Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss staatsfern organisiert sein – so will es das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Doch wie staatsfern ist das Zweite Deutsche Fernsehen organisiert?
Schneider: "Sehen Sie, woanders ist das immer so getrennt. Hier die Politiker, da die Journalisten. Hier im ZDF sehen wir uns als ein Team, eine Familie."
Welke: "Absolut. Ich mein, die Politiker, die müssen nicht erst umständlich anrufen, um sich zu beschweren, die sitzen ganz oft bei uns im Haus."
So karikierten die Kabarettisten Oliver Welke und Christine Prayon alias Birte Schneider in der Heute Show des ZDF den Ruf des eigenen Senders als einer Anstalt, in deren innere Angelegenheiten sich die Politik gerne einmischt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss staatsfern organisiert sein – so will es das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Doch wie staatsfern ist das Zweite Deutsche Fernsehen organisiert? Immerhin sitzen allein im Verwaltungsrat des Senders fünf amtierende oder ehemalige Ministerpräsidenten.
Mit dieser Frage wird sich das Bundesverfassungsgericht befassen müssen. Anlass sind zwei identische Anträge der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hamburg, die am Dienstag in Karlsruhe zur mündlichen Verhandlung anstehen. Das Urteil wird, so ist sich der Staats- und Medienrechtler Hubertus Gersdorf von der Universität Rostock sicher, weitreichende Auswirkungen haben - nicht nur für das ZDF, denn auch in den Sendern der ARD und des Deutschlandradios nehmen unter anderem Politiker die Aufsicht wahr.
"Das Bundesverfassungsgericht muss grundsätzlich zur Frage Stellung nehmen, ob Staatsvertreter in den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überhaupt sitzen dürfen. Bislang geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass Politiker, auch eben Staatsvertreter, in den Gremien sitzen dürfen, zieht aber die Grenze zur Unzulässigkeit zur Verfassung wirklich dann, wenn dieser Einfluss beherrschend ist und jetzt geht es konkret beim ZDF darum, ob diese beherrschende Einflussnahme konkret nachweisbar ist."
Schneider: "Sehen Sie, woanders ist das immer so getrennt. Hier die Politiker, da die Journalisten. Hier im ZDF sehen wir uns als ein Team, eine Familie."
Welke: "Absolut. Ich mein, die Politiker, die müssen nicht erst umständlich anrufen, um sich zu beschweren, die sitzen ganz oft bei uns im Haus."
So karikierten die Kabarettisten Oliver Welke und Christine Prayon alias Birte Schneider in der Heute Show des ZDF den Ruf des eigenen Senders als einer Anstalt, in deren innere Angelegenheiten sich die Politik gerne einmischt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss staatsfern organisiert sein – so will es das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Doch wie staatsfern ist das Zweite Deutsche Fernsehen organisiert? Immerhin sitzen allein im Verwaltungsrat des Senders fünf amtierende oder ehemalige Ministerpräsidenten.
Mit dieser Frage wird sich das Bundesverfassungsgericht befassen müssen. Anlass sind zwei identische Anträge der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hamburg, die am Dienstag in Karlsruhe zur mündlichen Verhandlung anstehen. Das Urteil wird, so ist sich der Staats- und Medienrechtler Hubertus Gersdorf von der Universität Rostock sicher, weitreichende Auswirkungen haben - nicht nur für das ZDF, denn auch in den Sendern der ARD und des Deutschlandradios nehmen unter anderem Politiker die Aufsicht wahr.
"Das Bundesverfassungsgericht muss grundsätzlich zur Frage Stellung nehmen, ob Staatsvertreter in den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überhaupt sitzen dürfen. Bislang geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass Politiker, auch eben Staatsvertreter, in den Gremien sitzen dürfen, zieht aber die Grenze zur Unzulässigkeit zur Verfassung wirklich dann, wenn dieser Einfluss beherrschend ist und jetzt geht es konkret beim ZDF darum, ob diese beherrschende Einflussnahme konkret nachweisbar ist."
Die Causa Brender
Eine Personalentscheidung war der Auslöser dafür, dass die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien des Senders ausgerechnet im 50. Jahr seines Bestehens geprüft wird. 2009 nutzte der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch, Mitglied der CDU, seinen Einfluss im ZDF-Verwaltungsrat, um zu verhindern, dass der Vertrag von Chefredakteur Nikolaus Brender verlängert werden konnte – obwohl Intendant Markus Schächter dies beantragt hatte.
Der parteilose Nikolaus Brender galt als unabhängiger Kopf, der auch seinen Redakteuren diese Unabhängigkeit nahezubringen versuchte:
"Ich darf Sie sehr bitten, keine Sympathien für die eine oder die andere Partei zu zeigen und vor allem auch als Journalist kritisch zu bleiben."
In Medienkreisen geradezu legendär wurde Brenders Scharmützel mit SPD-Kanzler Gerhard Schröder in der Elefantenrunde von 2005:
"Also ich sage nochmal, Herr Bundeskanzler, das sind Sie ja noch. - Das bleibe ich auch, Herr Brender, auch wenn Sie dagegen arbeiten. – Ob wir dagegen arbeiten? – Sie haben von Medienmacht und Medienkampagne geredet. – Zu Recht! – Ich weise darauf hin, dass der ARD und dem ZDF dies nicht vorzuwerfen ist."
Koch begründete seine Ablehnung Brenders mit den Quoten der aktuellen Sendungen im ZDF. "Heute" und "Auslandsjournal" hätten seit der Amtszeit des Chefredakteurs Zuschauer verloren. Es sei die Pflicht des Verwaltungsrats, solche Negativentwicklungen zu erörtern, sagte Koch der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Eine Argumentation, die nicht nur der Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrates, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, als konstruiert und vorgeschoben bezeichnete. Auch Journalistenorganisationen und Staatsrechtler protestierten öffentlich gegen die von ihnen so bezeichnete "Missachtung der Rundfunkfreiheit". Brenders Vorgänger im Amt, Klaus Bresser, zeigte sich entsetzt:
"Ich dachte, wir wären längst weiter, hätten das hinter uns. Aber es ist die alte Unverschämtheit, die Unverschämtheit, sich Journalisten auszusuchen, die den Politikern in den Kram passen."
Roland Koch aber blieb dabei: Er wollte Brender verhindern. Dabei wusste er eine Unionsmehrheit im Verwaltungsrat hinter sich, zu der auch der ehemalige CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber zählte.
Die Union im Verwaltungsrat also weigerte sich, den Vertrag des Chefredakteurs zu verlängern – was sich als Bumerang für die Politik erwies. Denn noch bevor Brender ausgeschieden war, entwickelte sich eine Debatte über den Einfluss der großen Parteien auf das ZDF. Vor allem das halboffizielle Institut der sogenannten Freundeskreise, mittels derer sich der Fernsehrat organisiert – einer "schwarz", einer "rot" - geriet nun in die Kritik. Dort werden unter der jeweiligen Führung von Union und SPD Entscheidungen vorbereitet und Absprachen getroffen. Was lange Jahre stillschweigend geduldet worden war – die Postenvergabe als Ergebnis parteipolitischer Deals – wurde nun hinterfragt, meint die Leiterin des Fachdienstes epd medien Diemut Roether.
"Herr Koch hat hinterher, nachdem der Verwaltungsrat so entschieden hat, wie er entschieden hatte, wie Koch das wollte, hat er gesagt, wir haben so entschieden, weil wir es durften. Das klang mir sehr nach Machtpolitik, also nach dem Motto, wir dürfen diese Personalie bestimmen und deswegen bestimmen wir das so, wie wir wollen – egal, ob der Mann fachlich geeignet ist oder nicht."
Vor allem aber die Grünen wollten die "Causa Brender", wie der Vorgang in der Presse genannt wurde, nicht auf sich beruhen lassen. Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, und damals neu im Bundestag, war zuvor Redakteurin des ZDF gewesen.
"Wir haben mit Professor Dörr einen sehr renommierten Staats- und Medienrechtler beauftragt, eine Klageschrift, eine Antragsschrift zu schreiben. Wir hatten auch die Möglichkeit, eine Normenkontrollklage zu machen. Das heißt also: Ein Viertel der Abgeordneten im Bundestag, die eine solche Antragsschrift unterzeichnen, können diese Normenkontrollklage einreichen. Wir hatten mit den linken und den grünen Abgeordneten bis auf zwölf Stimmen auch dieses Viertel fast voll und es gab viele Abgeordnete der SPD und der FDP, es gab sogar welche bei der CDU, die sagten, dass sich überlegt hatten, diesen Antrag mit zu unterstützen. Dann wurden die aber von ihren Vorständen zurückgepfiffen und uns fehlten letztlich zwölf Stimmen, um diese Klageschrift tatsächlich einzureichen."
Eine Normenkontrollklage, also eine Überprüfung von Gesetzen auf ihre Rechtmäßigkeit, kann von einem Viertel der Bundestagsabgeordneten, von den Landesregierungen oder der Bundesregierung angestrengt werden. Der öffentliche und parteiinterne Druck auf die SPD-geführten Länder wuchs, sich nicht länger zu weigern, den Staatsvertrag überprüfen zu lassen.
h4>Klageweg war unausweichlichDer rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, bekanntester Medienpolitiker seiner Partei und Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrats, versuchte einen Kompromiss auszuhandeln. Er plädierte dafür, den Staatsvertrag zu überarbeiten und so die Zusammensetzung der Gremien zu verändern. Beck sei jedoch gescheitert, weil die Union dies nicht mittragen wollte, sagt Marc Jan Eumann, Staatsminister in Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender der Medienkommission beim SPD-Parteivorstand. Er sitzt selbst auch im Fernsehrat des ZDF, und zwar im Programmausschuss Chefredaktion. Der Klageweg sei unausweichlich gewesen.
"Hier ist Rheinland-Pfalz vorausgegangen, unterstützt von der Freien und Hansestadt Hamburg und auch mit einer Stellungnahme aus Nordrhein-Westfalen haben wir deutlich gemacht, dass die Zusammensetzung der Gremien im ZDF nach unserer Überzeugung nicht dem Gebot der Staatsferne hinreichend entsprechen. Schöner wäre es gewesen, die Länder hätten dieses selbst korrigiert. Das war im Länderkreis nicht möglich, ist am Widerstand der Unions-geführten Länder gescheitert. Deswegen hat sich das sozialdemokratisch regierte Rheinland-Pfalz dazu entschlossen, das Bundesverfassungsgericht anzurufen."
Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann die SPD genau so viel Einfluss auf Verwaltungs- und Fernsehrat des ZDF verlieren wie die Union. Thomas Jarzombek ist Bundestagsabgeordneter der CDU und Medienexperte seiner Partei. Er findet es ausdrücklich falsch, dass amtierende Ministerpräsidenten in Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sitzen dürfen. Gleichzeitig wirft er der SPD Heuchelei vor.
"Kurt Beck beklagt sich selbst – hat die FAZ einmal getitelt, vor zwei Jahren glaube ich. Das ist auch die Absurdität des Ganzen. Dass man zwar einerseits irgendwie klagt, andererseits auch nicht in die Normenkontrollklage der Grünen mit eingestiegen ist, die natürlich viel konsequenter gewesen wäre. Und dass Kurt Beck heute immer noch im 15. Jahr Verwaltungsratsvorsitzender ist, mit Olaf Scholz gerade ein weiterer Ministerpräsident berufen wurde in den Verwaltungsrat, das zeigt nicht, dass da auch bei den Sozialdemokraten jemand ernsthaft eine größere Staatsferne möchte."
Tabea Rößner von den Grünen muss schmunzeln als sie auf die Klage von Rheinland-Pfalz und Hamburg angesprochen wird. Hat doch die Ministerpräsidenten-Konferenz noch im Oktober mit Reinhard Klimmt einen ehemaligen SPD-Kollegen in den Fernsehrat entsandt - als Vertreter der sogenannten R-Gruppe, die diverse gesellschaftliche Bereiche wie Kinderschutz, Kultur und Wissenschaft abdecken soll.
"Man kann das so sagen, dass wir die SPD, Hamburg hat sich ja dann mit Olaf Scholz noch angeschlossen, dass man die zum Jagen tragen musste. Ein anderes schönes Bild ist: Man macht den Frosch zum Befürworter der Trockenlegung des Teiches."
Doch wie sieht der Teich genau aus, wenn man in Tabea Rößners Bild bleiben will?
Der parteilose Nikolaus Brender galt als unabhängiger Kopf, der auch seinen Redakteuren diese Unabhängigkeit nahezubringen versuchte:
"Ich darf Sie sehr bitten, keine Sympathien für die eine oder die andere Partei zu zeigen und vor allem auch als Journalist kritisch zu bleiben."
In Medienkreisen geradezu legendär wurde Brenders Scharmützel mit SPD-Kanzler Gerhard Schröder in der Elefantenrunde von 2005:
"Also ich sage nochmal, Herr Bundeskanzler, das sind Sie ja noch. - Das bleibe ich auch, Herr Brender, auch wenn Sie dagegen arbeiten. – Ob wir dagegen arbeiten? – Sie haben von Medienmacht und Medienkampagne geredet. – Zu Recht! – Ich weise darauf hin, dass der ARD und dem ZDF dies nicht vorzuwerfen ist."
Koch begründete seine Ablehnung Brenders mit den Quoten der aktuellen Sendungen im ZDF. "Heute" und "Auslandsjournal" hätten seit der Amtszeit des Chefredakteurs Zuschauer verloren. Es sei die Pflicht des Verwaltungsrats, solche Negativentwicklungen zu erörtern, sagte Koch der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Eine Argumentation, die nicht nur der Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrates, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, als konstruiert und vorgeschoben bezeichnete. Auch Journalistenorganisationen und Staatsrechtler protestierten öffentlich gegen die von ihnen so bezeichnete "Missachtung der Rundfunkfreiheit". Brenders Vorgänger im Amt, Klaus Bresser, zeigte sich entsetzt:
"Ich dachte, wir wären längst weiter, hätten das hinter uns. Aber es ist die alte Unverschämtheit, die Unverschämtheit, sich Journalisten auszusuchen, die den Politikern in den Kram passen."
Roland Koch aber blieb dabei: Er wollte Brender verhindern. Dabei wusste er eine Unionsmehrheit im Verwaltungsrat hinter sich, zu der auch der ehemalige CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber zählte.
Die Union im Verwaltungsrat also weigerte sich, den Vertrag des Chefredakteurs zu verlängern – was sich als Bumerang für die Politik erwies. Denn noch bevor Brender ausgeschieden war, entwickelte sich eine Debatte über den Einfluss der großen Parteien auf das ZDF. Vor allem das halboffizielle Institut der sogenannten Freundeskreise, mittels derer sich der Fernsehrat organisiert – einer "schwarz", einer "rot" - geriet nun in die Kritik. Dort werden unter der jeweiligen Führung von Union und SPD Entscheidungen vorbereitet und Absprachen getroffen. Was lange Jahre stillschweigend geduldet worden war – die Postenvergabe als Ergebnis parteipolitischer Deals – wurde nun hinterfragt, meint die Leiterin des Fachdienstes epd medien Diemut Roether.
"Herr Koch hat hinterher, nachdem der Verwaltungsrat so entschieden hat, wie er entschieden hatte, wie Koch das wollte, hat er gesagt, wir haben so entschieden, weil wir es durften. Das klang mir sehr nach Machtpolitik, also nach dem Motto, wir dürfen diese Personalie bestimmen und deswegen bestimmen wir das so, wie wir wollen – egal, ob der Mann fachlich geeignet ist oder nicht."
Vor allem aber die Grünen wollten die "Causa Brender", wie der Vorgang in der Presse genannt wurde, nicht auf sich beruhen lassen. Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, und damals neu im Bundestag, war zuvor Redakteurin des ZDF gewesen.
"Wir haben mit Professor Dörr einen sehr renommierten Staats- und Medienrechtler beauftragt, eine Klageschrift, eine Antragsschrift zu schreiben. Wir hatten auch die Möglichkeit, eine Normenkontrollklage zu machen. Das heißt also: Ein Viertel der Abgeordneten im Bundestag, die eine solche Antragsschrift unterzeichnen, können diese Normenkontrollklage einreichen. Wir hatten mit den linken und den grünen Abgeordneten bis auf zwölf Stimmen auch dieses Viertel fast voll und es gab viele Abgeordnete der SPD und der FDP, es gab sogar welche bei der CDU, die sagten, dass sich überlegt hatten, diesen Antrag mit zu unterstützen. Dann wurden die aber von ihren Vorständen zurückgepfiffen und uns fehlten letztlich zwölf Stimmen, um diese Klageschrift tatsächlich einzureichen."
Eine Normenkontrollklage, also eine Überprüfung von Gesetzen auf ihre Rechtmäßigkeit, kann von einem Viertel der Bundestagsabgeordneten, von den Landesregierungen oder der Bundesregierung angestrengt werden. Der öffentliche und parteiinterne Druck auf die SPD-geführten Länder wuchs, sich nicht länger zu weigern, den Staatsvertrag überprüfen zu lassen.
h4>Klageweg war unausweichlichDer rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, bekanntester Medienpolitiker seiner Partei und Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrats, versuchte einen Kompromiss auszuhandeln. Er plädierte dafür, den Staatsvertrag zu überarbeiten und so die Zusammensetzung der Gremien zu verändern. Beck sei jedoch gescheitert, weil die Union dies nicht mittragen wollte, sagt Marc Jan Eumann, Staatsminister in Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender der Medienkommission beim SPD-Parteivorstand. Er sitzt selbst auch im Fernsehrat des ZDF, und zwar im Programmausschuss Chefredaktion. Der Klageweg sei unausweichlich gewesen.
"Hier ist Rheinland-Pfalz vorausgegangen, unterstützt von der Freien und Hansestadt Hamburg und auch mit einer Stellungnahme aus Nordrhein-Westfalen haben wir deutlich gemacht, dass die Zusammensetzung der Gremien im ZDF nach unserer Überzeugung nicht dem Gebot der Staatsferne hinreichend entsprechen. Schöner wäre es gewesen, die Länder hätten dieses selbst korrigiert. Das war im Länderkreis nicht möglich, ist am Widerstand der Unions-geführten Länder gescheitert. Deswegen hat sich das sozialdemokratisch regierte Rheinland-Pfalz dazu entschlossen, das Bundesverfassungsgericht anzurufen."
Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann die SPD genau so viel Einfluss auf Verwaltungs- und Fernsehrat des ZDF verlieren wie die Union. Thomas Jarzombek ist Bundestagsabgeordneter der CDU und Medienexperte seiner Partei. Er findet es ausdrücklich falsch, dass amtierende Ministerpräsidenten in Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sitzen dürfen. Gleichzeitig wirft er der SPD Heuchelei vor.
"Kurt Beck beklagt sich selbst – hat die FAZ einmal getitelt, vor zwei Jahren glaube ich. Das ist auch die Absurdität des Ganzen. Dass man zwar einerseits irgendwie klagt, andererseits auch nicht in die Normenkontrollklage der Grünen mit eingestiegen ist, die natürlich viel konsequenter gewesen wäre. Und dass Kurt Beck heute immer noch im 15. Jahr Verwaltungsratsvorsitzender ist, mit Olaf Scholz gerade ein weiterer Ministerpräsident berufen wurde in den Verwaltungsrat, das zeigt nicht, dass da auch bei den Sozialdemokraten jemand ernsthaft eine größere Staatsferne möchte."
Tabea Rößner von den Grünen muss schmunzeln als sie auf die Klage von Rheinland-Pfalz und Hamburg angesprochen wird. Hat doch die Ministerpräsidenten-Konferenz noch im Oktober mit Reinhard Klimmt einen ehemaligen SPD-Kollegen in den Fernsehrat entsandt - als Vertreter der sogenannten R-Gruppe, die diverse gesellschaftliche Bereiche wie Kinderschutz, Kultur und Wissenschaft abdecken soll.
"Man kann das so sagen, dass wir die SPD, Hamburg hat sich ja dann mit Olaf Scholz noch angeschlossen, dass man die zum Jagen tragen musste. Ein anderes schönes Bild ist: Man macht den Frosch zum Befürworter der Trockenlegung des Teiches."
Doch wie sieht der Teich genau aus, wenn man in Tabea Rößners Bild bleiben will?
Zusammensetzung der Gremien
Wie in anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten führen zwei Gremien die Aufsicht über das ZDF. Da ist zum einen der Fernsehrat, der aus 77 Mitgliedern besteht. Er stellt Richtlinien für die Sendungen auf, wählt den Intendanten und berät diesen in Programmfragen. Der 14-köpfige Verwaltungsrat wiederum überwacht die Tätigkeit des Intendanten in Haushaltsfragen und segnet die Personalentscheidungen auf Direktorenebene ab, unter anderem eben die des Chefredakteurs.
In beiden Gremien sind Parteipolitiker prominent vertreten. Nach Ansicht des Staats- und Kommunikationsjuristen Hubertus Gersdorf ein Unding:
"Im ZDF ist die Beletage der deutschen Politik vertreten: Ministerpräsidenten, Mitglieder der Landesregierungen, der Bundesregierung, Mitglieder des Deutschen Bundestages, Mitglieder der Landtage. Spitzenpolitiker haben nach meiner festen Überzeugung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nichts zu suchen, weil diejenigen, die Gegenstand der Berichterstattung sind, nicht zugleich auf diese Berichterstattung Einfluss nehmen dürfen."
Mitglieder im ZDF-Fernsehrat sind unter anderem Eva Christiansen, Stabsleiterin im Bundeskanzleramt und Vertraute von Angela Merkel, Noch-Minister Philipp Rösler, die Parteienvertreter Wolfgang Bosbach, Cem Özdemir, Christine Bergmann und Rainer Brüderle.
Diese starke Präsenz von Politikern ist im ZDF-Staatsvertrag ausdrücklich vorgesehen. Vertreter des Bundes und der Länder, Vertreter der Bundestagsparteien sollen neben den Abgesandten der christlichen und jüdischen Religionsgemeinschaften und anderer so genannter gesellschaftlich-relevanter Gruppen, wie Gewerkschaften, Unternehmer- und Wohlfahrtsverbänden garantieren, dass alle bedeutsamen gesellschaftlichen Kräfte im Fernsehen eine Stimme bekommen und die Berichterstattung möglichst auswogen bleibt.
Doch auch die Fernsehratsmitglieder, die nicht an eine Partei oder eine Landes- oder Bundesregierung gebunden sind, werden von den Ministerpräsidenten mitbestimmt: Die Länderchefs wählen aus jeweils drei Vorschlägen eine Person aus. Nur die Kirchen und der Zentralrat der Juden bestimmen ihre Vertreter selbst.
Im Verwaltungsrat wiederum sitzen fünf Vertreter der Länder und ein Vertreter des Bundes sowie acht vom Fernsehrat bestimmte Abgesandte, die weder einer Regierung noch der Leitung einer Körperschaft angehören dürfen. Obwohl hier die Politiker in der Minderheit sind, wird dieses Gremium seit 15 Jahren von dem SPD-Politiker Kurt Beck geführt, der bis Januar auch Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz war. Weitere Mitglieder: Brandenburgs ehemaliger Landeschef Matthias Platzeck, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, die Ministerpräsidenten Horst Seehofer und Stanislaw Tillich. Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht Dieter Grimm gehörte selbst fünf Jahre lang als Unabhängiger dem Verwaltungsrat des ZDF an.
"Es geht ja bei dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf der einen Seite darum, dass er nicht vom Staat kontrolliert werden darf, denn der Staat ist sozusagen das Objekt der Berichterstattung des Rundfunks und auch der Kritik durch den Rundfunk. Das heißt, der Staat darf nicht dominant werden. Auf der anderen Seite darf der Rundfunk nicht unkontrolliert bleiben. Und deswegen die Idee, die als Idee eigentlich wunderbar ist: dann lässt man die Gesellschaft selber, vertreten durch ihre relevanten Kräfte, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kontrollieren. Und zu den relevanten Kräften gehört natürlich auch die Politik und gehören die politischen Parteien. Deswegen kann man sie nicht von vornherein ausschließen."
Dass amtierende Politiker in den Aufsichtsgremien des ZDF eine einflussreiche Rolle spielen, ist paradoxerweise indirekt auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückzuführen. 1961 hatte es in seinem ersten Rundfunkurteil die Pläne des damaligen Kanzlers Konrad Adenauer zur Gründung einer Deutschland-Fernsehen GmbH als verfassungswidrig eingestuft. Rundfunk müsse, so eine Lehre aus dem Dritten Reich, staatsfern organisiert sein und dezentral, also unter der Hoheit der Länder. Eine Entscheidung, sagt epd-Redakteurin Diemut Roether, die allerdings nicht dazu geführt hat, den Einfluss des Staates komplett zurückzudrängen.
"Ursprünglich wollte Adenauer ja einen zweiten Kanal gründen. Der sollte die Konkurrenz sein zur ARD, die er als zu links empfunden hat und er wollte wirklich das Deutschland-Fernsehen, also ein richtiges Staats-Fernsehen. Dagegen haben damals die Ministerpräsidenten opponiert und dadurch kam es dann zur Gründung des ZDF als Sendeanstalt der Länder, wo die Länder sich aber dann gleich mal in die Gesetze eben auch die entsprechende Vertretung in den Gremien hineingeschrieben haben."
In beiden Gremien sind Parteipolitiker prominent vertreten. Nach Ansicht des Staats- und Kommunikationsjuristen Hubertus Gersdorf ein Unding:
"Im ZDF ist die Beletage der deutschen Politik vertreten: Ministerpräsidenten, Mitglieder der Landesregierungen, der Bundesregierung, Mitglieder des Deutschen Bundestages, Mitglieder der Landtage. Spitzenpolitiker haben nach meiner festen Überzeugung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nichts zu suchen, weil diejenigen, die Gegenstand der Berichterstattung sind, nicht zugleich auf diese Berichterstattung Einfluss nehmen dürfen."
Mitglieder im ZDF-Fernsehrat sind unter anderem Eva Christiansen, Stabsleiterin im Bundeskanzleramt und Vertraute von Angela Merkel, Noch-Minister Philipp Rösler, die Parteienvertreter Wolfgang Bosbach, Cem Özdemir, Christine Bergmann und Rainer Brüderle.
Diese starke Präsenz von Politikern ist im ZDF-Staatsvertrag ausdrücklich vorgesehen. Vertreter des Bundes und der Länder, Vertreter der Bundestagsparteien sollen neben den Abgesandten der christlichen und jüdischen Religionsgemeinschaften und anderer so genannter gesellschaftlich-relevanter Gruppen, wie Gewerkschaften, Unternehmer- und Wohlfahrtsverbänden garantieren, dass alle bedeutsamen gesellschaftlichen Kräfte im Fernsehen eine Stimme bekommen und die Berichterstattung möglichst auswogen bleibt.
Doch auch die Fernsehratsmitglieder, die nicht an eine Partei oder eine Landes- oder Bundesregierung gebunden sind, werden von den Ministerpräsidenten mitbestimmt: Die Länderchefs wählen aus jeweils drei Vorschlägen eine Person aus. Nur die Kirchen und der Zentralrat der Juden bestimmen ihre Vertreter selbst.
Im Verwaltungsrat wiederum sitzen fünf Vertreter der Länder und ein Vertreter des Bundes sowie acht vom Fernsehrat bestimmte Abgesandte, die weder einer Regierung noch der Leitung einer Körperschaft angehören dürfen. Obwohl hier die Politiker in der Minderheit sind, wird dieses Gremium seit 15 Jahren von dem SPD-Politiker Kurt Beck geführt, der bis Januar auch Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz war. Weitere Mitglieder: Brandenburgs ehemaliger Landeschef Matthias Platzeck, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, die Ministerpräsidenten Horst Seehofer und Stanislaw Tillich. Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht Dieter Grimm gehörte selbst fünf Jahre lang als Unabhängiger dem Verwaltungsrat des ZDF an.
"Es geht ja bei dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf der einen Seite darum, dass er nicht vom Staat kontrolliert werden darf, denn der Staat ist sozusagen das Objekt der Berichterstattung des Rundfunks und auch der Kritik durch den Rundfunk. Das heißt, der Staat darf nicht dominant werden. Auf der anderen Seite darf der Rundfunk nicht unkontrolliert bleiben. Und deswegen die Idee, die als Idee eigentlich wunderbar ist: dann lässt man die Gesellschaft selber, vertreten durch ihre relevanten Kräfte, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kontrollieren. Und zu den relevanten Kräften gehört natürlich auch die Politik und gehören die politischen Parteien. Deswegen kann man sie nicht von vornherein ausschließen."
Dass amtierende Politiker in den Aufsichtsgremien des ZDF eine einflussreiche Rolle spielen, ist paradoxerweise indirekt auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückzuführen. 1961 hatte es in seinem ersten Rundfunkurteil die Pläne des damaligen Kanzlers Konrad Adenauer zur Gründung einer Deutschland-Fernsehen GmbH als verfassungswidrig eingestuft. Rundfunk müsse, so eine Lehre aus dem Dritten Reich, staatsfern organisiert sein und dezentral, also unter der Hoheit der Länder. Eine Entscheidung, sagt epd-Redakteurin Diemut Roether, die allerdings nicht dazu geführt hat, den Einfluss des Staates komplett zurückzudrängen.
"Ursprünglich wollte Adenauer ja einen zweiten Kanal gründen. Der sollte die Konkurrenz sein zur ARD, die er als zu links empfunden hat und er wollte wirklich das Deutschland-Fernsehen, also ein richtiges Staats-Fernsehen. Dagegen haben damals die Ministerpräsidenten opponiert und dadurch kam es dann zur Gründung des ZDF als Sendeanstalt der Länder, wo die Länder sich aber dann gleich mal in die Gesetze eben auch die entsprechende Vertretung in den Gremien hineingeschrieben haben."
Zu viele Politker beim ZDF
Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung über das hessische Privatrundfunkgesetz 2008 deutlich gemacht, dass Parteien nicht dem Staat zuzuordnen sind. Dementsprechend dürfen sie, wie andere gesellschaftliche Gruppen auch, an der Kontrolle des Rundfunks mitwirken. Allerdings, so die Richter, wiesen Parteien auch eine "besondere Staatsnähe" auf, die beim Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks berücksichtigt werden müsse. Das heißt, das Bundesverfassungsgericht dürfte bei der jetzt anstehenden Verhandlung vor allem prüfen, ob zu viele Politiker in Staatsämtern beim ZDF die Aufsicht führen und inwieweit auch Landtags- und Bundestagsabgeordnete der so genannten "Staatssphäre" zuzuordnen sind.
Das ZDF und die Länderregierungen Bayerns, Hessens, des Saarlandes und Sachsens machen dagegen geltend, dass die föderale und parteipolitische Pluralität der Besetzung der ZDF-Gremien dazu führe, dass der Einfluss der Staatsvertreter vielen Brechungen unterliege. Der Anteil der Staatsvertreter betrage zudem in den Gremien jeweils unter 50 Prozent. Der Rostocker Verfassungsjurist Hubertus Gersdorf glaubt jedoch, dass jenseits aller Rechenspiele Spitzenpolitiker, vor allem amtierende Regierungschefs der Länder, nicht mit den anderen Vertretern gesellschaftlicher Gruppen gleichgesetzt werden können.
"Der eine hat ein Machtinteresse, der hat ein Darstellungsinteresse, der braucht den Rundfunk. Dementsprechend nimmt er viel stärkeren Einfluss. Wer ein bisschen von der Praxis versteht, weiß, dass die Ministerpräsidenten, die in entsprechenden Gremien sitzen, ganz anders vorbereiten, ganz anders vorbereiten können, Riesentischvorlagen auf den Tisch bringen, was normale Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen schon gar nicht können. Dementsprechend reicht es nicht aus, numerisch zu sagen: haben wir ein Drittel, haben wir 35 Prozent, haben wir 40 Prozent. Faktisch ist der Einfluss eines Spitzenpolitikers viel größer. Diesen faktischen Einfluss können Sie nicht numerisch einfangen, der muss juristisch eingefangen werden."
Doch nicht nur die Präsenz von Politikern in den Aufsichtsgremien kann die Staatsferne öffentlich-rechtlicher Anstalten konterkarieren. Dieter Grimm, ehemals Verfassungsrichter und auch einst Verwaltungsratsmitglied des ZDF, gibt zu bedenken, dass die so genannten gesellschaftlich-relevanten Gruppen in den Aufsichtsräten nicht unbedingt ein Gegengewicht zur Politik bilden.
"Also der Fehler des Systems ist, dass die Vertreter der gesellschaftlichen Kräfte sich hinter Parteien verschanzen, weil sie sich offenbar von den politischen Parteien mehr Gewicht für ihr jeweiliges Interesse versprechen. Dann sind also die Gewerkschaften tendenziell hinter den Rundfunkratsvertretern der SPD, dann sind vielleicht die Unternehmer und ihre Vertreter hinter denen der CDU und dadurch wird das an sich gut ausgedachte System unterlaufen. Wie man das ändert, ist eine Frage, die ich mir lieber nicht stelle, weil ich keine gute Antwort darauf habe."
Das Bundesverfassungsgericht, so kann man der Verhandlungsgliederung entnehmen, wird sich die Zusammensetzung der ZDF-Gremien und die Entscheidungsstrukturen, die dort ablaufen, sehr genau ansehen. Auch das "Gruppenverhalten", das beim ZDF-Fernsehrat durch die beiden sogenannten Freundeskreise von SPD und Union geprägt ist. Sollte Karlsruhe entscheiden, dass die Staatsferne des ZDF durch den Einfluss der Politik nicht hinreichend gewährleistet ist, wären nicht nur die Freundeskreise obsolet. Auch die Zusammensetzung der Gremien könnte grundlegend verändert werden: Neben einer geringeren Anzahl aktiver Politiker ließe sich eine Struktur denken, die auf die Veränderungen in der Gesellschaft Rücksicht nimmt – also beispielsweise auch Muslimen einen Platz im Fernsehrat einräumt.
Eine solche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hätte nicht nur Auswirkungen auf den Mainzer Sender. In der Folge stünden auch die Aufsichtsgremien der anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten der ARD und des Deutschlandradios auf dem Prüfstand. Mit einem Urteil wird erst im nächsten Jahr gerechnet.
Das ZDF und die Länderregierungen Bayerns, Hessens, des Saarlandes und Sachsens machen dagegen geltend, dass die föderale und parteipolitische Pluralität der Besetzung der ZDF-Gremien dazu führe, dass der Einfluss der Staatsvertreter vielen Brechungen unterliege. Der Anteil der Staatsvertreter betrage zudem in den Gremien jeweils unter 50 Prozent. Der Rostocker Verfassungsjurist Hubertus Gersdorf glaubt jedoch, dass jenseits aller Rechenspiele Spitzenpolitiker, vor allem amtierende Regierungschefs der Länder, nicht mit den anderen Vertretern gesellschaftlicher Gruppen gleichgesetzt werden können.
"Der eine hat ein Machtinteresse, der hat ein Darstellungsinteresse, der braucht den Rundfunk. Dementsprechend nimmt er viel stärkeren Einfluss. Wer ein bisschen von der Praxis versteht, weiß, dass die Ministerpräsidenten, die in entsprechenden Gremien sitzen, ganz anders vorbereiten, ganz anders vorbereiten können, Riesentischvorlagen auf den Tisch bringen, was normale Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen schon gar nicht können. Dementsprechend reicht es nicht aus, numerisch zu sagen: haben wir ein Drittel, haben wir 35 Prozent, haben wir 40 Prozent. Faktisch ist der Einfluss eines Spitzenpolitikers viel größer. Diesen faktischen Einfluss können Sie nicht numerisch einfangen, der muss juristisch eingefangen werden."
Doch nicht nur die Präsenz von Politikern in den Aufsichtsgremien kann die Staatsferne öffentlich-rechtlicher Anstalten konterkarieren. Dieter Grimm, ehemals Verfassungsrichter und auch einst Verwaltungsratsmitglied des ZDF, gibt zu bedenken, dass die so genannten gesellschaftlich-relevanten Gruppen in den Aufsichtsräten nicht unbedingt ein Gegengewicht zur Politik bilden.
"Also der Fehler des Systems ist, dass die Vertreter der gesellschaftlichen Kräfte sich hinter Parteien verschanzen, weil sie sich offenbar von den politischen Parteien mehr Gewicht für ihr jeweiliges Interesse versprechen. Dann sind also die Gewerkschaften tendenziell hinter den Rundfunkratsvertretern der SPD, dann sind vielleicht die Unternehmer und ihre Vertreter hinter denen der CDU und dadurch wird das an sich gut ausgedachte System unterlaufen. Wie man das ändert, ist eine Frage, die ich mir lieber nicht stelle, weil ich keine gute Antwort darauf habe."
Das Bundesverfassungsgericht, so kann man der Verhandlungsgliederung entnehmen, wird sich die Zusammensetzung der ZDF-Gremien und die Entscheidungsstrukturen, die dort ablaufen, sehr genau ansehen. Auch das "Gruppenverhalten", das beim ZDF-Fernsehrat durch die beiden sogenannten Freundeskreise von SPD und Union geprägt ist. Sollte Karlsruhe entscheiden, dass die Staatsferne des ZDF durch den Einfluss der Politik nicht hinreichend gewährleistet ist, wären nicht nur die Freundeskreise obsolet. Auch die Zusammensetzung der Gremien könnte grundlegend verändert werden: Neben einer geringeren Anzahl aktiver Politiker ließe sich eine Struktur denken, die auf die Veränderungen in der Gesellschaft Rücksicht nimmt – also beispielsweise auch Muslimen einen Platz im Fernsehrat einräumt.
Eine solche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hätte nicht nur Auswirkungen auf den Mainzer Sender. In der Folge stünden auch die Aufsichtsgremien der anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten der ARD und des Deutschlandradios auf dem Prüfstand. Mit einem Urteil wird erst im nächsten Jahr gerechnet.