15. September 2024
Die Presseschau

Die Zeitungskommentatoren blicken unter anderem auf die Migrationspolitik der Bundesregierung, auf den russischen Krieg gegen die Ukraine und thematisieren das Verhältnis des Westens zu Kreml-Chef Putin.

Eine Polizeistreife in der Kölner Altstadt
Eine Polizeistreife in der Kölner Altstadt. (imago/ C. Hardt/Future Image)
Zunächst geht es aber um Rassismusvorwürfe gegen die Polizei, mit denen sich die Beamten immer wieder konfrontiert sehen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG schreibt dazu: "Bei einer Razzia im Frankfurter Bahnhofsviertel war es zufällig ein Mann mit heller Haut, der von den Beamten angesprochen und durchsucht wurde. Für die Polizisten war es in diesem Moment nicht wichtig, dass er ein 'Weißer' ist. Er hatte auf sie verdächtig gewirkt, das war das einzige Kriterium - und er war an diesem Tag nicht der einzige mit 'nicht dunkler Hautfarbe'. Und doch kann die Polizei offenbar noch so viele Personen unterschiedlichsten Aussehens ansprechen - der hellhäutige Tatverdächtige wird von jenem Teil der Gesellschaft, der sich 'Political Correctness' auf die Fahne geschrieben hat, kaum gesehen. Der dunkelhäutige dagegen umso mehr. Das, was hängenbleibt, ist der seit Jahren erhobene Vorwurf des Racial Profiling. Zu Deutsch: polizeiliche Handlungen, die allein auf rassistischen Motiven basieren. Das ist gefährlich. Nicht nur, weil damit suggeriert wird, man habe es mit einer pauschal rassistischen Polizei zu tun, die ihre Macht missbraucht. Sondern auch deshalb, weil damit jedes rechtsstaatliche Handeln infrage gestellt werden kann", gibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG zu bedenken.
Nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Messer-Attentat von Solingen debattiert die Bundesregierung mit den Ländern und der Union über eine Verschärfung des Asylrechts. Die Zeitung WELT AM SONNTAG bemerkt: "Deutschland hat in den vergangenen fast acht Jahrzehnten bewiesen, dass man ihm und seiner Bevölkerung trauen kann. Gerade deshalb kann es sich erlauben, zu der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik zu gelangen, die Dänemark und Schweden, Polen, Spanien und Griechenland betreiben, ohne dass Europa laut vom Bruch der Regeln und Werte spricht. Wieso darf Finnland jeden Flüchtling an seiner Grenze zu Russland abweisen und Berlin an seinen Außengrenzen nicht, sollte es sich dazu entschließen? Und keiner komme mit dem deutschen Asylrecht. Artikel 16a des Grundgesetzes ermöglicht es. Für alle, die es bezweifeln, hier das Original: 'Absatz 1: Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. Absatz 2: Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist'", zitiert die WELT AM SONNTAG.
Nun zum Krieg gegen die Ukraine. Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL plädiert in seiner Onlineausgabe für Verhandlungen mit den russischen Invasoren: "Wir müssen verbal abrüsten, und wir müssen verhandeln, immer wieder neue unmögliche Versuche unternehmen, das Schlachten zu beenden. Diplomatie wagen, am besten mit einer diplomatischeren Außenministerin. Diplomaten braucht man nicht, um sich mit Gleichgesinnten auf die Schulter zu klopfen. Es geht darum, mit schwierigen Gesprächspartnern, auch seinen Gegnern, zu reden, Vertrauen zu gewinnen. Russland wird bleiben, 'the russian way of life' wird bleiben, das russische Landungetüm wird immer in unserer Nähe drohen. Was machen wir damit? Bis auf Weiteres werden Leute wie Chodorkowski oder die Pussy Riots - Russen, die uns gefallen - keine Regierung bilden. Obwohl die Entspannungspolitik, für die sich die Kriegsgeneration, auch der Herausgeber des Spiegels, Rudolf Augstein, eingesetzt hat, vielen als Irrweg gilt, war sie keiner. Sie war der Ausweg. Es wird irgendwann wieder eine Entspannung und Annäherung geben müssen. Was denn sonst, wenn man die Sache nicht unter Einsatz des eigenen Lebens auf dem Schlachtfeld austragen will?", fragt DER SPIEGEL.
Die BILD AM SONNTAG führt aus: "Es ist das Horrorszenario, vor dem nicht nur die Ukraine, sondern auch das Auswärtige Amt in Berlin seit Monaten warnt. Sollte es Kremlchef Putin gelingen, alle relevanten Heizkraftwerke in der Ukraine zu zerstören, könnten sich im Winter zehn Millionen Menschen nach Westen aufmachen. Zwei Millionen, so Experten, könnten nach Deutschland flüchten. Ein Erfolg Putins wäre ein Super-GAU in doppelter Hinsicht: Die Rekordzahl an Kriegsflüchtlingen könnte Deutschlands eh schon überlastetes Sozialsystem aus den Fugen bringen. Und: Verliert die Ukraine, wären als Nächstes die baltischen Staaten und Polen bedroht, steht auch unsere Sicherheit auf dem Spiel. Doch wie ist das zu verhindern? Ganz einfach: Indem wir der Ukraine nicht nur die nötigen Waffen geben, sondern ihr auch erlauben, sich endlich wirksam gegen Russlands Raketen- und Bombenterror zu verteidigen. Dafür braucht die Ukraine die Erlaubnis, russische Bomber bereits zu zerstören, bevor sie ihre tödliche Last abfeuern. Nämlich mit Attacken auf Militärstützpunkte in ganz Russland", fordert die BILD AM SONNTAG.
"Die ewige Angst des Westens vor Putin ist fatal", titelt die NZZ AM SONNTAG aus der Schweiz und erläutert: "Europas Atlantikküste ist Russlands neues Ziel, so hat man diese Woche in einer der Propaganda-Shows im russischen TV gelernt. Der Atlantik als 'ideale Barriere', tönte es, 'der perfekte Ort für unsere Truppen – Berlin, Lissabon, Madrid'. Diese militärischen Phantasien sollen nicht nur das Gehirn des russischen Fernsehzuschauers vernebeln, sondern auch der Öffentlichkeit in Europa Angst machen. Denn wieder einmal geht es um rote Linien in Russlands Krieg gegen die Ukraine, um westliche Waffen, die ukrainische Soldaten nicht bekommen dürfen. Es ist das alte Lied. In Berlin fabuliert man lieber über Friedenskonferenzen, statt Marschflugkörper zu liefern. In Washington sorgt man sich über Putins Zorn und erlaubt nicht, mit amerikanischen Raketen militärische Ziele auf russischem Gebiet anzugreifen. Kiew wird die Genehmigung am Ende doch erhalten – es wird wie immer zu spät und zu wenig sein", meint die NZZ AM SONNTAG.
Die spanische Zeitung ABC sieht es so: "US-Präsident Biden und Großbritanniens Premier Starmer dürfen auf gar keinen Fall vor Putin einknicken. Vielmehr müssen sie der Ukraine erlauben, Waffen aus US-amerikanischer und britischer Produktion mit großer Reichweite auch gegen Ziele in Russland einzusetzen. Der Autokrat aus dem Kreml bezeichnet einen solchen Fall als Kriegseintritt der NATO. Das hat dazu geführt, dass London und Washington ihre Entscheidung erst einmal vertagt haben. Es ist aber nicht das erste Mal, dass Putin eine apokalyptische Rhetorik anschlägt, um einzuschüchtern - oft verbindet er seine Drohungen auch mit einem Verweis auf das russische Atomarsenal. Diese rote Linie hat er bislang nicht überschritten. Auf jeden Fall muss klar sein, dass die Ukraine von ihren westlichen Partnern die Zusicherung erhält, dass sie sich gegen die russische Aggression verteidigen darf. Das Getöse aus dem Kreml sollte deshalb lieber ungehört verhallen", empfiehlt ABC aus Madrid.
Nun noch eine Stimme zu den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA. Die türkische Zeitung YENI ŞAFAK notiert: "Es sind nur noch etwa fünfzig Tage bis zur Entscheidung. Sowohl Donald Trump, der republikanische Präsidentschaftskandidat, als auch die demokratische Anwärterin Kamala Harris gehen interessante und beunruhigende Allianzen ein, um die Unterstützung der 'unentschlossenen' Wähler zu erhalten. Da beide Bewerber die eigentliche Schlacht in den sogenannten Swing States gewinnen müssen, können schon sehr kleine Stimmenverschiebungen das Blatt wenden. Seit geraumer Zeit werden in den USA die Wahlen durch ein paar tausend Stimmen in den Swing States entschieden. Diese spielen die entscheidende Rolle für das 535-köpfige 'Electoral College', das schließlich den US-Präsidenten wählt", erinnert zum Ende der Presseschau am Sonntag YENI ŞAFAK aus Istanbul.