07. Juli 2024
Die Presseschau

Themen sind die Stichwahl um das Präsidentenamt im Iran und die Einigung der Regierungsparteien auf einen Haushaltsentwurf für 2025 in Deutschland. Zunächst aber blicken wir nach Frankreich, wo heute die vorgezogene Parlamentswahl in die zweite und entscheidende Runde geht.

07.07.2024
Wahlkarte für die Stichwahlen in Frankreich - in Frankreich sind die Wählerinnen und Wähler in den Überseegebieten bereits am Samstag zur entscheidenden Runde der Parlamentswahl aufgerufen.
Ein Thema in den Kommentaren der Sonntagszeitungen sind die Stichwahlen in Frankreich. (picture alliance / Hans Lucas / Jean-Marc Barrere)
Die WELT AM SONNTAG findet, egal wie die Abstimmung ausgehen werde, ein Verlierer stehe bereits fest: "Emmanuel Macron. Der Präsident wird in die Geschichte als die Leib gewordene Kurzsichtigkeit eingehen. In pittoresker Wichtigtuerei hat er ohne Not die politische Mitte seines Landes zerrieben und sich dabei als Politiker selbst entmannt. Stets von der Angst heimgesucht, man werde seine Begabung nicht spüren, hat er über die Jahre das Hochtrabende, Stelzbeinige, das er immer besaß, bis zum Überdruss kultiviert. Gerade Macron, der als Präsident für eine neue Ernsthaftigkeit stehen wollte, ist ein Musterbeispiel für die heute herrschende Kultur des theatralischen Geweses und der Freude an der Zerstörung von Altbewährtem; man nennt es heute Disruption. Mal attestiert Macron der NATO den 'Hirntod', dann wieder nicht. Mal setzt er sich für massive Waffenhilfe an die Ukraine ein, um ein anderes Mal viel zu wenig zu liefern. Nie zuvor hat sich ein Präsident der Fünften Republik derartig grob im eigenen Volk getäuscht und damit ganz Europa in Turbulenzen gebracht", urteilt die WELT AM SONNTAG.
DIE PRESSE AM SONNTAG aus Österreich vertritt diese Ansicht: "Es wäre absurd, Präsident Emmanuel Macron vorzuwerfen, die liberale Demokratie in Frankreich gefährdet zu haben, weil er unmittelbar nach dem Sieg der Rechten bei der Europawahl in einem Hasardspiel überstürzt vorgezogene Parlamentswahlen ansetzte. Das war alles andere als undemokratisch, es war bloß dumm. In seiner verzerrten Selbstüberschätzung glaubte Macron, das Glück erzwingen zu können. Der 'Jupiter im Élysée-Palast' hat gewürfelt, wird aller Voraussicht nach verlieren, sich auf keine Regierungsmehrheit im Parlament stützen können und als lahme Ente durch den Rest seiner Amtszeit bis 2027 watscheln. Das ist unangenehm für ihn und auch für Frankreich. Doch eine Krise der Demokratie ist es nicht. Wenn sich keine Regierungsmehrheit bilden lässt, auch nicht für ein Expertenkabinett, dann muss das Land eben noch einmal zu den Urnen gehen. In Demokratien gibt es immer eine Alternative, man kann sie sogar wählen", betont DIE PRESSE AM SONNTAG aus Wien.
"Morgen wie ein neuer Tag sein", lesen wir in der französischen Zeitung OUEST- FRANCE: "Wie auch immer das Szenario aussieht, Frankreich wird ins Ungewisse stürzen. Der in der Geschichte beobachtete Reflex besteht darin, Schuldige zu benennen, um einfache Antworten auf schwierige Fragen zu haben. Bei den Wahlkampfversprechen stellen sich manche vor, dass eine radikale Option die Rettung sein könnte. Andere halten am Status-Quo fest. Nach den Versprechungen wird es Realitäten geben: den Klimawandel, die Schwierigkeiten des Alltags. Und was damit einhergeht, sind wichtige politische Entscheidungen. Es lauern Gefahren, etwa die Manipulation der Wahrheit, die Verleugnung der Realität und die Einschränkung der Gedankenfreiheit", mahnt OUEST-FRANCE aus Rennes.
Thema in der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN ist der künftige iranische Präsident Peseschkian, der die Stichwahl gewonnen hat: "In der iranischen Politik ist ein Präsident eher der Chef der Verwaltung, der oberste Führer Chamenei hat mehr Macht. Ob sich Peseschkian mit seinen Versprechen durchsetzen kann, ist daher fraglich. Allerdings: Was einen eher nicht namhaften Peseschkian zu einem Präsidenten machte, ist nichts anderes als die Bevölkerung, die eine Veränderung des Landes fordert. Diese Realität sollte man nicht ignorieren. Die Erzkonservativen haben die Konfrontation mit den USA und Europa nicht gescheut. In der Folge leidet die iranische Wirtschaft heftig unter den US-Sanktionen. Peseschkian sollte daher Gespräche mit Washington und Europa führen und versuchen, die Sanktionen wieder aufheben zu lassen. Der Westen wiederum sollte den Personalwechsel in Teheran als Chance verstehen. Es ist notwendig, dass die iranische Staatsführung den Wille der Bevölkerung ernst nimmt. Wenn die einflussreichen Erzkonservativen den neuen, reformorientierten Präsidenten bremsen würden, wäre es wohl kontraproduktiv", vermutet NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT aus Baku beobachtet: "Auch wenn der 'konservative' Flügel das Amt des Präsidenten in den eigenen Reihen behalten wollte, lag die Priorität der obersten Führung des Landes, die über das Schicksal der Islamischen Republik entscheidet, auf der Beteiligung der Bürger an den Wahlen. Sogar der Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei erklärte, dass die aktive Teilnahme der Bürger an den Wahlen am wichtigsten sei. Der Sieg von Masoud Peseschkian wird demnach zu einer Wiederbelebung der politischen Prozesse im Iran führen, die in den letzten Jahren aus der politischen Verwaltung verdrängten 'Reformer' werden in die Exekutive zurückkehren und sozusagen die Verantwortung für die Geschicke des Landes übernehmen. Der neu gewählte Präsident der Islamischen Republik steht vor der Aufgabe, sehr schwerwiegende Probleme zu lösen: Die Verbesserung der sozioökonomischen Situation, die Lockerung der Embargos und die Schaffung innenpolitischer Stabilität. Ein möglicher Wahlsieg des 'konservativen' Donald Trump in den USA könnte Peseschkians Aufgabe allerdings noch schwieriger machen. Bis zum Herbst bleibt nicht viel Zeit", schreibt MÜSAVAT.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG geht auf US-Präsident Biden ein, der an seiner Kandidatur für eine Wiederwahl festhält und verlangt, Biden müsse gehen: "Dass die Partei nicht rascher und stärker Druck auf ihn macht, hat vor allem damit zu tun, dass nicht klar ist, wer Biden ersetzen könnte. Die Partei ist zerstritten, das demokratische Establishment um die Clintons und Obamas oder eine Nancy Pelosi hat wenig gemein mit den jungen progressiven Vorstellungen einer Alexandria Ocasio-Cortez oder jenen eines unerbittlichen Bernie Sanders. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob der Kandidat nicht wieder eine Frau sein muss. Oder schwarz? Oder reicht braun? Biden hat es vor vier Jahren geschafft, die unterschiedlichen Fraktionen im Kampf gegen Donald Trump zu einen. Mit seinem 'Hey folks!' war er schon immer nah bei den gewöhnlichen Amerikanern, gleichzeitig respektierten ihn die Jungen genauso wie die moderaten Demokraten oder die schwarze Arbeiterschaft. Und das als weisser alter Mann. Welche Figur könnte dies im Jahr 2024 schaffen? Die streitbare Vize Kamala Harris? Der gelierte Kalifornier Gavin Newsom?", fragt die NZZ am Sonntag.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG äußert sich zu den Spitzen der Ampel-Parteien, die nach langen Verhandlungen Eckpunkte für den Bundeshauhalt 2025 vorgelgt haben: "Auch nach 80 Stunden intensiver Beratungen ist das magische Verhinderungsdreieck intakt geblieben: Die Sozialdemokraten blockieren Abstriche am Sozialetat, die Grünen an der klimapolitischen Transformation, die Liberalen an einer soliden Haushaltsführung. Das macht es unmöglich, gemeinsam Prioritäten und Nachrangigkeiten zu definieren und so den Haushalt kraftvoll auf die (nicht nur) geopolitische Zeitenwende einzustellen. Beispielhaft zeigt sich das im Verteidigungsetat, der nur mithilfe des schwindenden Sondervermögens über die von der NATO vorgegebene Zwei-Prozent-Marke gehievt wird. Gleichzeitig scheint noch immer genug Geld da zu sein, um den Sozialstaat auszubauen und das Kindergeld zu erhöhen. Findungsreich verschleiert die Koalition ihre inneren Widersprüche mit haushälterischen Tricks und drückt die eigentlichen Aufgaben der nächsten Regierung auf. Dass diese wohl nicht mehr von einem Kanzler Scholz geführt werden wird, wird fast nur noch von diesem selbst bezweifelt", vermerkt die F.A.S. zum Ende der Presseschau.