04. Februar 2024
Die Presseschau

Ein Thema sind die Massenproteste gegen Rechtsextremismus und das Erstarken der AfD. Seit mehr als drei Wochen gehen tagtäglich Menschen bundesweit auf die Straße - auch gestern wieder.

Menschen bei einer Demo gegen Rechtsextremismus vor dem Reichstag in Berlin am 3. Februar 2024.
Menschen bei einer Demo gegen Rechtsextremismus vor dem Reichstag in Berlin am 3. Februar 2024. (imago-images / photothek / Dominik Butzmann)
"Es war schon ein beeindruckendes Bild, das die Berliner am Samstag in die Welt hinaus schickten", bemerkt die BERLINER MORGENPOST: "Eine Menschenkette mit 100.000 Menschen um den Reichstag war angemeldet – es kamen nach ersten Schätzungen der Polizei 150.000. Und das schon zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen."
Das Portal ZEIT ONLINE schreibt: "Und wieder sind sie alle gekommen: haben sich in S-Bahnen und Busse gequetscht, sind durch den Nieselregen gelaufen oder geradelt. Zehntausende in den Großstädten, Tausende in kleinen Orten wie Stadtroda und Eisenach. In Berlin, wo die Polizei schon gegen Mittag 150.000 Menschen zählte, war das Gebiet um den Reichstag zwischendurch nicht mehr zugänglich. Und morgen geht's direkt weiter. Es sind Tage der Hoffnung in einem Jahr, das doch eigentlich so düster zu werden droht. Die Menschen auf den Straßen stehen gegen etwas auf, das von Jahr zu Jahr bedrohlicher wird. Denn anders als die NPD in den Nullerjahren erlebt die AfD seit Jahren einen scheinbar unaufhaltsamen Aufschwung, und das, obwohl sie fortwährend neue Belege für ihre Gefährlichkeit liefert." So weit ZEIT ONLINE.
Schlagen wir nun die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG auf: "Nie wieder ist jetzt, steht auf manchen Plakaten, die nun schon in der dritten Woche durch deutsche Innenstädte getragen werden. Man kann sich nur freuen, dass sich so viele Bürger des Werts unseres politischen Systems bewusst sind und sich persönlich dafür einsetzen. Dazu zählt auch das Credo, die Fehler von 1933 nicht zu wiederholen. Aber stehen wir da wirklich? Verlangt die aktuelle Lage, sich gleichsam schützend vor unsere Demokratie zu stellen? Rettet uns nur noch ein 'breites Bündnis', wie der Bundespräsident mahnt?", fragt die F.A.S. und schickt hinterher: "Eine Nummer kleiner täte es auch."
Die taiwanesische Zeitung TAIPEI TIMES rekurriert auf die Beteiligung von AfD-Politikern an einem Rechtsextremisten Treffen nahe Potsdam: "Berichten zufolge ging es dabei um die Möglichkeit von Massendeportationen nicht-ethnischer Deutscher, falls die Rechtsextremen an die Macht kommen sollten. Aufgeschreckt durch diese Vision argumentieren führende Vertreter des gesamten politischen Spektrums, öffentliche Intellektuelle und einflussreiche Medienkommentatoren, zum Schutz der deutschen Demokratie müsse die AfD zerschlagen werden. Etwa die Hälfte der deutschen Öffentlichkeit ist für ein Verbot der Partei, und Hunderttausende Deutsche haben in den vergangenen Wochen an Protesten gegen die AfD teilgenommen. Doch der rechtsextremen Herausforderung muss in der Wahlkabine begegnet werden, nicht im Gerichtssaal. Ein Sieg über die AfD durch die Justiz wäre eine moralische und politische Niederlage", heißt es in den TAIPEI TIMES.
Die WELT AM SONNTAG richtet den Blick auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, also ARD, ZDF und Deutschlandradio. "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk befindet sich in der schwersten Krise seiner Geschichte. Teils wegen hausgemachter Probleme, teils, weil sich die Dinge in den vergangenen Jahren politisch, gesellschaftlich und medial so stark verändert haben, dass ARD und ZDF in ihrer heutigen Form wie aus der Zeit gefallen scheinen. Die Entfremdung zwischen Teilen des Publikums und vielen öffentlich-rechtlichen Programmen war noch nie so groß. Exemplarisch lässt sich das ablesen am Höhenflug der AfD auf der einen Seite und andererseits Untersuchungen wie jener über die politischen Präferenzen von ARD-Volontären, die ergab, dass rund 90 Prozent von ihnen grün-rot-rot wählen. Hinzu kommt, dass den Bürgern in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kaum noch vermittelbar ist, dass sie jedes Jahr zehn Milliarden Euro für einen öffentlich-rechtlichen Apparat von 21 Fernseh- und 69 Radio-Sendern zahlen müssen, der doch eigentlich den Auftrag hat, eine 'Grundversorgung' sicherzustellen", findet die WELT AM SONNTAG.
Nun ins Ausland, und zwar mit einem sorgenvollen Blick des TAGESSPIEGELS AM SONNTAG auf die aktuelle Lage im Nahen Osten: "Niemand will einen großen Krieg – dennoch war man noch nie so kurz vor einer offenen Konfrontation zwischen den USA und Iran. Je länger der Krieg in Gaza dauert, desto größer ist die Gefahr. Die USA haben zwar jetzt auf den Tod von drei US-Soldaten reagiert, die von einer irakischen Miliz, die Verbindungen zu Teheran hat, angegriffen worden war. Aber die 85 Ziele in Syrien und Irak waren so ausgesucht, dass Teheran nicht aus Gründen der Gesichtswahrung zurückschlagen muss. Der Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas alimentiert mehrere Nebenschauplätze, die beim kleinsten Fehltritt außer Kontrolle geraten könnten. In dieser volatilen Lage will Israel nun seine Militäroffensive im südlichen Zipfel des Gazastreifens, in Rafah an der Grenze zu Ägypten, intensivieren. Damit steigt der Druck auf das Grenztor zum Sinai. Niemand weiß, was passiert, sollten doch die ersten Palästinenser aus Gaza vertrieben werden. Das ist eine rote Linie – das haben auch die USA immer wieder klargemacht", hebt der TAGESSPIEGEL AM SONNTAG aus Berlin hervor.
Auch die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG ist ob der amerikanischen Vergeltungsanschläge beunruhigt: "US-Präsident Biden will Stärke und Wehrhaftigkeit zeigen, aber keinen grossen Krieg mit Iran anzetteln. Doch ist eine Eskalation überhaupt zu stoppen? Die Amerikaner wollen sie nicht, Iran angeblich auch nicht. Aber haben es diese Mächte überhaupt noch in der Hand? Wie sehr kann Teheran seine Milizen steuern? Klar ist, das Zeitfenster, einen Weg aus dem Gaza-Krieg zu finden, scheint sich zu schliessen", befürchtet die Schweizer NZZ AM SONNTAG.
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE beruhigt: "Die Militärschläge waren angekündigt. Am Freitag nahm Präsident Biden auf einem Rollfeld in Delaware die Särge der drei getöteten Armeeangehörigen entgegen. Wenige Stunden später feuerte die Luftwaffe auf 85 Ziele im Irak und Syrien. Weitere Militäraktionen sollen folgen. Die pro-iranischen Einheiten waren und sind vorgewarnt. Sie hatten und haben genug Zeit, um in Deckung zu gehen. Die US-Angriffe haben vor allem symbolischen Charakter. Zu Beginn des US-Wahlkampfs will Biden keine Schwäche zeigen, und er muss das Abschreckungspotenzial der US-Streitmacht im Nahen Osten wiederherstellen", analysiert DIE PRESSE aus Wien.
Bemerkenswert ist aus Sicht der türkischen Zeitung MILLIYET das Schweigen Russlands: "Moskau war auf die Vergeltungsschläge der USA offenbar nicht vorbereitet. Russland, der Verbündete des Irans in Syrien, hat es versäumt, den Iran zu informieren und Geheimdienstinformationen zur Verfügung zu stellen. Die USA konnten auf diese Weise auch Russland im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Krieg einschüchtern. Sie verfügen über die Mittel, ihre militärischen Fähigkeiten um jeden Preis unter Beweis zu stellen, sobald ihre Gegner politische Entschlossenheit zeigen", beobachtet MILLIYET aus Istanbul.
Weiter geht es mit der norwegischen Zeitung VERDENS GANG: "Die Israelis stehen geeint im Kampf gegen Hamas, nicht aber hinter ihrem Premierminister. Netanjahus Zustimmungswerte sinken von Tag zu Tag, und immer mehr Israelis fragen sich, ob ihm in Wahrheit seine Zukunft wichtiger ist als die Israels. Ihm scheint ein langer Krieg zu nützen, weil er im Anschluss daran seinen Rücktritt befürchten muss. Wenn er dann aber nicht mehr im Amt ist, wartet auf ihn ein Gerichtsverfahren wegen Korruption. Der Krieg im Gazastreifen ist mittlerweile auch ein Kampf um die Aufmerksamkeit der Welt – und den scheint Israel verloren zu haben. Es ist allerdings nicht sicher, ob das unter einem anderen Premier anders wäre, aber es besteht die Möglichkeit", überlegt VERDENS GANG aus Oslo zum Abschluss dieser Ausgabe der Presseschau.