum Fremden geworden. Er muss feststellen, dass seit seinem Weggang nicht wenige Tage, sondern 300 Jahre vergangen sind – denkt er, und zerfällt zu Staub.
    Das Verbot als Motiv in der Kunst
    Das Thema Tanz- oder auch Kunst-Verbot erinnert an das Frageverbot in Wagners "Lohengrin" oder an die alttestamentlichen Geschichte von Adam und Eva; diese mythologischen, existentiellen, philosophischen und auch gesellschaftskritischen Schichtungen fächert Langs Oper auf.
    Klaus Lang hat mit seinem Musiktheater "der verschwundene hochzeiter" ein unablässig fließendes, flimmerndes, flirrendes, sirrendes und zitterndes Klangkontinuum komponiert. Über 90 Minuten hinweg ohne Pause zieht die Musik immer tiefer hinein in ein sich endlos bewegendes Lichtmeer. Diese Musik ist Entschleunigung pur, sie entfaltet einen starken Sog, eine suggestive Kraft. Es scheint, als wolle sie die Zeit aufheben, uns hellwach dem Diktat des getakteten Alltagslebens entziehen und aus der verzweckten Gegenwart befreien. Sehr tonal geprägt, hat sie sich auch gewissermaßen selbst befreit vom avantgardistischen Diktat.
    Die Musiker vom Ictus Ensemble aus Belgien, spezialisiert auf Neue Musik, und der Chor Cantando Admont aus Österreich spielen und singen das sehr intensiv, energetisch, mit riesigen Bögen, wie auch die beiden Gesangssolisten, der Bass Alexander Kiechle und der Countertenor Terry Wey.
    Surreale Bildgeschichte mit genialisch einfachen Mitteln
    Regisseur Paul Esterhazy hat einen kargen, fast leeren Wohnraum mit zwei Fenstern auf die Kinobühne im ehemaligen Kino "Reichshof" aus den 1920er-Jahren in der Altstadt Bayreuths gestellt. Als einzige Spielfigur, eine stumme Pantomime, ist der Hochzeiter in Trachtenkleidung zu sehen, dargestellt im Wechsel von den beiden Tänzern Otto und Jiri Bubenicek. In reduzierten und extrem verlangsamten Bewegungen, oder auch wie im Zeitraffer beschleunigt, stellen sie die Titelfigur dar. Der Clou der Inszenierung: Mit der sogenannten Pepper-Ghost-Technik - einer schrägen durchsichtigen Folie am Bühnenrand - werden Videoprojektionen des Hochzeiters auf und neben die reale Figur auf der Bühne übertragen. Der Hochzeiter verdoppelt, vervielfacht sich – eine traumhafte, träumerische, surreale Bildgeschichte entsteht. So sind in dieser Traumzeitgeschichte Musik und Inszenierung genialisch miteinander verwoben. Ein starker Auftakt für die Bayreuther Festspiele.
    Mit Auftragskompositionen dieser Art im Rahmen des seit 2017 mit "Diskurs Bayreuth" erweiterten Programms hat man in Bayreuth den Grünen Hügel neu bepflanzt. Frisches Grün sprießt überall. Unter Festspielleiterin Katharina Wagner entwickeln sich die Festspiele weiter.