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Die neue Regierung in Wien
"Österreich wird eher nationalistisch orientiert sein"

Mit den letzten Wahlen und der jetzt gebildeten Regierung aus ÖVP und FPÖ sei Österreich insgesamt nach rechts gerückt, sagte der SPÖ-Politiker Hannes Swoboda im Dlf. Sorgen bereite ihm unter anderem, dass die Mittel zur Integration von Flüchtlingen drastisch gekürzt werden sollen.

Hannes Swoboda im Gespräch mit Philipp May |
    Der österreichische Politiker Hannes Swoboda war bis 2014 Abgeordneter der SPÖ im Europaparlament.
    Der österreichische Politiker Hannes Swoboda war bis 2014 Abgeordneter der SPÖ im Europaparlament. (Imago / Zuma Press)
    Philipp May: Zügig sind sie gewesen bei der Regierungsbildung. Zwei Wochen nach uns haben die Österreicher gewählt und schon jetzt steht die Koalition aus der konservativen ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ. Heute wird der 31-jährige Sebastian Kurz zum jüngsten Regierungschef Europas vereidigt und jetzt ist die Frage, wie weit geht es denn nach rechts jenseits der Alpen.
    Am Telefon ist jetzt Hannes Swoboda, langjähriger Europapolitiker der österreichischen Sozialdemokraten. Schönen guten Morgen!
    Hannes Swoboda: Schönen guten Morgen, Herr May.
    May: Herr Swoboda, müssen Merkel und Macron Angst und Bange werden beim Blick auf Wien?
    "Insgesamt ist Österreich nach rechts gerückt"
    Swoboda: Ich glaube nicht, dass sie Angst haben müssen und Bange werden müssen. Natürlich: Eine gewisse Skepsis ist angebracht. Die FPÖ hat müssen unterschreiben ein klares Bekenntnis zu Europa und zur Europäischen Union. Ob das dann in der Praxis so halten wird, ist eine andere Frage. Der FPÖ wurde ja gratuliert gestern von den rechtsextremen Parteien in Europa, aber entweder haben sie den Text nicht gelesen, oder sie glauben, Heinz-Christian Strache wird sich nicht daran halten. Insgesamt ist Österreich nach rechts gerückt und wahrscheinlich die FPÖ ein bisschen mehr zur Mitte, die allerdings wie gesagt mehr rechts ist als noch vor fünf oder zehn Jahren.
    May: Die Sorge, dass Österreich langfristig die Seiten in Europa wechseln wird und hin zu den Visegrad-Staaten, also Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei tendiert, das sehen Sie nicht?
    Swoboda: Verbal wird es sicherlich eine Annäherung geben, gerade in der Flüchtlingsfrage. Das schon. Davon gehe ich aus. Auf der anderen Seite: Österreich ist Nettozahler. Die Visegrad-Länder sind ja Netto-Empfänger. Gerade diese Finanzierung der EU war immer ein Streitpunkt, auch in der Flüchtlingsfrage. De facto hat ja Österreich sehr viele Flüchtlinge, die anderen Länder keine und wollen keine aufnehmen, insbesondere aus dem eurasischen Raum. Es wird eine gewisse Annäherung geben, aber Visegrad selbst ist ja sehr gespalten, wenn wir an das Verhältnis gegenüber Russland denken. Also würde ich das nicht so gravierend sehen.
    May: Russland ist ein gutes Thema. Strache, der ist ja ein bekannter Russland-Freund. Wird es da eine stärkere Hinwendung geben?
    "Es wird nicht zu einem drastischen Kurswechsel kommen"
    Swoboda: Er wird das versuchen. Bei Kurz ist das ja nicht der Fall. Insgesamt ist Österreich sicherlich der Meinung, das geht quer durch die Bevölkerung, dass man versuchen sollte, mit Russland ein besseres Verhältnis herzustellen. Da wird es sicherlich eher zu Konflikten mit Polen kommen. Aber das wird keine grundsätzliche Trendwende werden, denn Österreich wie gesagt hat ein traditionell gutes Verhältnis zu Russland, ist mit den Sanktionen nicht so einverstanden. Insgesamt muss die Europäische Union einen Weg finden zwischen den verschiedenen Polen. Da wird sich Österreich mehr auf die Seite jener schlagen, die kritisch die Sanktionen sehen. Aber es wird nicht zu einem drastischen Kurswechsel kommen.
    May: Sanktionen gegen Russland ist das eine. Jetzt gibt es ja auch ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen zum Beispiel. Würde Österreich etwa dann Sanktionen gegen Polen im Fall der Fälle noch mittragen?
    Swoboda: Das wahrscheinlich nicht, vom Grundsatz her nicht. Aber da sind wir ja nicht die einzigen. Da wird schon auch Ungarn sein Veto einlegen. Da wird es einen Meinungsumschwung oder eine Meinungsveränderung geben. Da wird es schon so sein, dass Österreich in diesen Fragen nationaler Selbstständigkeit, eigene Wege zu gehen, die mit dem europäischen Recht nicht in Einklang stehen, da wird Österreich eher toleranter werden. Das heißt, es wird eher nationalistisch orientiert sein. Da sind Veränderungen sicherlich sichtbar.
    May: Herr Swoboda, Sie klingen total entspannt oder sehr entspannt. Ist die FPÖ gar nicht mehr so schmuddelig wie vor 17 Jahren unter Jörg Haider bei der ersten Regierungsbeteiligung? Damals stand ganz Europa ja auf den Barrikaden. Jetzt hört man nichts.
    "Jetzt muss man schauen, dass die Europäische Union vernünftiger handelt"
    Swoboda: Ja. Viele Leute, die jetzt regierungsnah sind oder auch in der Regierung sind, waren bisher durch ihre Schmuddeligkeit bekannt. Die Frage ist, wie schon erwähnt, wie weit wird die FPÖ jetzt in eine zwar rechter liegende Mitte getrieben oder nicht. Ich bin entspannt nicht deswegen, weil ich keine Furcht oder keine Sorge habe, aber wir müssen jetzt einmal warten, was geschieht, welche Handlungen gesetzt werden und auf die Handlungen reagieren. Sonst kommen wir nur in das Feld, dass wir diese rechten Leute noch mehr unterstützen, indem wir sagen, die sind alle undemokratisch, unsere Kritiker, sie sind nicht bereit zu akzeptieren, dass die Bevölkerung uns gewählt hat. Die Wahlen haben stattgefunden, sie sind gewählt worden. Das ist ein Trend, der in ganz Europa mehr oder weniger sichtbar ist. Und jetzt muss man schauen, dass die Europäische Union vernünftiger handelt und die Bevölkerung nicht noch gewissermaßen zu dieser Regierung hintreibt und der Regierung noch eine stärkere Position gibt. Darum bin ich entspannt, weil ich auch glaube und hoffe, dass die Europäische Union diesmal vernünftiger und rationaler reagiert und nur dort ansetzt, wo wirklich europäisches Recht verletzt wird.
    May: Was ist dann vernünftig und rational reagieren? Also erst mal gar nichts machen und abwarten?
    Swoboda: Abwarten auf die Maßnahmen, auf die Maßnahmen reagieren, auf die Politik reagieren und wie gesagt auf die Konflikte, die auch mit anderen rechten Gruppierungen da sind, zu setzen, als jetzt mit einer vollen Wucht entgegenzufahren und damit diese Regierung eigentlich nur noch stärken in ihrem Bewusstsein, wir sind die einzigen, die das Land vor den externen Kräften aus Brüssel retten können.
    May: Man hat sich ja schon ein bisschen gewöhnt an rechte Regierungen in der EU. – Sie haben nichts desto trotz gesagt, Sorgen haben Sie schon. Wo liegen genau Ihre Sorgen?
    "Integration ist eine ganz wichtige europäische Aufgabe"
    Swoboda: Ich glaube, die größte Sorge ist in der Flüchtlingsfrage, nämlich nicht, dass man jetzt das Land abschließt und keine Flüchtlinge mehr überhaupt hinein lässt - das ist de facto ja schon der Fall -, sondern dass man bei der Integration versagt. Denn wenn ich die Mittel kürze, was vorgesehen ist, die Mittel drastisch zu kürzen auch für die anerkannten Flüchtlinge, dann wird ja nicht für die Integration gesorgt, sondern eher für die Segregation gesorgt, und das halte ich für problematisch für die Entwicklung im eigenen Land, aber natürlich auch für die Entwicklung in Europa insgesamt. Die Integration derer, die zu uns gekommen sind bereits in der Vergangenheit, ist eine ganz wichtige europäische Aufgabe, und da sehe ich den größten Mangel bereits in den Erklärungen der Regierung, geschweige denn in den Handlungen, die noch kommen werden.
    May: Ein anderer Kritikpunkt, der jetzt immer wieder geäußert wird, auch vom scheidenden Kanzler Christian Kern, ist, dass die FPÖ mit dem Innen- und dem Verteidigungsministerium allein für den gesamten Sicherheitsbereich, also für alle Uniformierten zuständig ist. Ist das so problematisch?
    Swoboda: Es ist problematisch. Wenn ich mir anschaue, welche Leute diese Ministerien übernehmen, mit zum Teil Kontakten weit nach rechts, dann muss man sehr, sehr, sehr sorgfältig und sehr sorgsam sein. Das ist eine der Fragen, die in Österreich selbst seitens der Opposition und seitens der kritischen Öffentlichkeit genau verfolgt werden müssen. Das ist absolut richtig.
    May: Herr Swoboda, wir haben den Rechtsruck jetzt bei Ihnen erlebt, aber auch in Deutschland und praktisch ja überall in Europa, wenn wir ehrlich sind. Ist das nicht ein Zeichen, dass die Menschen weniger EU wollen?
    "Es geht um eine neue Struktur der EU"
    Swoboda: Ich glaube, die Menschen wollen eine Europäische Union, die ihre wichtigen Anliegen auch wirklich ernst nimmt. Ich bin seit vielen Jahren der Meinung, die Europäische Union müsste mit der Bevölkerung ein neues Verhältnis, eine neue Balance diskutieren, was soll auf nationaler Ebene, was soll auf der europäischen Ebene geschehen. Ich glaube, die Verteidigung der gemeinsamen europäischen Interessen, von den Außengrenzen her bis zur Frage der Sicherheits- und Außenpolitik, das ist etwas, was die Menschen schon von der Europäischen Union wollen. Hier geschieht zu wenig. Und bei vielen Detailregelungen, wo die Europäische Union Maßnahmen setzt, die eigentlich immer nur Leute verärgern, ohne dass es wirklich einen großen Mehrwert bringt, das sollte man und könnte man durchaus den einzelnen Mitgliedsländern überlassen. Es geht nicht um wenig oder mehr Europäische Union; es geht eigentlich um eine neue Struktur, um eine neue Balance zwischen Brüssel und den einzelnen nationalen oder auch regionalen Regierungen.
    May: In Österreich wird heute die neue Regierung, bestehend aus Konservativen und Rechtspopulisten, vereidigt. Einschätzungen waren das von Hannes Swoboda, langjähriger SPÖ-Politiker im EU-Parlament. Vielen Dank, Herr Swoboda, für das Gespräch.
    Swoboda: Sehr gerne, Herr May.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.