Monika Seynsche: Es ist der größte und teuerste Teilchenbeschleuniger aller Zeiten, der Large Hadron Collider oder kurz LCH am CERN in Genf. Seine Aufgabe ist es, Teilchen mit bislang unerreichter Wucht aufeinander zu feuern. Das machen die Forscher, um herauszufinden, wie die Urbausteine der Materie beschaffen sind. Ende März hat der LHC seine Arbeit aufgenommen und heute um Punkt 18 Uhr wird er abgeschaltet und geht erstmal in die Weihnachtspause. Frank Grotelüschen beobachtet seit Jahren diese Arbeiten in Genf. Herr Grotelüschen, der LHC war ja 2008 ziemlich holprig gestartet - kurz nach dem Einschalten regelrecht explodiert. Läuft die Maschine denn jetzt nach den Reparaturen so wie geplant?
Frank Grotelüschen: Das kann man wohl sagen. Seit März läuft die Maschine besser als erwartet, und zwar doppelt so gut wie erwartet. Der LCH beschleunigt ja die meiste Zeit Protonen, also Wasserstoffkerne, fast auf Lichtgeschwindigkeit, um sie dann aufeinander zu schießen. Und dabei können dann neue Teilchen entstehen, die verraten, aus welchen Urbausteinen die Welt besteht. Ja und je mehr Protonen man in den LHC, in diesen 27 Kilometer großen Ring füllen kann, umso mehr Kollisionen kann es geben und umso größer ist die Chance, neue Teilchen aufzuspüren. Und jetzt, Ende des Jahres, konnten die Forscher doppelt so viele Teilchen in den Ring füllen, als sie im März noch gedacht hatten. Damals nämlich hatten sie den LCH extrem sachte angefahren, mit sehr wenigen Protonen drin. Also damit sich so ein Unfall wie 2008 bloß nicht wiederholt. Doch dann haben sie gesehen, läuft ja ganz gut, und wurden sozusagen immer frecher. Und zum Schluss kreisten eben doppelt so viele Teilchen im Ring wie geplant. Wobei, muss man sagen, die Maschine noch längst nicht am Limit ist. Man ist im Moment erst bei zwei Prozent der endgültig vorgesehen Teilchenzahl. Aber die Physiker sind erstmal happy.
Seynsche: Die Forscher haben ja jetzt erstmal acht Monate lang gemessen. Gibt es denn schon Ergebnisse?
Grotelüschen: Da muss man zwischen zwei Sorten von Experimenten unterscheiden: zum einen die Protonkollisionen, die ich ja gerade schon erwähnte, aber manchmal lassen die Physiker auch schwere Bleikerne aufeinander donnern. Aber zunächst zu den Ergebnissen bei den Protonkollisionen. Da ist ja die Hoffnung, neue Teilchen aufzustöbern, wie zum Beispiel das Higgs. Das soll erklären, woher eigentlich die Masse kommt. Oder die sogenannten SUSY-Teilchen, die könnten hinter der ominösen dunklen Materie im Weltall stecken. Nun, weder für SUSY noch für Higgs gibt es da bislang irgendwelche Anzeichen. Aber das sei auch gar kein Wunder, sagen die Physiker. Denn bislang hat der LCH einfach noch zu wenig Daten gesammelt. Dafür aber konnte man die bereits bekannten Teilchen allesamt wiederentdecken und das bedeutet, der LHC funktioniert und dürfte gerüstet sein für künftige Entdeckungen.
Seynsche: Sie haben gerade erwähnt, dass da Kerne von Bleiatomen aufeinander geschossen werden. Warum?
Grotelüschen: Also da geht es nicht darum, neue Teilchen zu suchen, sondern eine Art kosmische Ursuppe zu kochen, im Fachjargon Quark-Gluon-Plasma genannt. Das ist ein Materiezustand, in dem sich der Kosmos unmittelbar nach dem Urknall befunden haben soll, also eine unvorstellbar heiße Suppe aus Quarks und aus Gluonen - das sind Klebeteilchen, die die Quarks zusammenhalten. Und im November jetzt und im Dezember laufen im LHC diese Bleikernversuche, und die Physiker sind doch sehr begeistert über das, was bislang rausgekommen ist. Und zwar haben sie es nicht nur geschafft, diese Ursuppe zu kochen, sie haben auch gezeigt, dass diese Ursuppe viel, viel heißer und dichter ist, als es die gängigen Theorien vorausgesagt hatten. Und jetzt sind die Theoretiker gefragt, das zu erklären und zu untersuchen, welche Auswirkungen das auf die Entwicklung des Weltalls gehabt haben könnte.
Seynsche: Kann man da denn schon spekulieren, was es heißen könnte?
Grotelüschen: Ja, dieses Quark-Gluon-Plasma soll eine extrem kurze Phase in der frühen Kindheit des Universums gewesen sein. Und es könnte zum Beispiel sein, dass schon in dieser Ursuppe die Kondensationskeime gesteckt hatten, aus denen sich dann später die Galaxien gebildet hatten. Denn das ist nach wie vor ein Rätsel. Warum besteht der Kosmos überhaupt aus Galaxien, anstatt dass die Materie mehr oder weniger gleichmäßig im Weltraum verteilt ist. Also hier könnten die Experimente in Genf womöglich erst erste Hinweise geben.
Seynsche: Wie geht es denn dann weiter nach der Weihnachtspause? Was passiert dann am LCH?
Grotelüschen: Anfang Februar wird der LHC wieder gestartet. Dann werden die Physiker die Leistung weiter hochschrauben und immer mehr Teilchen in den Ring füllen. Und die Hoffnung ist, im nächsten Jahr wenigsten mal ein Anzeichen für so ein Higgs-Teilchen zu finden. Das Higgs ist ja so etwas wie der heilige Gral der Teilchenphysik. Und sein Entdeckung wäre sicher einen Nobelpreis wert. Das Ganze könnte übrigens sogar auf einen Wettlauf hinauslaufen mit einem US-Beschleuniger namens Tevatron. Der ist nämlich auch hinter dem Higgs-Teilchen her. Eigentlich sollte das Tevatron Ende 2011 abgeschaltet werden, aber nun erwägen die Amerikaner, seine Laufzeit um drei Jahre zu verlängern und deswegen denkt jetzt auch das CERN daran, aufs Gaspedal zu drücken. Denn eigentlich wollte man den LHC das gesamte Jahr 2012 abschalten, um ihn auf eine höhere Leistung umzurüsten. Aber nun wird in Genf diskutiert, ob man diese Umbaupause nicht verschiebt und den LCH erstmal bis 2013 durchlaufen, um sich vom Tevatron ja nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen.
Seynsche: Vielen Dank, Frank Grotelüschen
Frank Grotelüschen: Das kann man wohl sagen. Seit März läuft die Maschine besser als erwartet, und zwar doppelt so gut wie erwartet. Der LCH beschleunigt ja die meiste Zeit Protonen, also Wasserstoffkerne, fast auf Lichtgeschwindigkeit, um sie dann aufeinander zu schießen. Und dabei können dann neue Teilchen entstehen, die verraten, aus welchen Urbausteinen die Welt besteht. Ja und je mehr Protonen man in den LHC, in diesen 27 Kilometer großen Ring füllen kann, umso mehr Kollisionen kann es geben und umso größer ist die Chance, neue Teilchen aufzuspüren. Und jetzt, Ende des Jahres, konnten die Forscher doppelt so viele Teilchen in den Ring füllen, als sie im März noch gedacht hatten. Damals nämlich hatten sie den LCH extrem sachte angefahren, mit sehr wenigen Protonen drin. Also damit sich so ein Unfall wie 2008 bloß nicht wiederholt. Doch dann haben sie gesehen, läuft ja ganz gut, und wurden sozusagen immer frecher. Und zum Schluss kreisten eben doppelt so viele Teilchen im Ring wie geplant. Wobei, muss man sagen, die Maschine noch längst nicht am Limit ist. Man ist im Moment erst bei zwei Prozent der endgültig vorgesehen Teilchenzahl. Aber die Physiker sind erstmal happy.
Seynsche: Die Forscher haben ja jetzt erstmal acht Monate lang gemessen. Gibt es denn schon Ergebnisse?
Grotelüschen: Da muss man zwischen zwei Sorten von Experimenten unterscheiden: zum einen die Protonkollisionen, die ich ja gerade schon erwähnte, aber manchmal lassen die Physiker auch schwere Bleikerne aufeinander donnern. Aber zunächst zu den Ergebnissen bei den Protonkollisionen. Da ist ja die Hoffnung, neue Teilchen aufzustöbern, wie zum Beispiel das Higgs. Das soll erklären, woher eigentlich die Masse kommt. Oder die sogenannten SUSY-Teilchen, die könnten hinter der ominösen dunklen Materie im Weltall stecken. Nun, weder für SUSY noch für Higgs gibt es da bislang irgendwelche Anzeichen. Aber das sei auch gar kein Wunder, sagen die Physiker. Denn bislang hat der LCH einfach noch zu wenig Daten gesammelt. Dafür aber konnte man die bereits bekannten Teilchen allesamt wiederentdecken und das bedeutet, der LHC funktioniert und dürfte gerüstet sein für künftige Entdeckungen.
Seynsche: Sie haben gerade erwähnt, dass da Kerne von Bleiatomen aufeinander geschossen werden. Warum?
Grotelüschen: Also da geht es nicht darum, neue Teilchen zu suchen, sondern eine Art kosmische Ursuppe zu kochen, im Fachjargon Quark-Gluon-Plasma genannt. Das ist ein Materiezustand, in dem sich der Kosmos unmittelbar nach dem Urknall befunden haben soll, also eine unvorstellbar heiße Suppe aus Quarks und aus Gluonen - das sind Klebeteilchen, die die Quarks zusammenhalten. Und im November jetzt und im Dezember laufen im LHC diese Bleikernversuche, und die Physiker sind doch sehr begeistert über das, was bislang rausgekommen ist. Und zwar haben sie es nicht nur geschafft, diese Ursuppe zu kochen, sie haben auch gezeigt, dass diese Ursuppe viel, viel heißer und dichter ist, als es die gängigen Theorien vorausgesagt hatten. Und jetzt sind die Theoretiker gefragt, das zu erklären und zu untersuchen, welche Auswirkungen das auf die Entwicklung des Weltalls gehabt haben könnte.
Seynsche: Kann man da denn schon spekulieren, was es heißen könnte?
Grotelüschen: Ja, dieses Quark-Gluon-Plasma soll eine extrem kurze Phase in der frühen Kindheit des Universums gewesen sein. Und es könnte zum Beispiel sein, dass schon in dieser Ursuppe die Kondensationskeime gesteckt hatten, aus denen sich dann später die Galaxien gebildet hatten. Denn das ist nach wie vor ein Rätsel. Warum besteht der Kosmos überhaupt aus Galaxien, anstatt dass die Materie mehr oder weniger gleichmäßig im Weltraum verteilt ist. Also hier könnten die Experimente in Genf womöglich erst erste Hinweise geben.
Seynsche: Wie geht es denn dann weiter nach der Weihnachtspause? Was passiert dann am LCH?
Grotelüschen: Anfang Februar wird der LHC wieder gestartet. Dann werden die Physiker die Leistung weiter hochschrauben und immer mehr Teilchen in den Ring füllen. Und die Hoffnung ist, im nächsten Jahr wenigsten mal ein Anzeichen für so ein Higgs-Teilchen zu finden. Das Higgs ist ja so etwas wie der heilige Gral der Teilchenphysik. Und sein Entdeckung wäre sicher einen Nobelpreis wert. Das Ganze könnte übrigens sogar auf einen Wettlauf hinauslaufen mit einem US-Beschleuniger namens Tevatron. Der ist nämlich auch hinter dem Higgs-Teilchen her. Eigentlich sollte das Tevatron Ende 2011 abgeschaltet werden, aber nun erwägen die Amerikaner, seine Laufzeit um drei Jahre zu verlängern und deswegen denkt jetzt auch das CERN daran, aufs Gaspedal zu drücken. Denn eigentlich wollte man den LHC das gesamte Jahr 2012 abschalten, um ihn auf eine höhere Leistung umzurüsten. Aber nun wird in Genf diskutiert, ob man diese Umbaupause nicht verschiebt und den LCH erstmal bis 2013 durchlaufen, um sich vom Tevatron ja nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen.
Seynsche: Vielen Dank, Frank Grotelüschen