Gottesdienst in der "Kirche der Verklärung Christi" im Athener Vorort Sourmena. Gleich drei orthodoxe Pfarrer in langen roten und goldfarbigen Priestergewändern leiten den Gottesdienst, der gut besucht ist von Menschen jeden Alters. Einige sitzen auf Holzstühlen, andere verfolgen den Gottesdienst im Stehen. Worum es dabei genau geht, weiß aber kaum jemand. Auch diese junge Mutter nicht:
"Es ist schwer, denn die Hymnen sind nicht auf Neugriechisch. Es hängt aber auch viel vom jeweiligen Priester ab, wie er das Ganze vorliest. Wenn sie klar und deutlich sprechen und man etwas Altgriechisch kann, kann man schon etwas verstehen."
"Die Kirche müsste eine einfache Sprache benutzen"
Sie wäre aber nicht dafür, Gottesdienste auf Neugriechisch umzustellen. Vielmehr sollte sich der Staat darum kümmern, den griechischen Schülern besseres Altgriechisch beizubringen, sagt sie. Anders sieht es der 60-jährige Elektriker Tasos Savvoulidis.
"Die Kirche müsste eine einfache Sprache benutzen, so wie wir in unserem Alltag reden. Ich habe mal einen Gottesdienst besucht, hier in einer katholischen Kirche in Athen. Der war auf Neugriechisch. Was für ein Unterschied: Die Leute waren viel ruhiger, haben konzentrierter und mit großer Ergriffenheit die Messe verfolgt. In unserer Kirche sind die meisten unruhig und die Kinder können nicht still sitzen, sie verstehen ja nichts."
"Die Sprache ist in der Liturgie unserer Kirche heilig"
Und doch besteht die orthodoxe Kirche immer noch auf der altgriechischen Sprache, der "koini", wie sie in der Zeit der Aposteln gesprochen wurde. Das habe seinen Grund, sagt der Bischof von Chios, Markos, Mitglied des Heiligen Synod, der griechisch-orthodoxen Kirchenspitze:
"Die altgriechische Sprache war das beste Vehikel, um das Wort Gottes in die ganze Welt zu tragen. Und dadurch, dass die Kirche diese benutzt hat, hat diese Sprache eine Heiligkeit bekommen. So wie wir das Wasser nehmen, es heiligsprechen und wir daraus Weihwasser machen oder das Öl oder den Wein, der mithilfe des Heiligen Geistes zum Corpus Christi wird, so ist auch die Sprache in der Liturgie unserer Kirche heilig. Außerdem kann das Original nicht übersetzt werden - jedenfalls nicht ohne inhaltliche Verluste."
So sei das Filioque, der lateinische Zusatz zum christlichen Glaubensbekenntnis und einer der größten Streitpunkte zwischen den östlichen und der Katholischen Kirche, aus einer falschen Übersetzung des griechischen Verbes "ekporevomai" entstanden, sagt Bischof Markos. Während im Original der Heilige Geist nur vom Vater ausgehe, sagt die Katholische Kirche, er gehe "aus dem Vater und dem Sohn hervor".
"Es ist mucksmäuschenstill, weil alle zuhören wollen"
Trotz aller Einwände: Einige griechisch-orthodoxe Pfarrer versuchen dennoch, zumindest teilweise, die neugriechische Sprache zu benutzen. Alexandros Karyotoglou ist einer von ihnen.
In der Nikolauskirche, einer byzantinischen Kirche aus dem 11. Jahrhundert, am Fuße der Akropolis, spricht er ein Totengebet. So wie seine Kirche die verschiedenen Epochen der griechischen Geschichte verknüpft, so verknüpft Vater Alexandros während des Gottesdienstes auch die altgriechische mit der neugriechischen Sprache. Die Hymnen werden weiter im altgriechischen Original gesungen, Gebete spricht er auf Neugriechisch.
"Die Leute, vor allem die Jüngeren, verstehen den Gottesdienst auf Altgriechisch nicht. Und wir haben sehr viele junge Gemeindemitglieder. Wenn sie die Messe in neugriechischer Übersetzung hören, dann sind sie richtig ergriffen. Bei den Heiligen Sakramenten zum Beispiel ist es mucksmäuschenstill in unserer Kirche, weil alle Gäste zuhören wollen. Vorgestern kamen nach einer Taufe ein Dutzend Menschen zu mir und sagten mir, sie seien berührt - auch inhaltlich."
Alexandros Karyotoglou ist 70 Jahre alt und erst mit 66 zum Priester geworden. Bis dahin hatte er als Religionslehrer unterrichtet, rund zehn Jahre lang auch als Theologieprofessor an der Uni. Als er in Rente ging, fühlte er sich berufen, sich der Kirche als Priester zu widmen. Dabei ist ihm wichtig, dass die Leute im Gottesdienst etwas lernen. Und dass sie spirituelle Erfahrungen machen. Doch nicht jeder war dafür, als er damit anfing, Gottesdienste auf Neugriechisch zu feiern:
"Es gab Reaktionen eines pensionierten Priesters, der Mitglied unserer Gemeinde ist und vor dem ich großen Respekt habe und von einem konservativen Politiker, einem Rechtsanwalt, der mir sagte: 'Die Rechtswissenschaft und die Kirche müssen die altgriechische Sprache retten'. Ich antwortete ihm, dass die Kirche nicht dazu da ist, um Sprachen zu retten, sondern Seelen."
Eine Reform ist nicht abzusehen
Daraufhin wandte sich der Politiker mit einem Protestbrief an den Bischof von Athen. Vater Alexandros musste den Gebrauch des Neugriechischen einschränken und zumindest sonntags komplett aufs Neugriechisch verzichten. Dass er von seinen Vorgesetzten keine ernsteren Strafen auferlegt bekommen hat, erklärt er so:
"Wenn der Heilige Synod einen Pfarrer zum Beispiel suspendiert, darf er keine Heiligen Sakramente mehr spenden und ihm wird das Priestergehalt entzogen. Letzteres kann bei mir sowieso nicht passieren, denn ich werde ja als Pfarrer nicht bezahlt, ich mache es ehrenamtlich. Und mit den Sakramenten … nun ja, vielleicht sieht die Kirche ja, dass ich meine Rente genießen, reisen und mich ausruhen könnte. Stattdessen habe ich beschlossen, die Ärmel hochzukrempeln und Priester zu werden."
Wann sich das Griechisch der Neuzeit in der Griechisch-Orthodoxen Kirche durchsetzen wird? Vater Alexandros lacht.
"Wir werden es jedenfalls nicht mehr erleben", sagt er. "Das wird noch mindestens 50 Jahre dauern! Wenn überhaupt."