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"Die Öffentlichkeitsarbeiter werden noch stärker"

"Es wird weniger", kommentiert Journalistik-Professor Volker Wolff die Wirtschaftskompetenz der Zeitungen in Deutschland. Sollte die "Financial Times Deutschland" eingestellt werden, wäre das für Verbraucher und Anleger kein Vorteil.

Volker Wolff im Gespräch mit Sina Fröhndrich |
    Sina Fröhndrich: Großer Jubel heute beim Medienkonzern Burda. Die Geschäfte mit "Bunte", "Focus" und "L" liefen gut, heißt es aus München. Das kann der Hamburger Verlag Gruner + Jahr so nicht von sich behaupten - im Gegenteil. Heute Mittag kam der Aufsichtsrat in Hamburg zusammen, um über die Zukunft der vier Wirtschaftsmedien zu beraten. Die "Financial Times Deutschland", so wabert es seit Tagen, Beitrag in Informationen am Mittag, Deutschlandfunk(MP3-Audio) steht wohl vor dem Aus.

    Und damit nach Mainz zu Volker Wolff. Er ist Journalistikprofessor, war lange Zeit Wirtschaftsjournalist beim "Handelsblatt", der "Wirtschaftswoche" und auch bei "Capital". Herr Wolff, die FTD hat nie schwarze Zahlen geschrieben. Warum tut sie sich so schwer?

    Volker Wolff: Die FTD trat vor einem guten Dutzend Jahren an, einen etwas anderen Wirtschaftsjournalismus zu liefern. Das tat sie auch. Sie war magaziniger und unterschied sich damit sehr deutlich von den damals noch sehr trockenen anderen, also "Handelsblatt" oder "Börsenzeitung", die auch noch heute einen sehr sachlichen Stil hat. Dieser Stil der FTD wurde begeistert aufgenommen, aber eben nur bei den vielen Fans. Die große Mehrheit der Entscheider in der deutschen Wirtschaft hat das ein bisschen skeptisch beobachtet, war nicht so spontan begeistert. Frau Herb hat ja auch eben angesprochen die Fans, die sich da alle gemeldet haben. Ja, die hat es immer gegeben, aber die Entscheidungsträger waren etwas zurückhaltender. Die haben doch eher den sachlichen Stil und auch die Spezialisierung auf die Themen, also die etwas größere Tiefe bevorzugt.

    Fröhndrich: Das heißt, sollte die FTD jetzt eingestellt werden, kann man nicht sagen, dass sich das in die allgemeine Medienkrise einreiht?

    Wolff: Na ja, es ist etwas schwierig, Nachrufe auf Lebende zu halten, und ich möchte mich da auch an den Spekulationen nicht so richtig beteiligen. Wenn da jetzt wirklich - die Redaktion hat es ja gemeldet - die FTD dicht gemacht wird, dann ist es immer von allem etwas. Es ist die Medienkrise, weil die Anzeigen sind auch bei der FTD nicht da, und da gibt es dann mehrere Gründe dafür. Aber das trifft eigentlich alle.

    Es gibt aber auch hausgemachte Probleme, und die hausgemachten Probleme sind Fehlentscheidungen im Management, die zum Beispiel im Jahre 2008 mit der Zusammenlegung der übrigen Redaktionen geschehen sind. Das habe ich nie verstanden. Man kann nicht mit einer Redaktion eine Wochenzeitung, eine Tageszeitung und ein Monatsblatt machen. Das macht die "Handelsblatt"-Gruppe gänzlich anders, und das auch sehr viel erfolgreicher.

    Und dann kam natürlich noch bei der FTD hinzu, dass sie zumindest indirekt von den beiden Krisen an den Börsen getroffen wurde, in denen ja die Anlegermagazine sehr starke Fehler gemacht haben, und das hat dann bei einer Gruppe wie der Wirtschaftspresse von Gruner + Jahr eben durchgeschlagen.

    Fröhndrich: Wenn wir jetzt mal auf den Markt der Wirtschaftsblätter schauen, wofür steht die FTD da? Was würde da verloren gehen?

    Wolff: Na ja, eine kompetente Stimme. Da gibt es sehr viele in der ganzen Gruppe, sehr viele sehr kompetente Journalisten, die dann einfach fehlen. Ich nenne einfach mal einen Namen: Herbert Fromme ist sicherlich einer der besonders ausgewiesenen Versicherungsjournalisten in Deutschland. Wenn die Stimme fehlt, ist es einer ganzen Branche vermutlich etwas leichter, mit der Öffentlichkeitsarbeit durchzukommen.

    Fröhndrich: Wie sieht die Medienlandschaft dann aus, wenn wir jetzt noch mal auf die Wirtschaftsblätter schauen?

    Wolff: Wenn wir nur die Wirtschaftsberichterstattung sehen, dann ist es eigentlich sehr traurig. Träger der Wirtschaftsberichterstattung in Deutschland sind ja nun mal in der Masse immer noch die Regionalzeitungen, und die lassen den Wirtschaftsjournalismus einfach sträflich links liegen. Das kann man nicht mehr anders sagen. Es gibt da seriöse Untersuchungen, die sagen, es gibt zum Beispiel in 70 Prozent der Zeitungen keinen Spezialisten mehr für Finanzen, ja nicht mal mehr Ökonomen. Das ist schrecklich. Dann fällt also die Mehrheit der Regionalzeitungen aus. Jetzt wackelt auch noch eine wirklich tragende Säule des Wirtschaftsjournalismus in Deutschland. Es wird weniger! Es bleiben nur noch vielleicht die großen überregionalen Zeitungen, und damit verschieben sich natürlich auch die Gewichte. Die Öffentlichkeitsarbeiter werden noch stärker, wir werden noch stärker ungefilterte oder ungeprüfte oder, sagen wir mal, weniger gut kommentierte Informationen der Öffentlichkeitsarbeit bekommen, und das tut sicherlich der Entscheidung der Verbraucher und der Anleger nicht besonders gut.

    Fröhndrich: Volker Wolff, Journalistikprofessor und Wirtschaftsjournalist. Vielen Dank nach Mainz.

    Wolff: Ja, gerne geschehen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.