"Die Pille danach, das Notfallverhütungsmittel, wird von Mitte dieses Monats rezeptfrei in den Apotheken zu bekommen sein."
Diese Nachricht kam im März 2015. Eine vernünftige und längst überfällige Entscheidung, meint Frauenärztin Dr. Jutta Pliefke von pro familia. Denn "Verhütungspannen" können immer mal vorkommen: Kondom verrutscht, Pille vergessen oder im Eifer des Gefechts den Kopf verloren – und damit nicht genug.
Wann haben die Leute Sex? Das ist dann in der Regel in den Ferien oder nachts oder am Wochenende, das heißt, das sind dann Situationen, wo eben der schnelle Zugang zum niedergelassenen Frauenarzt auch gar nicht so einfach möglich ist.
Aber schnell sollte es gehen, denn am zuverlässigsten wirkt die "Pille danach" innerhalb der ersten 24 Stunden. Sie wird unter verschiedenen Namen verkauft: "PiDaNa", "Unofem" oder "ellaOne", doch es sind nur zwei Wirkstoffe, "Levonorgestrel" und "Ulipristalacetat", und ein Wirkprinzip:
"Was die beiden Wirkstoffe machen, so ein bisschen verschieden, aber letztendlich mit dem gleichen Mechanismus, ist, dass der Eisprung, so dieser noch nicht stattgefunden hat, nach hinten verschoben oder sogar gehemmt wird. Und die beiden Wirkstoffe haben eine unterschiedliche Wirksamkeitsdauer: Das Levonorgestrel geht bis zu drei Tagen und das Ulipristalacetat bis zu fünf Tagen nach dem ungeschützten Verkehr."
Jahrelanger Streit um die Rezeptfreiheit der Pille danach
"Das kann ein Vorteil sein, denn Spermien überleben im Körper drei bis fünf Tage. Allerdings ist die "ellaOne", die den Wirkstoff "Ulipristal" enthält, mit fast 40 Euro auch doppelt so teuer wie zum Beispiel die "PiDaNa"".
Um Zuverlässigkeit und mögliche Nebenwirkungen ging es auch in dem jahrelangen Streit um die Rezeptfreiheit der Pille danach. In der Bundestagsanhörung im Juli 2014 sagte dazu die Frauenärztin und Hormonexpertin Dr. Julia Bartley:
"Levonorgestrel ist ein seit über 30 Jahren in Verwendung befindliches hormonelles Kontrazeptivum, es ist lange erprobt, wir wissen um seine Sicherheit, wir wissen insbesondere, dass es keinen Anhalt für eine teratogene Wirkung gibt, und wir wissen auch mit Sicherheit, dass es keine abortive Wirkung hat."
"Das heißt, die Pille danach schädigt nicht den Embryo, falls doch schon eine Befruchtung stattgefunden hat. Und sie ist auch keine "Abtreibungspille", wie im Eifer der Diskussion immer noch manchmal behauptet wird." Dr. Jutta Pliefke von pro familia:
Bestehende Schwangerschaft kann nicht mehr unterbrochen werden
"Was die Pille danach erreichen will, ist, dass gar keine Schwangerschaft entsteht, indem der Eisprung verschoben oder unterdrückt wird. Man kann mit diesen beiden Pillen, die als Pille danach zugelassen sind, tatsächlich eine bestehende Schwangerschaft in der Dosierung, in der man diese Pille danach verordnet, nicht mehr unterbrechen."
Beide Präparate "zur Nachverhütung" sind auch keine "Hormonbomben", fügt die Frauenärztin hinzu.
"Das hör ich auch öfter Mal: ‚Oh, das ist so eine hohe Hormondosis und da tu ich mir nix Gutes damit. Es gibt bei dem Levonorgestrel, das man ja schon sehr, sehr lange kennt, wirklich keine bekannten schwerwiegenden Nebenwirkungen, da kann man die Frauen sehr beruhigen, zumal das eben wirklich eine einmalige Einnahme ist. Bei dem Ulipristalacetat ist das vergleichbar, da hat man aber einfach noch nicht ganz so viele Erfahrungen und kann das noch nicht ganz so lange überblicken."
Nicht mit der "Pille danach" stillen
Vorsichtig allerdings müssen Frauen mit Säuglingen sein. Sie können zwar auch die Pille danach nehmen, wenn ihnen eine Verhütungspanne passiert ist, dürfen dann jedoch eine Zeit lang nicht stillen oder müssen sogar ganz aufhören. Aber, so Jutta Pliefke, auch hier gibt es einen Ausweg:
"Es gibt auch die Möglichkeit der sogenannten Spirale danach, das heißt, die Spirale wird dann eingelegt nach dem ungeschützten Verkehr, und diese Spirale danach hat keine hormonelle Aktivität, das wäre mit dem Stillen überhaupt kein Problem, und die Spirale danach ist tatsächlich das Sicherste aller Möglichkeiten."
In vielen europäischen Ländern ist es schon seit Jahren selbstverständlich, dass Frauen sich die Pille danach jederzeit in der Apotheke kaufen können. In Deutschland blieben die Meinungen geteilt, als im März 2015 die Rezeptpflicht aufgehoben wurde:
"Na, dass die Frauen nicht genötigt werden, in die Klinik zu gehen, sondern in die Apotheke, ist ein klarer Vorteil. Dann denken sich alle Frauen, ja gut, ist ja nicht so schlimm, dann gehe ich jetzt zur Apotheke und hol’ mir die dann einfach Ich find des nit okay, weil's da die Jugendlichen viel zu leicht gemacht wird.
Die Gynäkologin Dr. Jutta Pliefke von pro familia kann das nicht bestätigen. "Viele Studien haben gezeigt, dass beispielsweise weder die Zahl der sexuell übertragbaren Erkrankungen angestiegen ist, noch werden weniger reguläre Verhütungsmittel verkauft."
Verantwortungsbewußter Umgang
"Unsere Erfahrung ist, dass die Frauen sehr verantwortungsbewusst mit der Pille danach umgehen, die Pille danach ist auch viel zu teuer, um die mal so eben zur regulären Verhütung einzusetzen, und auch letztendlich nicht sicher genug, und das ist den Frauen auch sehr gut bekannt, es gibt auch Untersuchungen aus anderen Ländern, wo man sieht, die Frauen benutzen die Pille danach auch wirklich nur in diesen Notfallsituationen."
Deshalb stört die Freigabe der "Pille danach" auch nicht das Vertrauensverhältnis zwischen einer Frau und ihrer Ärztin oder ihrem Arzt, wie der Berufsverband der Frauenärzte beklagt hat. Im Gegenteil:
"Es sagt niemand, dass die Frauen nicht natürlich zu ihrem Frauenarzt gehen sollen und sich beraten lassen und mit dem Frauenarzt ihres Vertrauens natürlich auch bitte über Verhütung ausführlich sprechen sollen, und zu jeder Verhütungsberatung gehört auch eine Beratung zur Pille danach, im Prinzip für alle Menschen und ganz besonders auch für Menschen, die zum Beispiel mit Kondom verhüten."
Junge Menschen nicht allein lassen in schwieriger Situation
Und dass vor allem junge Menschen nicht allein gelassen werden sollen in einer schwierigen Situation, das sieht die Pro Familia-Beraterin Dr. Jutta Pliefke auch so. Aber dafür sind bei der Pille danach die Voraussetzungen gerade in unserem Gesundheitssystem recht gut:
"Bei den jungen Frauen ist es so, dass bis zum 20. Geburtstag die Pille danach auch als Kassenleistung zur Verfügung steht, und dafür müssen sie sowieso zum Frauenarzt gehen, um sich das Rezept zu holen, aber auch für junge Mädchen gilt, je schneller desto besser, und es geht tatsächlich in der Situation drum, einfach möglichst unkompliziert zu verhindern, dass sich ein Mädchen oder ein junges Paar in der Situation findet, ungewollt schwanger zu sein und dann überlegen zu müssen, wie das weitergehen kann."