17. Dezember 2023
Die Presseschau

In den Sonntagszeitungen werden heute unter anderem die Lage der Ampel-Koalition, die Tötung von drei israelischen Hamas-Geiseln durch das israelische Militär und die Perspektiven der neuen Regierung in Polen kommentiert.

Robert Habeck (l-r, Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geben ein Pressestatement zur Einigung für den Bundeshaushalt 2024 im Bundeskanzleramt.
Die Bundesregierung präsentiert die Einigung in der Haushaltskrise. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Zunächst ins Inland: Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hat sich auf Einsparungen geeinigt, die einen Haushalt für das nächste Jahr ermöglichen. Dazu lesen wir in der BILD AM SONNTAG: "In den letzten Wochen hat die Ampel viele Milliarden Euro und massiv Vertrauen verloren. Nicht mal jeder Dritte würde heute eine Ampel-Partei wählen. Die Populisten werden stärker. Dieser Vertrauensverlust in die Politik macht mir Sorgen. Und die Ampel gießt weiter Öl ins Feuer. Ich finde es richtig, dass die Regierung die Elektroauto-Förderung beendet. Ich finde es falsch, das von einem Tag auf den anderen zu machen. So vermittelt die Ampel das Gefühl, dass man sich nicht auf den Staat verlassen kann. Ich finde es richtig, die Höhe von Subventionen zu überdenken, den CO2-Preis anzuheben. Ich finde es grundsätzlich falsch, das ohne Ausgleich für Menschen mit wenig Geld zu machen. Viele können sich höhere Mieten, teureres Benzin und Gas nicht mehr leisten, fühlen sich vergessen. In Demokratien ist Vertrauen in die Politik das höchste Gut. Ich würde mir wünschen, dass nach vier Jahren Ampel davon noch was übrig ist", führt der Kommentator der BILD AM SONNTAG aus.
Die weiteren Details zum Tod von drei Hamas-Geiseln durch israelische Soldaten kommentiert die NZZ AM SONNTAG: "Die israelische Armee hat in Gaza aus Versehen drei israelische Geiseln getötet, die sich aus den Fängen der Terrororganisation haben befreien können. Die jungen Männer hatten versucht, sich mit einem Stock, an den ein weißer Stoff gebunden war, erkennbar zu machen. Doch die Soldaten schossen auf sie, weil sie offenbar glaubten, sie würden in eine Falle gelockt. Der tragische Vorfall zeigt nicht nur, wie schwierig die Aufgabe der israelischen Armee ist, im Nahkampf Terroristen zu identifizieren und zu bekämpfen. Er zeigt auch, dass die Soldaten schossen, obwohl dort drei unbewaffnete Männer mit bloßen Oberkörpern versuchten, sich zu ergeben. Auch Kriege haben Regeln, die zu befolgen sind. Doch der Krieg in Gaza kennt keine Gnade. Über 18.000 Menschen wurden bereits getötet  – ein Großteil palästinensische Zivilisten und Kinder. Sie konnten nicht einmal versuchen, sich mit weißen Fahnen zu schützen. Bomben unterscheiden ohnehin nicht. Es ist nicht abzusehen, wann das Töten in Gaza ein Ende haben wird. Die Amerikaner ermahnen die Israelis zwar, besser zu zielen und weniger Unschuldige zu töten. Doch mehr tun auch sie nicht. Über allem steht  das Ziel: die Hamas zerstören. Doch was heißt das genau? Und wie viele Menschen müssen sterben, bis wir das erfahren?", fragt die NZZ AM SONNTAG.
In einem Gastbeitrag für den TAGESSPIEGEL analysiert der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, die Perspektiven des Kriegs im Gazastreifen: "Um an das politische Ziel zu kommen, müssen mindestens zwei Vorbedingungen erfüllt, zwei Hürden aus dem Weg geräumt werden. Zum einen darf die gegenwärtige israelische Regierung, die nicht nur keinen Plan für den Tag danach vorgelegt hat, nicht fortbestehen. Dasselbe gilt auch für die Autonomiebehörde in ihrem gegenwärtigen Zustand. Des Weiteren muss Israel zurück zum Grundprinzip Zweistaatenlösung. Das Selbstverständnis als 'Siedlungsunternehmen' muss ein Ende haben. Die Autonomiebehörde muss sich neu aufstellen – inhaltlich und personell. Israel muss auch realisieren, dass es einer gefährlichen Illusion nachläuft, wenn es versucht, sich in die Region zu integrieren, bzw. die Beziehungen zu den Nachbarländern zu normalisieren, ohne die Palästina-Frage zu lösen – und zwar auf der Grundlage des Rechts der Palästinenser auf nationale Selbstbestimmung. Das Gaza-Projekt muss in eine politische Perspektive eingebettet werden, mit dem Ziel, die Zweistaatenlösung schrittweise umzusetzen und in einen Eckstein der regionalen Struktur zu verwandeln. Das wird lange Zeit dauern, und die internationale Gemeinschaft muss langatmig sein", heißt es in einem Gastbeitrag im Berliner TAGESSPIEGEL.
In Berlin wurden drei Männer festgenommen, die im Auftrag der Hamas einen Terroranschlag geplant haben sollen. Die BERLINER MORGENPOST warnt: "Es ist erschreckend, dass auch die jüngsten Festnahmen in Berlin und Rotterdam offenbar nur durch Hinweise ausländischer Dienste zustande kamen. Das wirft Fragen auf, ob die deutschen Geheimdienste ausreichend fähig und legitimiert sind, die Gefährder auf deutschem Boden engmaschig zu überwachen. Die aktuelle Gefährdung zeigt auch, wie schnell eine unkontrollierte Migration gefährlich werden kann, ganz besonders für Juden in Deutschland, die unseren besonderen Schutz benötigen. Viel zu lange war die Debatte um die Migration nur vom Kostengedanken oder vom ideologischen Streit bestimmt. Dazu kommt eine bemerkenswerte Ignoranz der Politik gegenüber der offensichtlichen Gefahr, dass immer mehr Menschen in Deutschland unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen und sich einen ganz anderen Staat wünschen. Diese Einstellung muss angesichts der Weltlage sehr viel ernster genommen werden. In der Politik, in den Sicherheitsbehörden, bei uns allen", mahnt die BERLINER MORGENPOST.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG richtet ihren Fokus auf die neue polnische Regierung unter der Führung von Donald Tusk: "Die Außenpolitik ist das Politikfeld, auf dem die neue Regierung am schnellsten einen grundsätzlichen Wandel herbeiführen kann. Dort muss sie nämlich keine Gesetze beschließen, die vom Präsidenten Duda oder vom Verfassungsgericht blockiert werden können, das die PiS kontrolliert. Der Präsident hat zwar laut Verfassung in der Außenpolitik ein Mitspracherecht. Doch in diesem Bereich dürfte es der neuen Regierung am leichtesten fallen, eine gemeinsame Sprache mit ihm zu finden. Im PiS-Lager gehört Duda zum stetig kleiner werdenden Kreis derer, die Schaden von den Beziehungen zu den Verbündeten fernhalten wollen. Polen wird sich mit der neuen Regierung in EU und NATO kooperativer verhalten als in den vergangenen acht Jahren. Bestand die Europapolitik der PiS zu einem großen Teil in destruktiver Konfrontation, so erhebt Tusk den Anspruch, dass Polen entsprechend seiner Bevölkerungszahl, seiner Wirtschaftskraft und seiner geopolitischen Lage zu den Anführern der EU gehören muss. Mehr Kooperation bedeutet also nicht, dass Polen leiser und für die Partner bequemer sein wird." Das war ein Kommentar aus der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG.
Zum Ende der Presseschau hören Sie einen Kommentar der türkischen Zeitung KARAR. Er befasst sich mit der Vereinbarung, dass keine Imame mehr aus der Türkei nach Deutschland kommen sollen und richtet einen Appell an Muslime in Europa: "Diese Vereinbarung ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Debatte. Der Islam im weitesten Sinne war schon immer Gegenstand intensiver und harter Debatten. Das sind aber keine rassistischen und ausgrenzenden Diskurse von Islamgegnern, sondern Diskussionen von Politik, Medien und Forschungseinrichtungen. Allerdings besteht für die Türken das größte Dilemma darin, dass sie sich als Opfer fühlen. Das gilt vermutlich für alle Muslime in Europa, dieses Gefühl werden sie auch kaum überwinden können. Dieses Opfergefühl schafft auch eine Komfortzone. Statt einen überzeugenden Diskurs über die eigene Identität und Haltung zu führen, ist es bequemer und weniger belastend, sich als Opfer zu fühlen. Die Türken in Deutschland werden künftig vor deutlich größeren Herausforderungen stehen. Deswegen ist es notwendig, die Opferrolle aufzugeben und nicht wütend und beleidigt zu sein. Sie müssen zu einer realistischen Atmosphäre übergehen. Und sie müssen ihre 'großen Ideale' aufgeben, die keinen Bezug zur Realität haben, und ihre Anweisungen nicht aus der Türkei bekommen. Das würde den Türken in Deutschland bei der Integration helfen", empfiehlt KARAR aus Istanbul.