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Die "Pille danach" und die katholische Moral

Seit bekannt wurde, dass eine junge Frau, die mutmaßlich vergewaltigt wurde, in zwei katholischen Kölner Kliniken abgewiesen wurde, reißt die Welle der Empörung nicht ab. Im Hintergrund steht dabei auch die Diskussion um die Wirkungsweise der "Pille danach".

Von Monika Konigorski |
    Der jungen Frau hätte in den Kölner Kliniken umfassend geholfen werden müssen. Diese Ansicht hat der Kölner Kardinal Joachim Meisner in einer persönlichen Erklärung vergangene Woche bekräftigt. Allerdings: Ausgeschlossen seien ...

    " ... alle Maßnahmen, welche die Tötung eines möglicherweise schon gezeugten Kindes bedeuten."

    Würde die Einnahme der "Pille danach" aber überhaupt zur Tötung eines bereits gezeugten Kindes führen? Nein, sagt die Beratungsstelle "pro familia". In einer Stellungnahme heißt es:

    "Die 'Pille danach' ist keine Abtreibungspille. Bei bestehenden Schwangerschaften wirkt sie nicht. Die katholische Kirche ignoriert seit Langem bekannte medizinische Fakten, wenn sie das Gegenteil behauptet."

    Dieser Position kann der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff nur bedingt folgen. Denn sie geht von anderen Voraussetzungen aus, ab welchem Zeitpunkt eine Schwangerschaft besteht und dem zufolge von einer Abtreibung die Rede sein muss. Für die katholische Kirche gelte:

    "Von der Vereinigung von Ei und Samenzelle ab haben wir es mit einem neuen Menschenleben zu tun, das einen eigenen Anspruch auf Lebensrecht hat, deshalb ist die Position der katholischen Kirche eindeutig."

    Nur vereinzelt, so Schockenhoff, werde in der wissenschaftlichen Moraltheologie die Position vertreten, dass der vollständige Lebensschutz erst zu einem späteren Zeitpunkt, beispielsweise ab der Nidation einsetzt.

    Doch selbst wer der befruchteten Eizelle schon vor der Nidation umfassenden Lebensschutz zuspreche, komme durch die "Pille danach" in keine Konfliktsituation. So sieht es Christine Gathmann, Ärztin bei "pro Familia". Denn die heute gebräuchlichen "Pillen danach" hätten keine nidationsverhindernde Wirkung.

    "Das, was wir heute haben, sind zwei Methoden, eine rein auf Levonogestril-Wirkung und da ist es wirklich tatsächlich eindeutig nachgewiesen, dass es keine nidationsverhindernde Wirkung hat, sondern ausschließlich den Eisprung beeinflusst. Wir haben noch ein zweites Präparat, mit einem Bestandteil, der ein bisschen neuer ist und da ist es abhängig vor allen Dingen von der Dosis."

    Dem widerspricht der Leiter der Gynäkologie an der Uniklinik in Köln, Professor Peter Mallmann:

    "Je nachdem zu welchem Zeitpunkt im Zyklus das Präparat gegeben wird, verhindert es den Eisprung, aber wenn ein Eisprung bereits stattgefunden hat oder auch sogar eine Befruchtung stattgefunden hat, wird mit diesen Präparaten die Einnistung der befruchteten Eizelle, also eines frühen Embryos, in der Schleimhaut verhindert."

    Klaus Czort, Geschäftsführer der Firma HRA-Pharma in Bochum, die zwei "Pillen danach" vertreibt, erklärt schriftlich: Es gebe keine Unsicherheiten in der Frage, ob die Medikamente nidationshemmende Wirkung hätten.

    "Ganz klar: Nein. Beide Präparate wirken ausschließlich über die Verschiebung bzw. Verhinderung des Eisprungs. Die Medikamente haben zwar geringfügige Auswirkungen auf die Gebärmutterschleimhaut, die aber keine Bedeutung haben im Kontext der Schwangerschaftsverhinderung. Es gibt Schwangerschaften unter beiden Notfallkontrazeptiva, die gäbe es nicht, wenn es eine nidationshemmende Auswirkung hätte. Dazu gibt es eine Vielzahl von Veröffentlichungen, die den Fachmedizinern in den Fachzeitschriften und auf Kongressen zugänglich sind."

    Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist vorsichtiger:

    "Beide Wirkstoffe unterdrücken oder verzögern den Eisprung. Ob die Wirkstoffe auch den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut beeinflussen und damit die Einnistung einer befruchteten Eizelle verhindern, ist nicht erwiesen. Hat sich die Eizelle bereits in die Gebärmutter eingenistet, wirkt die 'Pille danach' nicht mehr. Wenn die Frau bereits schwanger ist, führt die Pille danach daher nicht zum Abbruch der Schwangerschaft."

    Moraltheologe Schockenhoff geht von unterschiedlichen Präparaten mit unterschiedlichen Wirkungsweisen aus.

    "Es gibt solche Präparate – die auch bei uns in Deutschland in Gebrauch sind, die keinen Schwangerschaftsabbruch auslösen, sondern die die Empfängnis, den Eisprung entweder ganz verhindern oder verschieben zeitlich und die deshalb eine Empfängnis verhindern. Und das ist moralisch anders zu bewerten. Im Blick auf eine Vergewaltigung gehört diese 'Pille danach', die nicht abortiv wirkt, eindeutig zur Notfallversorgung hinzu, und das müsste auch in einem katholischen Krankenhaus möglich sein."

    Eine Pille, die auch nidationshemmende Wirkung hat, hält Schockenhoff dagegen auch bei einem Vergewaltigungsopfer nach katholischem Verständnis für nicht verschreibbar.

    "Das ist dann eine Frage, die schwieriger ist, weil aufseiten des Kindes ist ja das ein Unrecht, was ihm zugefügt wird. Man kann das eine Unrecht, das der Frau zugefügt wird durch die Vergewaltigung, nicht dadurch ausgleichen, dass man ein anderes Unrecht hinzufügt. Deshalb lässt sich ein Schwangerschaftsabbruch nicht einfach ethisch rechtfertigen als etwas, was eine selbstverständliche Reaktion sein müsste."

    Allerdings sieht Schockenhoff die schwierige Entscheidungssituation durchaus. Der Vorschlag des Theologen zur einwandfreien Lösung erscheint dem Vergewaltigungsopfer gegenüber allerdings wie eine Zumutung:

    "Eine moralisch einwandfreie Lösung in diesem tödlichen, oder möglicherweise tödlichen Konflikt, wo durch eine ganz fatale Situation, zwei unschuldige Leben gegeneinanderstehen, gäbe es nur, wenn die Frau von sich aus in der Lage wäre zu erklären, dass sie dem Akt der Gewalt – dessen Opfer sie wurde – einen Akt hochherziger Liebe entgegenstellt und das Kind annimmt."

    Das aber könne nicht zwingend von der Frau gefordert werden im Rahmen von Pflicht, Recht und Moral.

    "Wenn sie dazu nicht in der Lage ist, dann hat sie eine Art Notwehrrecht. In einer Analogie könnte man das sagen, dass sie eine Schwangerschaft, die ihr aufgenötigt wurde, nicht zu Ende führen muss. Dann ist zwar die Abtreibung nicht gerechtfertigt, aber die Frau handelt entschuldigt, und das ist gewissermaßen eine zweite Schuld, die auf den Täter, den Vergewaltiger, zurückfällt."

    Die "Pille danach" ist für Eberhard Schockenhoff aber dennoch kein geeignetes Mittel in dieser Konfliktsituation:

    "Da braucht man Zeit zu, um ein Urteil fällen zu können, das diese Eigenperspektive des Kindes wenigstens angemessen berücksichtigt. Das kann man nicht innerhalb einer Notfallversorgung klären. Und deshalb noch einmal: Das Präparat, das möglicherweise einen Eisprung verhindert, das gehört zur Notfallversorgung. Das andere, das darüber hinausgehend eine längere Wirkungsdauer hat, und möglicherweise auch nidationsverhindernd wirkt oder gar eine bereits begonnene Schwangerschaft beendet, ist nicht mehr Gegenstand der Notfallversorgung."

    Das freilich hätte zur Konsequenz, dass Frauen im Falle einer tatsächlichen Schwangerschaft und der Entscheidung gegen das Kind eine reguläre Abtreibung durchführen müssten.

    In der Vergangenheit, als klar mit einer nidationsverhindernden Wirkung der "Pille danach" gerechnet wurde, haben das Kollegen von Eberhard Schockenhoff auch anders beurteilt. Der mittlerweile emeritierte Tübinger katholische Theologe Dietmar Mieth sprach etwa im Falle von Vergewaltigungen vom Vorrang des Helfens vor dem Verbieten. Die mögliche Wirkung einer Frühabtreibung könnte in Kauf genommen werden, wenn die Hauptabsicht einer Medikamentation darin bestände, einer vergewaltigten Frau psychische Entlastung zu verschaffen.

    Eberhard Schockenhoff empfiehlt katholischen Kliniken, die Entscheidung, einem Vergewaltigungsopfer auch eine Pille mit nidationshemmender Wirkung zu verschreiben, dem Gewissen des behandelnden Arztes zu überlassen.

    Solange sich Ärzte auch in katholischen Kliniken nach ihrem Gewissen entscheiden können, ohne dadurch Repressalien ausgesetzt zu sein, besteht diese Freiheit. Wie dies in einem Erzbistum aussieht, dessen Bischof aus eben jener Konfliktsituation der vergewaltigten Frau nur einen möglichen Ausweg sieht, und zudem Denunzianten Beachtung schenkt, bleibt fraglich.


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