06. Oktober 2024
Die Presseschau

Kommentiert werden die geplanten zusätzlichen Zölle der EU auf chinesische Elektroautos und das deutsche Abstimmungsverhalten. Zunächst geht es aber um den Terrorangriff der Hamas auf Israel, der sich morgen zum ersten Mal jährt.

Bei einer Gedenkveranstaltung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft für die Opfer des Hamas-Angriffs auf Israel am 7. Oktober leuchten vor dem Brandenburger Tor Kerzen in Form eines David-Sterns und des Datums des Angriffs.
Thema in vielen Zeitungskommentaren: Der erste Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel. (picture alliance / dpa / Christophe Gateau)
Der britische OBSERVER spricht von einem düsteren Meilenstein der Weltgeschichte: "Am 7. Oktober 2023 wurden mehr als 1.200 Menschen getötet und etwa 250 Geiseln genommen. Es ist ein Moment, um an jene Israelis zu erinnern, die brutal gefoltert, sexuell missbraucht und ermordet wurden. Es ist ein Moment, um an das unvorstellbare Leid der Angehörigen zu erinnern. Der Jahrestag ist aber auch eine Gelegenheit, die Reaktion der israelischen Regierung auf das Massaker zu untersuchen. Bei der Invasion der israelischen Armee im Gazastreifen sind fast 42.000 Palästinenser getötet worden, darunter mindestens 16.000 Kinder. Und dennoch wurde die Hamas noch immer nicht vernichtet", notiert der OBSERVER aus London.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG kommt zu einer ähnlichen Bewertung: "Militärisch hat Israel der Hamas in dem Küstenstreifen stark zugesetzt, besiegt ist sie aber noch lange nicht. Und sie hat neue Strategien entwickelt: Fast gleichzeitig mit dem Raketenangriff aus Teheran wurden in der vergangenen Woche acht Israelis bei einem Terroranschlag in Tel Aviv getötet. Der Aufruf der Islamistenorganisation an ihre Anhänger, in Zukunft wieder stärker auf Attentate zu setzen, scheint Früchte zu tragen. Auf israelischer Seite stehen derweil selbst ehemals friedensbewegte Menschen den Palästinensern feindselig gegenüber. Immer weniger Gehör finden angesichts der dramatischen Großlage die Stimmen der israelischen Geiselangehörigen, die noch immer für die Rückkehr ihrer Geliebten aus den Händen der Hamas in Gaza kämpfen." Wir zitierten die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
In der philippinischen Zeitung THE FREEMAN lesen wir: "Israel tut jetzt etwas, das schon viele Nationen zu Fall gebracht hat: Es führt einen Krieg an mehreren Fronten gleichzeitig. Neben dem Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen und im Westjordanland ist das Land jetzt auch mit dem Iran und der Hisbollah im Libanon in einen militärischen Konflikt verwickelt. Mit jedem Land, das Israel offen angreift, riskiert es, andere Länder und sogar die gesamte Region in einen umfassenden Krieg zu ziehen. Wenn wir etwas aus der Geschichte gelernt haben, dann, dass ein Krieg, der lange genug geführt wird, dazu neigt, sich auszubreiten", vermerkt THE FREEMAN aus Cebu auf den Philippinen.
Die spanische Zeitung ABC sieht Israel ein Jahr nach dem Terrorangriff gestärkt: "Geheimdienst und Militär haben ihre verlorene Glaubwürdigkeit zurückgewonnen, und Israel hat politisch und militärisch die Initiative zurückgewonnen. Die Erfolge im Kampf gegen die Hisbollah haben die Proteste der Angehörigen der Geiseln verstummen lassen und den Krieg in Gaza aus den internationalen Schlagzeilen verdrängt. Noch vor einem Jahr sah sich Israel einer existenziellen Gefahr ausgesetzt – während es heute praktisch in der Lage ist, seine Hauptfeinde in der Region zu neutralisieren“, heißt es in der Zeitung ABC aus Madrid.
Die WASHINGTON POST sieht es ähnlich: "Israel hat im vergangenen Jahr wieder Tritt gefasst, indem es einen unerbittlichen Vergeltungsfeldzug für das Grauen und die Schande vom 7. Oktober führte. Währenddessen hat sich die Biden-Regierung eifrig, aber erstaunlich erfolglos um Frieden bemüht." Weiter heißt es in der Zeitung: "Das vielleicht traurigste Vermächtnis dieses Krieges wird sein, dass er sich so leicht wiederholen könnte. Dazu muss man nur in die verhärteten Gesichter von Israelis, Palästinensern und Libanesen blicken."
"Der Gaza-Konflikt zeigt die zunehmende Machtlosigkeit Amerikas", findet die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio: "Ihr außenpolitisches Kapital, über Jahrzehnte hinweg aufgebaut, wurde innerhalb eines Jahres zerstört. Eine Friedenslösung im Nahen Osten ist nicht mehr in Sicht, auch die Verhandlungen über diplomatische Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel sind quasi auf Eis gelegt."
Die panarabische Zeitung AL ARABY AL-JADEED blickt auf die Lage im Libanon: "Die Regionen im Süden werden in bevölkerungslose Gebiete umgewandelt, denen eine umfassende Zerstörung droht. Hunderttausende Vertriebene irren durch den Libanon. Derweil ist die libanesische Armee so geschwächt, dass sie nicht mehr in der Lage ist, die innere Sicherheit aufrechtzuerhalten. In dieser Situation denken viele Libanesen darüber nach, wie sich das Land vor dem Einfluss des Iran schützen lässt - auch, wenn viele nicht wagen, das laut zu sagen", meint AL ARABY AL-JADEED, die in London erscheint.
Die LÜBECKER NACHRICHTEN kritisieren die pro-palästinensischen Demonstrationen in mehreren Städten in Deutschland an diesem Wochenende: "Wenn träumen erlaubt wäre in dieser Zeit der Gewalt, dann könnte man sich Bilder erschaffen von Nahost-Demonstrationen, auf denen die Freilassung aller Geiseln gefordert würde, die die Hamas am 7. Oktober 2023 aus Israel verschleppt hat. Auf denen Menschen aller Glaubensrichtungen und Hintergründe ein Ende des Terrors und der Eskalationsspirale forderten, ein Ende des Leids und ein Ende derjenigen, die wie die Hamas-Bosse Millionen scheffeln und sich auf Kosten der Zivilbevölkerung bereichern. Aber diese Demonstrationen gibt es nicht. Stattdessen gibt es seit einem Jahr eine Radikalisierung und einen Schulterschluss islamistischer und linksextremistischer Gruppen", betonen die LÜBECKER NACHRICHTEN.
Themenwechsel. Die EU-Staaten haben gegen das Votum Deutschlands für Zusatzzölle auf chinesische Elektroautos gestimmt. Die WELT AM SONNTAG blickt auf den Bundeskanzler: "Scholz hat mit seiner Richtlinienkompetenz in der Koalition ein Nein in dieser für die deutschen Autobauer wichtigen Frage durchgesetzt – gegen die Grünen und ihren Wirtschaftsminister Robert Habeck, der eine Enthaltung wollte. Der Wahlkampf 2025 also läuft, und Scholz möchte Zeichen setzen. Nach innen signalisiert er den Arbeitnehmern: Ich kümmere mich um eure Sorgen – anders als Habeck. Den Wählern wiederum, so das Kalkül, zeigt er, dass er führen kann. Nach außen aber ist seine Entscheidung ein Eingeständnis der Schwäche. Die wichtigste Wirtschaftsmacht der Europäischen Union hat Angst vor Vergeltung, weil sie eben längst nicht mehr so stark ist, als dass sie sich mit Präsident Xi Jinping anlegen könnte. Auch das ist ein Zeichen", folgert die WELT AM SONNTAG.
"Dass die EU eine Notwendigkeit für Schutzzölle sieht, ist verständlich", führt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus: "Peking greift seinen E-Auto-Herstellern massiv unter die Arme, damit diese die Weltmärkte erobern können. In der Vergangenheit hat China auf diese Weise bereits die europäische Solarbranche plattgemacht. Doch leider sind diese Zölle zwiespältig: Sie schaden den Konsumenten und den Klimazielen des alten Kontinents. Und signalisieren, dass die einst so stolze europäische Autoindustrie jetzt unter staatlichen Schutz gestellt werden muss", urteilt die Schweizer NZZ.
Der britische SUNDAY TELEGRAPH malt mit Blick auf die Wirtschaftspolitik der EU ein düsteres Bild: "Europa hat im globalen Wettlauf um Anpassung und Innovation versagt. Bei der digitalen Technologie und bei der KI liegt die EU weit hinter den USA zurück. Von China wurde sie in Kernindustrien wie Elektroautos überholt, während das Ende des billigen russischen Gases europäische Unternehmen dazu zwingt, Fabriken zu schließen, die Produktion auszulagern und Arbeitsplätze zu exportieren. Wenn Frankreichs Präsident Macron und seine Amtskollegen nun glauben, dass Brüssel sich hinter Zollmauern verstecken und noch dirigistischer werden sollte, dann liegt die Europäische Union wirklich im Sterben", urteilt der SUNDAY TELEGRAPH aus London. Mit dieser Stimme endet die Presseschau. Die Redaktion hatte Florian BarzSprecher/in war: