03. Oktober 2023
Die Presseschau

Mit Kommentaren zum EU-Außenministertreffen in der Ukraine, zum gestrigen Ärztestreik und zum Tag der Deutschen Einheit.

Blick in den Saal des Treffens der 27 Außenminister in Kiew.
Das Treffen in Kiew war die erste Zusammenkunft aller 27 Außenminister außerhalb der EU. (IMAGO / Ukraine Presidency / Ukrainian Pre)
Das STRAUBINGER TAGBLATT meint zur Zusammenkunft der EU-Außenminister in Kiew: "Einen besseren Zeitpunkt hätten die EU-Chefdiplomaten für dieses Zeichen nicht finden können. Denn es gibt einige Entwicklungen, die der Ukraine und Präsident Wolodymyr Selenskyj zu Recht Sorgen machen. Da ist das Gezerre um den Haushalt in den USA. Auf dem Rücken der Ukraine, der radikale Republikaner die Unterstützung aufkündigen wollen. Da ist der Streit mit Polen, der sich an den Getreide-Einfuhren in die EU entzündet hat. Und der Wahlsieg des russlandfreundlichen Linkspopulisten Robert Fico in der Slowakei", zählt das STRAUBINGER TAGBLATT auf.
"Über der Ukraine ziehen sich immer mehr dunkle Wolken zusammen", schreibt die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN. "Der Krieg will kein Ende nehmen und kostet schwindelerregende Summen. Längst bekommen das auch die Länder zu spüren, die den Verteidigungskrieg der Ukraine unterstützen. Der Krieg ist dabei, zum Alltag zu werden, und die Ukraine ist nicht nur gezwungen, sich gegen Russland zur Wehr zu setzen, sondern sie muss sich auch mit einer zunehmenden Kriegsmüdigkeit im Westen herumschlagen. Da ist es umso erfreulicher, dass sich die EU-Außenminister auf die Seite der Ukraine gestellt haben", betont JYLLANDS-POSTEN aus Århus.
"Die EU steht fest an der Seite der Ukraine, aber wie sieht es mit den USA aus?", fragt die norwegische Zeitung DAGSAVISEN aus Oslo. "Biden hat einen Shutdown durch einen Kompromiss mit den Republikanern verhindern können, aber dieser Vereinbarung könnte nun die Ukraine zum Opfer fallen. Es könnte noch schlimmer kommen: Ein Albtraum wäre eine Rückkehr von Trump ins Weiße Haus, und bis zu den Präsidentschaftswahlen ist es nur noch gut ein Jahr. In einer so unsicheren Lage ist es gut zu sehen, dass die EU zur Ukraine hält. Das Treffen der 27 EU-Außenminister in Kiew markiert die Unterstützung der Union, und eine solche Solidaritätsbekundung ist umso wichtiger in einer Zeit, in der andere wackeln", bemerkt DAGSAVISEN aus Oslo.
Zur Bedeutung der Wahl in der Slowakei heißt es in der RHEINISCHEN POST aus Düsseldorf: "Angesichts des Wahlsieges mit Parolen aus dem Werkzeugkasten russischer Manipulation dürften im Kreml die Krimsektkorken geknallt haben. Bei dieser Richtungswahl wussten die Wähler sehr genau, was sie taten, als sie denen die meisten Stimmen gaben, die eine Nähe zu Russland zelebrieren, antiamerikanische Reflexe befeuern, die EU-Werte schleifen und die Unterstützung der Ukraine beenden wollen", stellt die RHEINISCHE POST fest.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER beschäftigt sich mit dem Ärztestreik: "In einem Punkt haben die Ärzteverbände Recht: Im Fokus von Gesundheitsminister Karl Lauterbach stehen derzeit die Krankenhäuser und nicht die niedergelassenen Ärzte. Das ist allerdings auch richtig so, denn im Bereich der Kliniken besteht existenzieller Reformbedarf, der unmittelbar die Qualität der medizinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten betrifft. Von finanziellen Problemen im ambulanten Sektor kann dagegen keine Rede sein. Nötig sind jedoch weitere Schritte, um die flächendeckende medizinische Versorgung zu sichern. Die Lösungen sind bekannt, sie müssen nur konsequent umgesetzt werden: Mehr Medizin-Studienplätze, eine bessere Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung oder der Einsatz von Telemedizin. Eines macht aber keinen Sinn: Die Lage des eigenen Berufsstandes schlechtzureden", findet der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG sieht es so: "Vielleicht war Karl Lauterbach inzwischen doch zu oft in Talkshows. Jedenfalls zahlt sein Hinweis, niedergelassene Ärzte verdienten durchschnittlich 230.000 Euro pro Jahr, vor allem auf die Neiddebatte ein. Der Konter des Virchowbundes erfolgte prompt, dieser Verband der Praxisärzte gibt den Jahresverdienst im Schnitt mit 85.555 Euro an. Die Wahrheit dürfte irgendwo in der Mitte liegen. Also warum streiken die Ärzte? Weil sie als Unternehmer immer mehr gegängelt werden von Bürokratie und staatlichen Vorschriften. Weil auch bei ihnen Energiepreise und Personalkosten steigen, wenn sie denn überhaupt Personal finden. Alles gute Gründe, für die der Gesundheitsminister bessere Antworten bräuchte als nur den polemischen Verweis auf das vermeintlich viele Geld", kritisiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Im Kommentar des TAGESSPIEGELS aus Berlin geht es um den heutigen Einheitstag: "Der Tag der Deutschen Einheit ist zum Bilanztermin der vereinigten deutschen Erbsenzähler verkommen. Selbst die Hülsen werden verwertet. Mit traurigem Dackelblick verkünden die Verantwortlichen für den Zustand des Landes seit Jahren immer wieder das Gleiche. Obsessiv gesucht und betont wird im Durchschnittsvergleich das Trennende, das noch nicht Erreichte, das Rückständige. Dahinter verschwindet alles Gute, alles Besondere. Am Tag der Einheit werden die Unterschiede gepredigt. Diese paternalistische Attitüde hat politische Folgen: Wem mehr als dreißig Jahren lang von der Spitze des Staates in jedem Herbst neu bestätigt wird, benachteiligt zu sein und zu werden, verliert zwangsläufig Vertrauen in eben jene Spitze des Staates", erklärt der TAGESSPIEGEL.
In den Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN ist zu lesen: "Auch wenn der Aufbau Ost eine Riesenleistung darstellt, die vielleicht niemand besser hinbekommen hätte als Deutschland, die meisten Infrastrukturdefizite abgearbeitet sind, legt sich im Osten ein diffuses Gefühl des Abgehängtseins wie Mehltau über ganze Landstriche. Die ökonomischen Kennziffern lügen nicht, sie sind noch lange nicht gleich. Vor allem aber war und ist es der weithin fehlende Respekt gegenüber den Menschen in den neuen Bundesländern, der zur Verbitterung und in vielen Fällen zu dem Gefühl führt, Menschen zweiter Klasse zu sein. Berechtigte Kritik hin, Weinerlichkeit her: Die große Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass Ost und West statt zu einer mentalen Einheit gerade von rechts zusammenwachsen. Das wäre der wohl böseste Treppenwitz der Geschichte."
Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Wuppertal bemerkt: "Das Verständnis zwischen Ost und West füreinander – so die Diagnose zum Tag der Deutschen Einheit – zerbricht weniger an den alten Debatten wie 'ungleicher Lohn in Ost und West' und 'alle Ost-Führungskräfte kommen aus dem Westen'. Auch weniger an persönlichen Brüchen in Biografien oder doch nicht aufgeblühten Landschaften, sondern daran, wie intensiv sich die Haltungen zu den großen Themen und Krisen der vergangenen Jahre clusterhaft einseitig verfestigt haben. Das ist tragisch. Es ist beileibe nicht so, dass die AfD als rechte Partei nicht auch im Westen Zuwächse erleben würde. Der Osten aber droht im Angesicht einer noch größeren Demokratiekrise durch das Wahlverhalten zahlreicher Betonköpfe sich selbst nicht mehr gerecht zu werden", warnt die WESTDEUTSCHE ZEITUNG.
In der arabischen Zeitung AL QUDS AL-ARABY findet die Debatte um die Äußerungen von CDU-Chef Merz zu Asylbewerbern Beachtung: "Friedrich Merz verkennt, dass sich der öffentliche Debattenraum in Deutschland derzeit noch von der Situation in den USA oder einigen europäischen Länder unterscheidet, wo man rassistische Äußerungen von sich geben und mit Hassreden gegen andere Wahlkampf machen kann, wie man es etwa von Donald Trump in den USA, Marine Le Pen in Frankreich und Giorgia Meloni in Italien kennt. Die Lage in Deutschland ist aufgrund seiner schwierigen Geschichte im 20. Jahrhundert und der spezifischen Umstände der deutschen Wiedervereinigung in den 1990er Jahren eine besondere. Vor diesem Hintergrund scheint es zumindest nach heutigem Stand und trotz des Aufstiegs der extremen Rechten unmöglich, dass rassistische Äußerungen und offensichtliche Hassreden zu akzeptablen Instrumenten der Politik werden", lautet die Einschätzung der Zeitung AL QUDS AL-ARABY, die in London erscheint.
Dass gestern der Nobelpreis für Medizin zwei Grundlagenforschern zur mRNA-Technologie zugesprochen wurde, ist Thema in der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN: "Wie viele Menschenleben in der Corona-Pandemie konnten durch die Forschung dieser Beiden gerettet werden? Normalerweise braucht die Entwicklung eines Impfstoffes mehrere Jahre, aber dank der Technologie der Wissenschaftler Kariko und Weissman musste die Welt nicht einmal ein Jahr warten, um mit der Impfung gegen Covid zu beginnen. Alfred Nobel bestimmte in seinem Testament, die Preise denjenigen zu verleihen, die 'im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben.' Auch in dieser Hinsicht hat ihre Leistung den Preis mehr als verdient. Auf der Welt dürfte es zahllose Karikos geben, die keine Stelle oder Finanzmittel bekommen, obwohl ihre Forschung Potenzial für eine Innovation hätte. Damit solche Arbeit Früchte trägt, ist eine breite Unterstützung für die Grundlagenforschung unabdingbar."