03. November 2024
Die Presseschau

Mit Stimmen zur Wahl in den Vereinigten Staaten und zum Zustand der Regierungskoalition in Deutschland.

Rote Trump Basecap und blaue Kamala Harris Kappe liegen nebeneinander.
In den USA wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Präsidentenwahl erwartet. (picture alliance / Wolfgang Maria Weber / Wolfgang Maria Weber)
Die schweizerische NZZ AM SONNTAG geht der Frage nach, warum der frühere US-Präsident Trump gute Chancen hat, erneut ins Amt zu kommen: "Trump schlug alle seine innerparteilichen Konkurrenten, weil er immer auf seine Wählerbasis zählen konnte, die ihm bis heute treu ergeben ist. Und diese Wählerbasis konnte er im Rennen gegen Harris ausweiten. Es sind jene einfachen Leute, die in den letzten Jahren unter der Inflation gelitten haben. Jene Leute, die nicht verstehen, weshalb immer mehr Migranten ins Land strömen und ihre eigene prekäre Situation noch prekärer machen. Jene Leute, die keine Milliarden in fremde Kriege stecken möchten, die man – einmal mehr – nicht gewinnen kann. In ihrer Wahrnehmung gab es zudem unter Trump keine Inflation, es gab keinen Krieg, und Trump schützte das Land mit einer Mauer. Amerikaner scheinen sich in diesen unsicheren Zeiten nach einem Mann zu sehnen, der ihre Probleme lösen kann. Trump trauen sie das zu. Alles andere ist für sie zweitrangig. Auch die Demokratie", bemerkt die NZZ AM SONNTAG.
Auch die österreichische PRESSE AM SONNTAG findet es - Zitat: "... erklärungsbedürftig, wie Trump einem Wiedereinzug ins Weiße Haus überhaupt so nah kommen konnte. Der Mann hat seine mangelnde charakterliche Eignung bereits in seiner ersten Amtszeit verstörend unter Beweis gestellt. Kamala Harris, die kurzfristig für ihren altersschwachen Chef eingesprungen ist, hat es verabsäumt, eine neue Vision für das Land darzulegen. Sie hat einen reinen Anti-Trump-Wahlkampf geführt und selbst dabei nicht Linie gehalten: Erst versuchten die US-Demokraten in neuer Leichtigkeit, den Ex-Präsidenten der Lächerlichkeit preiszugeben und ihn als 'seltsam' zu punzieren, am Ende warnten sie dann doch wieder todernst vor dem 'Faschisten' Trump. Es gelang ihnen auch nicht, die zuletzt guten Wirtschaftsdaten in den Vordergrund zu rücken. Viele haben das Gefühl, dass es ihnen vor vier Jahren unter Trump besser gegangen ist", betont DIE PRESSE AM SONNTAG aus Wien.
Die NEW YORK TIMES analysiert: "Trump hat sich die weit verbreitete Desillusionierung zunutze gemacht, die sich zu einem Zynismus gegenüber einer herrschenden Klasse entwickelt hat. Die Amerikaner haben sich seit den 60er Jahren immer wieder im Stich gelassen gefühlt, mit Kriegen, die man nicht hätte führen sollen, mit Bankenskandalen, die zugelassen wurden, und mit Handelsabkommen, die Produktionsstandorte aushöhlten. Viele Amerikaner fühlten sich im Stich gelassen, von den Republikanern getäuscht und von den Demokraten verachtet. All diese Verwerfungen wurden durch die Algorithmen der sozialen Medien noch verschärft, die Wut, Empörung, Ressentiments, Verschwörungsgeschichten und Lügen schürten. Donald Trump ist ein menschlicher Algorithmus, der die Feindschaft immer weiter anheizt. Er nutzt all die Dinge aus, die im Leben der Menschen Angst auslösen", fasst die NEW YORK TIMES zusammen.
Die türkische Zeitung KARAR kommentiert: "Wenn Trump die Wahl gewinnt, wird natürlich kein 'Nazismus' wie bei Hitler oder ein 'Faschismus' wie bei Mussolini über die USA kommen - genauso wenig wie ein 'Kommunismus' wie in der Sowjetunion, wenn Harris gewinnt. Wenn Harris verliert, dann als Reaktion auf die pro-israelische Politik der US-Regierung im Gazakonflikt. Muslime, die in den sogenannten 'Swing States' leben, wo Wahlmännerstimmen wichtig sind, wählen bei jeder Wahl die Demokraten, aber bei dieser Wahl wahrscheinlich nicht. Selbst wenn Harris, landesweit mehr Stimmen als ihr Herausforderer erhält, könnte sie die Wahl allein aus diesem Grund verlieren", vermutet KARAR aus Istanbul.
Die südafrikanische SUNDAY TIMES geht der Frage nach, was der Ausgang der US-Wahl für das eigene Land bedeutet: "Südafrika hat mit Russland geflirtet und die Amerikaner verärgert, indem es Israel wegen Völkermordes vor den Internationalen Gerichtshof gebracht hat. Das könnte zu Problemen mit einer Trump-Regierung führen. Wer auch immer in den USA den Sieg davonträgt, Südafrika wird sein bestes diplomatisches Geschick aufbieten müssen. Ziel muss eine Beziehung zu Amerika sein, die uns als Entwicklungsland, das ein wichtiger Partner der USA in Afrika ist, zugute kommt. Gleichzeitig müssen wir für die Länder des Globalen Südens glaubwürdig bleiben. Wir sollten in der Lage sein, unseren Standpunkt zu vertreten und unsere Prinzipien zu schützen. Wobei wir uns bewusst sein müssen, dass wir uns möglicherweise mit Umständen auseinandersetzen müssen, die nicht immer nach unserem Geschmack sind", unterstreicht die SUNDAY TIMES aus Johannesburg.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG beschäftigt sich mit den Meinungsumfragen vor der Wahl: "Mit nervöser Ungeduld wartet die Welt auf den Wahltag in den USA und vertreibt sich die Zeit mit: Umfragen, Umfragen, Umfragen. Jeden Tag ein neuer Wasserstand: Mal liegt Trump einen Millimeter weiter vorn, mal Harris. Jede dieser Wasserstandsmeldungen wird zelebriert, als handele es sich schon um das Wahlergebnis. In großen Lettern wird der neueste Trend auf Titelseiten verkündet, über Pushmitteilungen in die Welt geschickt, von Fernsehmoderatoren verlesen wie die heilige Messe - ohne dass irgendwer je auf die beträchtliche Fehlermarge hinweist. Was bringt das? Was nützt all die aufgeregte Zahlenakrobatik, wenn am Ende sowieso nur feststeht, dass nichts feststeht? Verdunkelt der Zahlennebel vielleicht sogar den Blick? Bestenfalls unterhält die ständige Selbstbespiegelung, schlimmstenfalls entpolitisiert sie ganze Teile der Gesellschaft, die sich entnervt vom Meinungsprognosezirkus abwenden. Und spätestens dann, wenn die Demoskopen völlig falsch liegen, ist der Schock groß." Das war die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
Thema im TAGESSPIEGEL AM SONNTAG ist das Papier zur Wirtschaftspolitik von FDP-Chef Lindner: "Dieses Papier kann als Scheidungspapier gelesen werden. Es finden sich fast keine Punkte darin, bei denen eine Einigung der Koalitionäre vorstellbar ist – und schon gar keine schnelle. Höflich formuliert: Es ist für jeden eine ordentliche politische Stinkbombe dabei. Nicht alles, was in Lindners Papier steht, ist deshalb gleich falsch. Im Gegenteil: Die Frage, ob der Staat seine begrenzten Mittel richtig einsetzt, ist absolut nachvollziehbar. Nur geht es hier längst nicht mehr um Inhalte. Es geht einzig und allein um die Frage: Wer kommt einigermaßen schadenfrei aus der Ampel raus. Alle drei Parteien stehen in den Umfragen schlecht da, aber für die FDP mit ihren derzeit vier Prozent ist die Frage nach dem Ampel-Exit geradezu existenziell. Lindner sucht den Notausgang", stellt der TAGESSPIEGEL AM SONNTAG fest.
Die WELT AM SONNTAG meint: "Stabilität in der Politik ist nicht immer ein Wert an sich, in diesen Zeiten schon. Trotzdem sollte Olaf Scholz seine Ampelkoalition beenden – egal auf welche Weise. Denn diese Regierung ist selbst zum Unsicherheitsfaktor geworden. Die drei gemeinsam regierenden Parteien reden mittlerweile schlechter übereinander und über die gemeinsame Regierung, als es Opposition und politische Beobachter tun. Auch das ist mehr als eine Stilfrage. Denn hier teilen Parteien der politischen Mitte dem Bürger unentwegt mit, dass sie die Probleme nicht lösen können. Der historisch beispiellos schlechte Ruf der Ampel beginnt überzuschwappen auf die Mitbewerber in der demokratischen Mitte, ja auf die Mitte als solche und letztlich auch auf unsere demokratische Staatsform. Das aber ist brandgefährlich. Mit AfD und BSW weiden sich Bauernfänger und politische Giftmischer schon jetzt daran, dass die Lage schlecht ist und die Stimmung noch schlechter."