17. März 2024
Die Presseschau

Themen der uns vorliegenden Sonntagszeitungen sind die Pseudo-Präsidenschaftswahl in Russland und die Nahostreise von Bundeskanzler Scholz.

Eine Frau wirft in Rjasan un Russland ihren Stimmzettel in eine Wahlurne. Daneben sitzt ein Wahlhelfer in Uniform und gelber Weste an einem Tisch.
Mit der Abstimmung will sich Russlands Staatschef Putin für weitere sechs Jahre im Amt bestätigen lassen. (IMAGO / ITAR-TASS / Alexander Ryumin)
"Man darf Wladimir Putin ja bereits zum neuerlich überragenden Sieg bei den Präsidentschaftswahlen gratulieren, wenn man das denn möchte", schreibt die Schweizer NZZ AM SONNTAG. Weiter heißt es: "Ausgezählt wird zwar erst am Sonntagabend, aber jeder weiß, wie der Urnengang in Russland ausgeht: Der 71-jährige Diktator genehmigt sich eine fünfte Amtszeit bis 2030. Putins Gegenkandidaten waren nur Statisten, die Wahl war weder frei noch fair. Das hätte man auch einfacher haben können. Wozu erst noch groß Stimmzettel ankreuzen lassen, drei Tage lang von Petersburg bis Wladiwostok? Und warum eigentlich kopiert Putin so beflissen die Demokratie, den Kernwert des in seinen Augen doch so morschen und verkommenen Westens? Die Antwort liegt in der Natur des kriegführenden, faschistisch anmutenden Regimes, zu dem Russlands politisches System degeneriert ist. Der Führer braucht das Volk, das Volk seinen Führer. Man lügt sich an, versichert sich gegenseitig seiner Unterstützung. Furcht und Manipulation sind der Stoff, der Russlands Bürger an Putin bindet. Die Mehrheit will ihn ja. Sicherheit und Größe verspricht der Präsident seinen Untertanen. Ihre Unfreiheit wählen sich Putins Anhänger selbst – was mehr kann sich ein Diktator wünschen, als die Volksherrschaft auf den Kopf zu stellen?", ist in der NZZ AM SONNTAG aus Zürich zu lesen.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG hält fest: "Von der Abstimmung hängt weder für Russland noch für den Rest Europas etwas ab - der Sieger steht ohnehin fest. Interessant ist nur, ob Putin glaubt, danach keine Rücksicht mehr auf die eigene Bevölkerung nehmen zu müssen. Davon hängt das Ausmaß der Zerstörungen ab, die er noch anrichten wird, bis er gestürzt wird oder wie Stalin als Herrscher stirbt."
"Diese sogenannten Wahlen sind weder frei noch fair, sondern sollen der russischen Bevölkerung die Gelegenheit verschaffen, ihre Liebe zu ihrem Anführer zu bezeugen", betont die finnische Zeitung HELSINGIN SANOMAT. "Obwohl alles wie nach Drehbuch zu verlaufen scheint, ist die Stimmung in Russland angespannt. Schließlich sorgt der Aufruf der Opposition im Apparat für Unruhe, gemeinsam heute Mittag zu den Wahlen zu gehen. Die Behörden werden dann mit allen Mitteln versuchen, selbst den leisesten Protest zu verhindern. Und trotzdem: Dieses Wochenende ist wichtig. Es geht nicht nur um Theater und um die Bestrebungen Putins, von der Bevölkerung ein solides Mandat zu erhalten. Vielmehr kann der Kreml dann seine Repressionen verstärken und außerdem eine neue Mobilisierungswelle starten, um noch mehr Truppen in die Ukraine zu schicken. Dann beginnt erst recht eine schwere Zeit", prophezeit HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki.
Putin sei der garantierte Gewinner der Pseudo-Präsidentschaftswahl, unterstreicht der britische INDEPENDENT. "Der Kreml wird darauf hinweisen, dass das offizielle Ergebnis ein Beweis dafür ist, wie beliebt Putin sei, dass die russische Bevölkerung ihn und das politische System, dem er seit fast 25 Jahren vorsteht, auf überwältigende Weise unterstütze. Und vor allem, dass der Krieg gegen die Ukraine weitergeht. Viele Menschen werden Putin wählen, nicht weil sie ihren Präsident tatkräftig unterstützen, sondern weil der Amtsinhaber ein System geschaffen hat, in dem es keine glaubwürdige Alternative zu ihm gibt. Der frühere Oppositionsführer Nawalny war eine solche Alternative. Er aber starb in einem Straflager am Nordpolarkreis. Nawalny wurde getötet, weil er es gewagt hatte, die korrupte Brutalität in Putins Autokratie zu entlarven", erinnert THE INDEPENDENT aus London.
Die türkische Zeitung CUMHURIYET bezeichnet Putin als Diktator. Der Zeitgeist schreibe vor, dass die Legitimation durch die Wahlurne erfolgen muss: "In Russland gibt es, wie in allen autoritären Ländern, eine Präsidentschaftswahl mit vorgegebenem Ergebnis. Die Kandidatur von Boris Nadeschdin, der einzige Kandidat, der aufgrund seiner Ablehnung des Krieges in der Ukraine bei dieser Wahl etwas hätte bewirken können, wurde für ungültig erklärt und ausgeschlossen. Übrig blieben die Kandidaten der 'offiziellen Opposition'. Auch die Medien wurden gleichgeschaltet. Alle Dissidenten, die sich gegen Putin und dessen Krieg ausgesprochen haben, sitzen heute im Gefängnis. Offiziell gibt es 100 politische Gefangene, aber die Zahl derer, die wegen Meinungsäußerungen strafrechtlich verfolgt werden, ist auf schockierende 116.000 gestiegen. beklagt CUMHURIYET aus Istanbul.
Die Wiener Zeitung DIE PRESSE AM SONNTAG fragt sich, wie stark Putin Österreich unterwandert habe und fordert: "Österreich sollte endlich eine unabhängige Untersuchungskommission einsetzen, um ans Tageslicht zu bringen, welches politische, wirtschaftliche und nachrichtendienstliche Netz das Regime von Wladimir Putin hierzulande aufgebaut hat. Wie ist die Republik in ihre Energie-Abhängigkeit von Russland geraten? Welche Rolle spielten dabei Politiker, die später Jobs in russischen Aufsichtsräten erhielten? Wie russlandfreundlich hat die Ex-Außenministerin, die nun in St. Petersburg lebt, zu ihrer Amtszeit agiert? Wo ist Oligarchengeld in Österreich geparkt? Viele dieser Fragen sollten fair in einen historischen Kontext gesetzt werden, der nach dem 24. Februar 2022 untergegangen ist. Doch Österreich muss sich diesen Fragen stellen, um Klarheit über aktuelle russische Umtriebe zu gewinnen. Statt die Aufklärung voranzutreiben, bleibt Intransparenz aber oberstes Gebot", beklagt DIE PRESSE AM SONNTAG aus Österreich.
DER TAGESSPIEGEL aus Berlin kommentiert die Nahostreise von Bundeskanzler Scholz: "Wenn Scholz an diesem Sonntag erst nach Jordanien und dann nach Israel reist, wird es viel um die humanitäre Lage im Gazastreifen gehen, zu Recht. Die Zivilbevölkerung dort leidet und weiß weder, wohin sie noch fliehen, noch, wo sie Essen, Medizin oder sonstige Hilfe herbekommen soll. Bei all diesen Gesprächen aber dürfen die israelischen Geiseln nicht zu kurz kommen. Natürlich ist es notwendig darüber zu reden, wie die humanitäre Lage in Gaza verbessert werden kann. Es ist auch richtig, auf den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu Druck auszuüben, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. Eine längere Waffenruhe, mehr Hilfen für die Zivilbevölkerung und Gespräche über eine Befriedung des Konflikts sind wichtig. Nur gehört in diese Aufzählung unbedingt die Freilassung der Geiseln dazu. Dieses Faustpfand darf man der Hamas nicht überlassen. Dabei hat sie es in der Hand: Mit einer Befreiung der Geiseln könnte sie den Krieg und damit das Leid der palästinensischen Bevölkerung schneller beenden. Nur müsste man sich dafür überhaupt für das Leid der Leute interessieren. Im Wesen einer Terrororganisation liegt das aber nicht. Die Terroristen der Hamas führen einen Krieg gegen Zivilisten, auch gegen die eigenen", hebt DER TAGESSPIEGEL hervor.
Die Zeitung WELT AM SONNTAG weist auf die Luftbrücke zur Versorgung der notleidenden Palästinenser hin: "Immerhin erhalten sie nun aus der Luft und von See aus Hilfe – auch aus Deutschland. Diesen Beistand lässt Israel zu. Ohne Jerusalems Ja würde kein einziges Flugzeug durch den israelischen Luftraum Hilfsgüter über Gaza abwerfen, kein Schiff die israelische Blockade durchbrechen können. Sicher lässt sich noch mehr tun. Unbestritten ist auch: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist eher der Eisenfresser denn der Friedensapostel. Doch es gehört zur Wahrheitsliebe dazu einzugestehen: Wer eine Zweistaatenlösung und Frieden wünscht, der kann eine Terrorbande wie der Hamas, die sich dem Völkermord an den Juden verschrieben hat, nicht am Leben lassen. Bleibt sie die Herrin im Gazastreifen, ist jeglicher Frieden ausgeschlossen. Aus diesem Dilemma herauszukommen, ist nicht möglich. In der aufgeheizten Debatte wird dieser Zwiespalt allerdings genauso vom Tisch gefegt wie die Empathie für das israelische Leid", kritisiert die WELT AM SONNTAG, mit der der Blick in die Kommentarspalten endet.