22. Dezember 2024
Die Presseschau

Beherrschendes Thema ist der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Ferner geht es um den vorerst beigelegten Haushaltsstreit in den USA.

Das Bild zeigt zwei Rettungskräfte, die den Tatort am Magdeburger Weihnachtsmarkt begehen.
Rettungskräfte begehen den abgesperrten Weihnachtsmarkt in Magdeburg. (AFP / JOHN MACDOUGALL)
"Das Massaker von Magdeburg ist furchtbar", schreibt die türkische Zeitung CUMHURIYET: "Ein 50-jähriger Arzt aus Saudi-Arabien rast mit seinem Auto in einen Weihnachtsmarkt und tötet viele Menschen, Kinder und Jugendliche. Man fühlt sich hilflos angesichts dieser neuen Brutalität. Der Anschlag kommt zu einem denkbar kritischen Zeitpunkt für Europa: In zwei Monaten wird in Deutschland gewählt und die rechtsextreme AfD ist auf einem unaufhaltsamen Höhenflug. Sie ist die zweitstärkste Partei hinter der CDU/CSU. In Magdeburg will die AfD stärkste Partei werden. Unterstützung bekommt sie auch von Elon Musk, der Trump zum Wahlsieg verholfen hat. Musk schrieb vor dem Anschlag auf X, nur die AfD könne Deutschland retten. Der Status quo in Europa bricht zusammen. Und in Deutschland steht eine Wahl an, die nicht nur über das Schicksal Deutschlands, sondern des alten Kontinents entscheiden wird. 2025 könnte ein viel schlimmeres Jahr werden als 2024", mutmaßt CUMHURIYET aus Istanbul.
Der Kommentator der LÜBECKER NACHRICHTEN warnt vor voreiligen Schlüssen, fordert aber auch, Konsequenzen aus dem Anschlag zu ziehen: "Wir wissen noch zu wenig über den Schrecken von Magdeburg, um fertige Urteile zu fällen. Er liefert aber Anhaltspunkte, was getan werden muss - über die Arbeit von Sicherheitsbehörden und die Frage, was sie wann etwa von saudi-arabischen Kollegen wussten, hinaus. Wer Extremismus vorbeugen will, der muss für Integration sorgen. Dazu kann gehören, Migration da zu begrenzen, wo Integration nicht mehr gelingen kann. Er muss ferner der Polarisierung entgegenwirken. Nur dann besteht eine Chance, dass der Schrecken abnimmt", heißt es in den LÜBECKER NACHRICHTEN.
Der TAGESSPIEGEL AM SONNTAG beschäftigt sich mit möglichen Versäumnissen der Sicherheitsbehörden und den Auswirkungen des Anschlags auf den kommenden Wahlkampf: "Zu klären ist, warum der Mann den Sicherheitsbehörden durchs Raster gerutscht ist. Es soll Warnungen vor einer unmittelbar bevorstehenden Tat gegeben haben. Klar ist aber: Dieser Anschlag hätte auch durch die jetzt leichter mögliche Abschiebung ausländischer Straftäter nicht verhindert werden können. Wer in einer solchen Lage einfache Lösungen propagiert, offenbart die eigene Unfähigkeit zu ernsthafter Politik. Gleichwohl ist die Versuchung groß, mitten im Wahlkampf. Größe zeigt deshalb, wer hier widersteht, wer zusammenführen kann, statt weiter zu spalten. Für den Moment und die nächsten Tage sollte deshalb statt Wahlkampf die Weihnachtsbotschaft im Mittelpunkt stehen. Mitmenschlichkeit zeigt man mit Trauer und Trost, nicht mit Hass und ohnmächtiger Wut", meint der TAGESSPIEGEL AM SONNTAG aus Berlin.
Die BILD AM SONNTAG greift in ihrem Kommentar die vielen offenen Fragen auf, die jetzt beantwortet werden müssten: "Warum haben unsere Polizei und Geheimdienste nichts unternommen, obwohl sie den Saudi auf dem Radar hatten, obwohl er bereits 2013 wegen der Androhung von Straftaten verurteilt worden sein soll? Warum bekam so einer im Jahr 2016 überhaupt Asyl bei uns? Und warum wurden die Hinweise aus Saudi-Arabien offenbar ignoriert? Nach der Bundestagswahl braucht Deutschland nicht nur eine Wirtschaftswende. Genauso wichtig ist eine Wende in der inneren Sicherheit. Es muss Schluss sein damit, dass deutsche Behörden in aller Regel nur dann rechtzeitig von Anschlagsplänen etwas erfahren, wenn ausländische Dienste sie warnen. Unsere Justiz, Polizei und Geheimdienste müssen endlich alle Mittel an die Hand bekommen, um uns vor Terroristen und geistig verwirrten Attentätern bestmöglich aus eigener Kraft schützen zu können. Ein Staat, der dabei versagt, verliert den Respekt seiner Bürger", mahnt die BILD AM SONNTAG.
Auch die österreichische Zeitung "PRESSE AM SONNTAG" beschäftigt sich mit dem Anschlag von Magdeburg und lobt die aus ihrer Sicht besonnene Reaktion der deutschen Gesellschaft auf die Tat. Sie schreibt: "Deutschland steht unter Schock. Die Tat wühlt das ganze Land auf, reißt das Trauma vom Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz vor acht Jahren auf. Wieder raste ein Mann mit einem Fahrzeug durch einen Weihnachtsmarkt. Und wieder sind zahlreiche Todesopfer zu betrauern, Menschen, die sich auf das Fest des Friedens einstimmen wollten. Das Land reagierte beeindruckend auf die Schreckensnachricht aus Magdeburg so knapp vor Weihnachten – empathisch, besonnen und würdevoll, sogar auf dem Fußballplatz. Dieser Gemeinsinn und dieses wohltemperierte Gefühl für den richtigen Ton zeichnet Deutschland in solchen Situationen aus", meint die "PRESSE AM SONNTAG" aus Wien.
Der Kommentator der britischen Zeitung SUNDAY MIRROR warnt vor einer Instrumentalisierung der Trauer und schreibt: "Wir sollten uns vor Menschen hüten, die versuchen, Tragödien für ihre eigenen politischen Ziele auszunutzen. Ihre Bemühungen, die Trauer und das Entsetzen zu missbrauchen und in Hass gegen ganze Gruppen umzuwandeln, sind eine Beleidigung für alle, die ernsthaft um die Opfer trauern. Wir können wenig tun, um das Leid der Hinterbliebenen des Anschlags vom Freitag zu lindern. Aber wenn wir an einem Strang ziehen, können wir sicherstellen, dass wir das Andenken an die Toten ehren - und vermeiden, dass weiter gespalten und Hass geschürt wird", prophezeit der SUNDAY MIRROR aus London.
Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf greift die umfangreichen Aktivitäten des mutmaßlichen Täters in den sozialen Netzwerken auf: "Wenn es eine Lehre aus der Tragödie von Magdeburg gibt, dann diese: Polarisierung tötet. Ihr entgegenzuwirken kann nicht nur Aufgabe des ohnehin schon überbeanspruchten Staates sein. Auch Onlineplattformen, auf denen sich der Radikalisierungsprozess vollzieht, stehen in der Verantwortung. Aus wirren Verschwörungstheorien kann schnell blutiger Ernst werden, immer wieder hat sich das in den vergangenen Jahren gezeigt", warnt das HANDELSBLATT.
Themenwechsel: Die WASHINGTON POST beschäftigt sich mit dem beigelegten Haushaltsstreit in den USA und greift dabei die Einflussnahme durch Donald Trump und dessen Berater Elon Musk auf. Sie schreibt: "Die Aufgabe der Unterhändler wurde dadurch erschwert, dass die Forderungen von Trump und Musk, dem Vertrauten des designierten Präsidenten, der die Regierung effizienter machen soll, gegensätzlich zu sein schienen. Musk bezeichnete den Übergangshaushalt als kriminell und forderte, die Regierungsgeschäfte bis zu Trumps Amtseinführung zu pausieren. Später meldete sich Trump zu Wort. Er kritisierte einige der Ausgaben, stellte aber auch noch eine ganz andere Forderung: Der Kongress solle das Schuldenlimit anheben oder ganz aufheben. Beide Forderungen hätten schon vor Wochen gestellt werden müssen - nicht kurz vor der Weihnachtspause der Regierung. Wenn Trump den Amerikanern versichern will, dass seine zweite Amtszeit weniger chaotisch sein wird als die erste, war dies nicht der richtige Weg. Wenn überhaupt, dann hat die Hinzunahme von Herrn Musk die Dinge nur noch unberechenbarer gemacht", heißt es in der WASHINGTON POST.
Auch die spanische Zeitung EL PAIS beschäftigt sich mit den geäußerten Forderungen Musks: "Jetzt ist der Moment gekommen, um über den Einfluss nachzudenken, den diese Figur in den kommenden Jahren auf Washington haben wird. Trump hat ihn mit der Leitung einer inoffiziellen Berateragentur beauftragt, die der Regierung Kürzungen empfiehlt. Natürlich ist Musk mit dieser Rolle nicht zufrieden. Ein Mann mit verworrener anarcho-libertärer Ideologie, der rechtsextreme Positionen vertritt, scheint zu glauben, dass er sich das Recht zum Regieren erkauft hat. Wie sich die Beziehung zwischen Trump und Musk entwickeln wird, ist nicht bekannt, aber in der Zwischenzeit müssen die Kongressabgeordneten dem Geschäftsmann Grenzen setzen. Die Demokratie kann nicht anhand seiner Befehle auf X funktionieren". Das war zum Abschluss der Presseschau EL PAIS aus Madrid.