28. Mai 2023
Die Presseschau

Die uns vorliegenden Zeitungen kommentieren unter anderem den Streit um die Heizungsanlagen in Deutschland, die Klimapolitik in der EU und die Stichwahl in der Türkei.

Mann mittleren Alters hält eine Rede
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (picture alliance / Flashpic / Jens Krick)
Zum ersten Thema heißt es in der Online-Ausgabe der Berliner Zeitung DER TAGESSPIEGEL: "Es war ein Drama auf der großen Bühne, das sich in dieser Woche in der Ampel abspielte. Erst verhinderte die FDP, dass das Heizungsgesetz wie geplant in den Bundestag eingebracht wird. Dann bezichtigte Wirtschaftsminister Robert Habeck - Grüne - den Koalitionspartner des Wortbruchs. Die Grünen drohten ihrerseits, Projekte der Regierung zu blockieren. Schließlich lenkte Habeck ein und stellte weitgehende Nachbesserungen am Gesetz in Aussicht. Öffentlich ausgetragener Streit in der Regierung hat einen schlechten Ruf. Wenn es ständig Rangeleien zwischen den Partnern gibt, kann das Vertrauen in die Kompetenz und Handlungsfähigkeit einer Koalition kosten", warnt DER TAGESSPIEGEL.
Die Klimafrage berge den Keim eines neuen Kulturkampfes, notiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG. "Der Klimawandel ist ein definitiver Test auf die Handlungs- und Zukunftsfähigkeit der liberalen Demokratie. Wenn die Erderwärmung außer Kontrolle gerät, stolpern wir in eine permanente Notstandssituation. Wir müssen deshalb die ökologische Transformation vorantreiben, um mit dem Klima auch die Demokratie zu schützen. Die zukünftige Freiheit hängt entscheidend davon ab, wie wir unsere Freiheit im Hier und Jetzt nutzen. Der demokratische Imperativ, dass die eigene Freiheit nicht zulasten der Freiheit anderer ausgelebt werden darf, muss in die Zukunft verlängert werden. So hat es auch das Bundesverfassungsgericht in seinem wegweisenden Urteil festgelegt. Klimaschutz ist nicht gratis. Er erfordert hohe finanzielle Aufwendungen zur ökologischen Modernisierung unseres Energiesystems, der Industrie, des Verkehrs und des Gebäudesektors. Das verlangt neue Prioritäten für die öffentliche Hand wie für die privaten Haushalte. Einen Vorgeschmack auf die damit einhergehenden Konflikte erleben wir gegenwärtig", konstatiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG
Die spanische Zeitung EL PAIS kommentiert die unterschiedlichen Auffassungen in der EU über die Klimapolitik: "Es ist offensichtlich, dass der Klimawandel zu einem existenziellen Problem für diejenigen geworden ist, die entgegen ihrer eigenen Überzeugung immer noch glauben, dass die Märkte und eine Deregulierung alle Probleme lösen können. Klimapolitik bedeutet mehr Interventionismus, Umverteilung und Planung, denn so werden Probleme gelöst: durch Eingriffe. Und die Klimapolitik sollte der Sozialdemokratie einen günstigeren Boden bieten: Wenn die Rechte sich in einem Anti-Klima-Block verschanzt hat, ist es Zeit für eine neue Ära. Es wird immer deutlicher, dass sich die Politik, ob es uns gefällt oder nicht, in Blöcken bewegt. Auch in Europa schwindet die Mitte, weil Liberale und Konservative sich aus diesem Raum zurückgezogen haben. Wenn wir unter der europäischen Blockpolitik leiden, sollten wir wenigstens ernsthaft die Voraussetzungen schaffen, um eine echte Mehrheit für die Lösung der Probleme durch den Klimawandel zu schmieden", unterstreicht EL PAIS aus Madrid.
Zur Stichwahl in der Türkei um das Präsidentenamt schreibt die BERLINER MORGENPOST: "Es sieht nicht gut aus für Kemal Kilicdaroglu. Wenn dem Herausforderer des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht noch ein Wunder gelingt, wird er die Stichwahl heute verlieren. Die letzten Umfragen sehen den Amtsinhaber mit rund 53 zu 47 Prozent vorn. Es hat sich wieder einmal bewahrheitet, dass Erdogan ein mit allen Wassern gewaschener Wahlkämpfer ist. Er wird bei einem Sieg versuchen, seine Macht weiter zu zementieren. Nicht auszuschließen, dass Erdogan eine Verfassungsänderung anstrebt, die ihm die Herrschaft auf Lebenszeit sichert. Deutschland und die EU tun gut daran, sich auf eine neue Eiszeit einzustellen. Erdogan bleibt für den Westen ein völlig unberechenbarer nationalistischer Desperado", prognostiziert die BERLINER MORGENPOST,
Auch die Online-Ausgabe der WELT AM SONNTAG befasst sich mit der Stichwahl: "Entscheider in Europa und den USA blicken gespannt auf die Wahl. Die Türkei ist durch ihre strategisch wichtige Lage ein Schlüsselland im Kontext des russischen Krieges gegen die Ukraine. Ein Erdogan-Sieg würde die autoritäre Politik des Präsidenten bestätigen. Die Opposition befürchtet einen weiteren Abbau der Demokratie in der Türkei. Außenpolitisch wäre mit dem konfrontativen Kurs zu rechnen, den Erdogan seit Längerem fährt. Den Nato-Beitritt Schwedens etwa blockiert er nun seit rund einem Jahr. Für Brüssel und Berlin bedeutet letzteres Szenario ein Dilemma: Einerseits ist man auf die Zusammenarbeit mit Ankara angewiesen, andererseits sieht man das Abgleiten des Landes in die Autokratie mit Sorge" schreibt die WELT AM SONNTAG.
Hören Sie nun Kommentare zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und zu den Waffenlieferungen an das Land. Die litauische Zeitung VILNIAUS DIENA ist voll des Lobes. "Es war eine bemerkenswerte Entscheidung der US-Regierung, ihren Verbündeten die Lieferung von Kampfflugzeugen des Typs F-16 zu gestatten. Noch vor wenigen Monaten hatten die Amtsträger im Weißen Haus, Präsident Biden eingeschlossen, eine solche Option kategorisch zurückgewiesen, weil sie in ihren Augen zu riskant war. Noch wollen es die USA nicht offen zugeben, aber man hat dort inzwischen begriffen, dass diese Entscheidung ein Fehler war. Die Ukraine hat nämlich eine reelle Chance, den Krieg zu gewinnen, wenn sie die entsprechende Hilfe bekommt – und da mag der Kreml noch so sehr die Karte der atomaren Bedrohung ziehen. Hätte man in Washington schon vor einem halben Jahr zugestimmt, wäre die Ukraine heute klar im Vorteil, und viele Leben hätten gerettet werden können", ist VILNIAUS DIENA aus Vilnius überzeugt.
Die NZZ AM SONNTAG kritisiert, dass die Ukraine ihre Verbündeten im Westen über ihr Vorgehen gegenüber Russland oft im unklaren lässt. "Nach 15 Monaten Krieg ist einiges zusammengekommen: Politische Morde in Russland scheinen auf das Konto ukrainischer Agenten zu gehen, ebenso der Drohnenangriff auf den Kreml Anfang Mai. Der Husarenritt einer bewaffneten Freischar über die russische Grenze zu Wochenbeginn wird nicht ohne Koordinierung mit einem ukrainischen Militärgeheimdienst möglich gewesen sein. Neue Belege sollen aufgetaucht sein, die nahelegen, dass ukrainische Agenten die North-Stream-Pipelines in die Luft gesprengt haben könnten. Die Regierungen im Westen, die deutsche zumal, bringt das in Verlegenheit. Sie wollen einen berechenbaren Partner in Kiew. Sie liefern die Waffen, also können sie auch mehr Transparenz und Umsicht verlangen", hebt die NZZ AM SONNTAG hervor.
Nun zu unserem letzten Thema: Die kontrovers diskutierte Reglementierung der Künstlichen Intelligenz. Die österreichische Zeitung DIE PRESSE AM SONNTAG plädiert dafür, dass klare Regeln gelten sollten: "Die KI gilt nicht nur als mögliche Antwort auf Arbeitskräftemangel und als Katalysator wissenschaftlicher Durchbrüche, sie ist auch höchst profitabel. Dementsprechend atemlos ist das Rennen um die Anmeldung neuer Systeme. Wer jetzt stehen bleibt, kann den anderen beim Verdienen zusehen. Fortschrittsgläubig oder rückschrittlich? Es gibt ein weites Feld dazwischen. Wissend um die Gefahren müssen für die Entwicklung der künstlichen Intelligenz trotz ihrer Vorteile klare Regeln gelten. Die EU will nun vor allem beim Offenlegen der Quellen und beim Urheberschutz ansetzen, aber Unternehmen auch zu freiwilliger Selbstverpflichtung drängen. Wer erinnert sich noch an das Plagiat? Die Sorge, Studenten könnten durch Copy-and-Paste ihre Arbeiten aus dem Internet kopieren? Die KI ist jetzt schon schlauer: Kein Text gleicht dem anderen, die Informationen werden stets frisch kombiniert. Die Entwicklung von KI kann von großem Nutzen sein. Aber trotz der Aufregung, was sie alles kann, muss sie dennoch gedrosselt werden", fordert DIE PRESSE AM SONNTAG aus Wien, mit der die Sonntagspresseschau endet.