05. Januar 2025
Die Presseschau

Zunächst der Blick nach Österreich. Nach dem Rückzug der Neos aus den Koalitionsverhandlungen sind auch die Gespräche zwischen ÖVP und SPÖ gescheitert. Bundeskanzler Nehammer hat seinen Rücktritt angekündigt. Die österreichische Zeitung PRESSE AM SONNTAG zeigt sich fassungslos:

Der österreichische Bundeskanzler und ÖVP-Vorsitzende Karl Nehammer soll weiter versuchen, eine Regierung zu bilden. Die liberalen Neos sind aus den Koalitionsverhandlungen ausgestiegen.
Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (picture alliance / NurPhoto / Jonathan Raa)
"Es ist Sonntagmorgen. Und es steht einem immer noch der Mund offen. Weniger wegen des Ausstiegs der Neos aus den Regierungsverhandlungen. Der kam vielleicht zu spät und ein wenig zu lindnerisch daher, ist aber inhaltlich absolut gedeckt. Der Mund bleibt vor allem aber sperrangelweit offen wegen der Reaktionen von ÖVP, SPÖ und auch des Bundespräsidenten auf diese für innenpolitische Verhältnisse doch recht dramatischen Entwicklungen. Einfach weitermachen. Als wäre nichts geschehen. Dann eben ohne die Neos. Obwohl Alexander Van der Bellen stets eine 'stabile' Mehrheit zum Maß aller Dinge erklärt hat und seine Entscheidungen seit dem Wahltag im Kern damit argumentiert hat. Wer trägt die personelle Verantwortung für dieses krachende Scheitern? Die Neos haben die Koalitionsverhandlungen mit dem Hinweis auf die Positionen der SPÖ in Sachen Budget, Pensionen und EU-Defizitverfahren abgebrochen. Karl Nehammer ist mit dem Versprechen keine neuen Steuern, Strukturreformen, die den Wirtschaftsstandort stärken, Sanierung der Staatsfinanzen in die Wahl gegangen", erinnert die PRESSE AM SONNTAG aus Wien.
Der österreichische STANDARD kommentiert in seiner Online-Ausgabe: "ÖVP und SPÖ haben das Projekt einer Erneuerung des Landes in den Sand gesetzt. Sie haben es nicht geschafft, diesem Land und seinen Leuten eine Perspektive für die Zukunft zu geben, einen Weg vorzuzeigen, wie es, ohne gröbere Wohlstandsverluste und soziale Verwerfungen, künftig weitergehen kann. Man hat so lange miteinander gerungen, dass am Ende alle bewegungsunfähig waren. Wie auch immer diese politischen Chaostage enden. SPÖ und ÖVP werden hart an sich arbeiten müssen, wenn sie in künftigen Wahlauseinandersetzungen und in Bundesregierungen weiter eine tragende Rolle spielen wollen. Für die SPÖ heißt das nicht, soziale Verantwortung aufzugeben, es heißt, die eigenen traditionellen Grundsätze einzubringen in völlig veränderte gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Unkonventionell denken, nicht nur für Stammwähler Politik machen. Für die ÖVP heißt das, die Verantwortung für das Budgetdesaster zu übernehmen und zu einer modernen Standortpolitik zu finden, die nicht nur die Wünsche der eigenen Klientel erfüllt. Sich als Volkspartei weiterhin zu behaupten - und rechtspopulistischen Verführungen nicht nachzugeben. Leicht wird das für beide Parteien nicht. Aber es ist alternativlos", findet DER STANDARD aus Wien.
Bislang lehnen alle Parteien ein Bündnis mit der rechtspopulistischen FPÖ ab, die stärkste Kraft im Parlament. Die österreichische KRONEN-ZEITUNG hält fest: "Alles ist ihnen recht im Kampf gegen die FPÖ und Herbert Kickl. Die Wahl der Mittel in der großen Abwehrschlacht – egal. Wenige kämpfen mit dem Florett, einige mit großen, aber unscharfen Kanonen, die meisten, wie man dieser Tage klarer denn je vor Augen geführt bekommt, mit stumpfen Waffen. Sie mögen teils hehre, teils persönliche Ziele verfolgen. Faktum ist: Sie schaffen es mit ihren stumpfen Waffen und ihrer Unfähigkeit, diese einzusetzen, nicht, den blauen Erfolgslauf zu stoppen. Im Gegenteil. Sie bremsen ihn nicht nur nicht, sie beschleunigen den blauen Turbo noch", zeigt sich die KRONEN-ZEITUNG aus Wien überzeugt.
In Frankreich amtiert mit dem neuen Regierungschef Bayrou erneut eine Minderheitsregierung. Die schweizerische NZZ AM SONNTAG fragt sich, ob Bayrou - wie sein Vorgänger Barnier - vom Parlament gestürzt wird: "Weder große Namen noch Rhetorik lösen jetzt Frankreichs Probleme. Bayrous erste Aufgabe ist es, einen Sparhaushalt durch das Parlament zu bringen, mit dem die Konsolidierung der Staatsfinanzen begonnen werden könnte. Daran ist schon Barnier gescheitert. 5,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes als Defizit sind sein bescheidenes Ziel – drei Prozent sind einem Staat der Eurozone eigentlich nur erlaubt. Bayrou will mit allen Parteien sprechen, alle um Zugeständnisse bitten, er nennt das die 'méthode Bayrou'. Doch in einem Parlament ohne Mehrheiten sind es die Parteien und Abgeordneten, die eine Bringschuld haben, nicht der unglückselige Regierungschef. Sie müssen sich zusammenraufen, andernfalls versinkt das Land im Chaos", warnt die NZZ AM SONNTAG aus Zürich.
Nun nach Deutschland. Auch hierzulande haben SPD und Grüne keine Mehrheit für ihre Regierung. Im Februar wählen die Bürger ein neues Parlament. Die Zeitung WELT AM SONNTAG mahnt Reformen an und gibt zugleich zu bedenken: "Wer die AfD im Irrglauben wählt, mithilfe ihres Sieges das Steuer herumreißen zu können, der schwächt nur die Christdemokraten und die Liberalen und stärkt die Parteien, die AfD-Wähler gewöhnlich zu bekämpfen wünschen, nämlich die Grünen und die Sozialdemokraten. Besonders wer glaubt, dass die etablierten Parteien bei der kommenden Bundestagswahl eine letzte Chance haben, der muss diese im Februar dann auch wählen. Eine Proteststimme nützt nur den Falschen. Und die nötigen Reformen? Ob sie in dem Umfang und der Geschwindigkeit kommen werden, welche Deutschland dienlich wären, darf bezweifelt werden. Immerhin hat die Bundesrepublik am Ende immer wieder die Kurve bekommen. Eines ist zumindest der Union, den Liberalen und mittlerweile wohl auch den meisten Sozialdemokraten klar: Ein Weiter-so in der Flüchtlingspolitik ist mit der Mehrheit der Deutschen nicht möglich. Wer sich ihrem Wunsch widersetzt, der wird sich kaum noch halten können." Das war die WELT AM SONNTAG.
Der britische SUNDAY TELEGRAPH befasst sich mit der politische Situation im Iran. "Das abscheuliche Regime ist schwächer denn je. Das extremistische Kartenhaus könnte bald einstürzen. Der Iran befindet sich in einer Energiekrise und leidet täglich unter Stromausfällen. Die Wirtschaft ist im freien Fall. Es gibt keine bessere Metapher dafür, wie eng das Schicksal Teherans mit dem seiner Stellvertreterin, der libanesischen Hisbollah, verknüpft ist. Vor einem Jahr hätte das niemand geglaubt. Aber jetzt scheint es sehr wahrscheinlich zu sein, dass der Untergang der libanesischen Miliz das endgültige, willkommene Ende des abstoßenden Regimes von Ayatollah Khamenei noch in diesem Jahr einläuten wird", hofft der SUNDAY TELEGRAPH aus London.
Die türkische Zeitung CUMHURIYET aus Istanbul fragt sich, ob sich die USA unter dem künftigen Präsidenten Trump aus Syrien zurückziehen? "Es gibt einige, die hoffen, dass die rund 2.000 US-Soldaten die Region verlassen. Die Wahrscheinlichkeit ist aber nicht hoch. Denn die IS-Terrormiliz ist in Syrien nicht verschwunden, die Kämpfer sind weiterhin präsent. Auch Israel dürfte sich einem Abzug der Amerikaner aus Syrien widersetzen."
Zum Schluss geht es um die Staatskrise in Südkorea. Das Parlament hat Präsident Yoon suspendiert, der wegen des Haushaltsstreites vorübergehend das Kriegsrecht ausgerufen hatte. Nach Einschätzung der norwegischen Zeitung VERDENS GANG werden Demokratie und Rechtsstaat in dem Land auf eine harte Probe gestellt. "Obwohl sich Südkorea in den letzten Jahrzehnten zu einer funktionstüchtigen Demokratie entwickelt hat, erinnern sich ältere Menschen noch an die Militärherrschaft, und die Opposition und die Bevölkerung wehrten sich vehement gegen das von Yoon verhängte Kriegsrecht. Es nützte Yoon nichts, dass er sich kurz darauf anders entschied, denn nun soll er wegen Amtsmissbrauchs angeklagt und vor Gericht gestellt werden. Es bleibt abzuwarten, wie das nun anlaufende Verfahren gegen Yoon ausgeht, aber am Ende muss das Verfassungsgericht entscheiden, ob er abgesetzt wird oder sogar zurück in sein Amt kehrt."