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Die Not libyscher Flüchtlinge in Italien

28.000 Menschen flohen vor dem Krieg in Libyen nach Italien. Für den Notstandsplan Nordafrika stellte auch die EU Mittel für die Verpflegung der Flüchtlinge zur Verfügung. Doch die Gelder versickerten, nur ein Bruchteil kam bei den Bedürftigen an. Jetzt wurde die Finanzierung ganz eingestellt.

Von Karl Hoffman |
    Vor zwei Jahren flohen sie vor dem Krieg in Libyen nach Italien, jetzt stehen sie wieder vor dem Nichts. Immigranten verlassen unter Protest ihre Unterkünfte.

    "Wir haben nichts in der Hand, keine Aufenthaltserlaubnis, keinen Pass, keine Arbeitserlaubnis und kein Dach über dem Kopf."

    "Ich weiß nicht mehr wohin."

    "2011 kamen wir, nach dem Krieg. Jetzt ist plötzlich Schluss, seit Ende Februar."

    28.000 Menschen flohen ab Juli 2011 vor dem Krieg in Libyen Richtung Italien. Als sie ankamen, waren viele von ihnen verletzt oder krank, sagt Silvana Perrone von der privaten Hilfsorganisation Isola di Ariel in Turin.

    "Viele Kinder hatten Bronchitis und Lungenentzündung, einige hatten sogar Bisswunden, die ihnen andere vor Hunger beigebracht hatten. Andere wiesen noch die Spuren von Gewaltanwendung auf, mit der man sie auf die Boote gejagt hatte."

    Für die Flüchtlinge wurde der sogenannte Notstandsplan Nordafrika erarbeitet. Im Auftrag der italienischen Zivilschutz-Behörde kümmerten sich Hilfsorganisationen um Unterbringung und Verpflegung. Pro Person wurden 1200 Euro im Monat zur Verfügung gestellt, darin eingeschlossen Sprachkurse und Maßnahmen zur Integration der Flüchtlinge. Anfang dieses Jahres wurden die Mittel jedoch um etwa 25 Prozent gekürzt, seit Anfang März hat der Staat die Finanzierung der noch etwa 13.000 in einfachen Hotels und Lagern lebenden Flüchtlinge vollkommen eingestellt. Nach Protesten blieben wenigstens Familien mit Kindern und Kranken vor dem Rauswurf aus den Unterbringungen verschont. Shukri Said von der Hilfsorganisation Migrare übt harte Kritik am Vorgehen der Behörden:

    "Die Menschen haben ein Recht auf Versorgung. Und Italien hat die Pflicht, sich um sie zu kümmern gemäß der Menschenrechtscharta, wonach Flüchtlinge Asyl bekommen müssen. Wir bekommen ja auch schließlich eine Menge Geld von der EU für diese Menschen."

    Der Notstandsplan Nordafrika hat etwa eine Milliarde Euro gekostet. Viel Geld, auch aus den EU Kassen, das aber zum Teil in dunkle Kanäle gewandert ist, wie die Sozialhelferin Jasmine Accardo in Neapel herausgefunden hat.

    "Die staatlichen Gelder wurden verschwendet. Viele der angemieteten Hotels hier in Neapel gehörten der Camorra, wie hier auf der Piazza Garibaldi oder direkt im Mafia Viertel Scampia, wo die Versorgung der Immigranten den Hotelbesitzern überlassen war , die natürlich einen Riesenreibach gemacht haben."

    Von den mitfinanzierten Sprachkursen keine Rede, dazu miserable Verpflegung und unsägliche hygienische Verhältnisse in Mehrbettzimmern. Und das nicht nur in Süditalien, wo die Mafia mit absahnte. In einem Asylantenheim des Roten Kreuzes bei Bologna hausten bis zuletzt 120 Immigranten, wo eigentlich nur 40 vorgesehen waren. Auch im Winter stand nur ein einziger Heißwasserboiler zur Verfügung, für eine Dusche standen die Asylbewohner oft schon um fünf Uhr morgens an. Kontrollen staatlicherseits gab es keine. Die Verwaltung überwies Riesensummen an die Hilfsorganisationen, ja sogar an private Hoteliers im blinden Vertrauen darauf, dass diese sich entsprechend um die Asylbewerber kümmern würden. Viele Millionen sind bisher noch nicht einmal ordentlich abgerechnet worden. Die Folgen dieser Misswirtschaft sind dramatisch. Die Geldgier einiger vermeintlicher Helfer hat viele Immigranten zu hilflosen Almosenempfängern gemacht, die jetzt auf der Straße stehen, sagt Shukra Said:

    "Statt die öffentlichen Mittel zu investieren, um diese Menschen einzugliedern, wurden sie regelrecht misshandelt. Jetzt sind sie frustriert, psychisch krank und enden obendrein auch noch als Obdachlose."

    So wie diese jungen Männer am Hauptbahnhof von Neapel:

    "Ich habe niemanden hier, keine Verwandten, keine Freunde Wo sollen wir jetzt hin? Im Freien übernachten, erfrieren? Ich bin ganz allein habe niemanden. Ich weiß nicht mehr weiter."