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Die perfekte Seite 1

Der "Rolling Stone" ist besonders für seine legendären Cover bekannt. Seit Gründung der Zeitschrift 1967 gingen unzählige Titel in die Pop-Geschichte ein. Popstars, die ein Interview gaben, gaben es früher dem Rolling Stone - und die Fotografen vom Shooting wurden mitunter selbst zum Star.

Von Marietta Schwarz |
    Mittwoch, 30. November 2011. In gut einem Monat ist Januar. Aber bis zum Redaktionsschluss für die Januarausgabe des Rolling Stone sind es nur noch sechs Tage. Januar 2012. "The Who" sollen aufs Cover, das ist schon lange klar. Aber welches Foto?

    "Es ist erstaunlicherweise schwieriger als gedacht, ein Hochformat zu finden, aber das wird in den nächsten Tagen entschieden."

    Die Stone-Redaktion diskutiert. Zumindest die, die für das Cover verantwortlich sind.

    The Who gehören zu jenen Rock’n Rollern, bei denen man sich gelegentlich fragt, wann sie eigentlich nicht mehr tauglich für ein Rolling-Stone-Cover sind. Die Antwort ist einfach: Erst wenn sie tot sind. Denn inzwischen besteht die Band so lange, dass allein der Blick auf ihre 50-jährige Geschichte sie zu Cover-Klassikern macht.
    Dass ihre Rockoper "Quadrophenia" jetzt wieder neu aufgelegt wird, ist für den Rolling Stone ein willkommener Anlass, die Jungs mal wieder zu bringen, so Chefredakteur Rainer Schmidt:

    "Musikinteressierte warten darauf, die wollen noch mal wissen, was ist damals passiert, wie sind The Who entstanden, wie hat sich die ganze Bandgeschichte entwickelt, und die hatten wir auch schon so lange nicht mehr im Heft."

    Es sind solche Titelgeschichten, die dem Rolling Stone gelegentlich den Vorwurf einbringen, es sei ein Magazin mit alten Männern für alte Männer. Und Falten gibt es nun mal viele auf dem Cover der deutschen Ausgaben: Tom Waits, Bob Dylan, Bono, Herbert Grönemeyer, Neil Young, John Lennon – die waren allesamt 2011 vorne drauf. Dazu Specials über Pink Floyd, Peter Gabriel, den Mauerbau oder 35 Jahre Punk. Rainer Schmidt will das Wort "alt" nicht so gerne benutzen, kommt aber nicht drumherum.

    "Wenn man die Cover betrachtet, stellt man fest: Es sind Künstler, die konsensfähig sind. Wenn man eine sichere Coverpolitik fahren will, liegt man tendenziell bei älteren Musikern im sichereren Bereich, weil sich die Leute darauf einigen können."

    Letztendlich spiegelt sich eben auch die Entwicklung des Musikmarktes in einem Rolling-Stone-Titel wider: die Zersplitterung in immer mehr musikalische Subgenres, der Hype um bestimmte mehrheitsfähige Stars. Und natürlich: das Internet. Denn Digital Natives informieren sich im Netz. Der Rolling Stone hat inzwischen auch eine App fürs Smartphone. Abo-Zahlen werden aber erst mal nicht publik gemacht.

    In den 70er-Jahren, als Fotografen wie Annie Leibovitz noch mit den Stones auf Tour ging, wollte der Rolling Stone die Rolling Stones auf seinem Titel, und die Stones wollten das auch. Alles scheint ein großer Spaß gewesen zu sein, ein wildes, drogenreiches Leben, an dem Band, Journalisten und Fotografen gleichermaßen teilhatten. Bands wie Stones oder die Beatles fand jeder aufregend, Konkurrenzmagazine gab es kaum, und auch keine gut ausgebaute PR-Maschinerie, die sich zwischen Journalisten und Stars stellt. Am Ende kam Leibovitz mit tollen Fotos zurück und von der Tour wusste man auch im Text einiges zu berichten. Ein guter Titel und eine gute Story waren geboren. Und heute?

    "Ne gute Story ist ne Story, in der wir exklusive Inhalte, möglicherweise ein exklusives Interview haben, exklusiven Zugang, das heißt wir konnten einen Star zuhause besuchen."

    Heute wohl eher die Ausnahme. An die großen Stars ist kaum noch ein Herankommen. Oft gibt es keine exklusiven Fotos, oft nur eine halbe Stunde Interviewtermin. Dann wird es eng für eine Covergeschichte.

    "... dieser Betrieb hat sich professionalisiert, es ist eine unglaubliche Vorsicht eingetreten, so viele Medien wollen darüber berichten, das sind keine idealen Bedingungen, um eine Geschichte zu schreiben, wie man sie sich eigentlich vorstellen würde."

    Gefragt nach prägenden Covergeschichten des deutschen Rolling Stone fallen Rainer Schmidt die exotischeren Lösungen ein: Der Maler und Musikliebhaber Neo Rauch, der zu seinem 50. Geburtstag das Stone-Cover selbst gestaltete. Oder Klaus Voorman, der für die Oktoberausgabe Noel Gallagher gezeichnet hat.
    Die amerikanischen Kollegen vom Rolling Stone bringen auch gesellschaftliche und politische Themen im Heft. Irak-Krieg, Afghanistan-Einsatz. Bill Clinton und Barack Obama natürlich mit exklusiven Fotos auf dem Titel. Mehr Berichterstattung in dem Bereich kann sich die deutsche Stone-Redaktion künftig auch vorstellen. Aber ein deutscher Politiker auf dem Cover?

    "Das ist echt ne super Frage! Im Moment würde es mir sehr schwer fallen, da eine eindeutige Antwort zu geben. Zu früheren Zeiten sicher Joschka Fischer ... Schwer zu sagen, welche Figur man draufmachen könnte, ohne zu riskieren, dass sie am Kiosk wie Blei liegt ..."