
Die WELT AM SONNTAG geht auf die umstrittene Rede von US-Vizepräsident Vance ein und kritisiert den Stil der Auseinandersetzung: "Es mag uns stören, doch in dem einen oder anderen Punkt hat J. D. Vance recht. Genau wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Punkt traf, als er von der misslichen Verquickung unternehmerischer Eliten mit der Macht der Exekutive in den USA sprach. Nur: Unter Freunden und Verbündeten unterlässt man die öffentliche Brandrede, unterdrückt die Lust zum rachedurstigen Großreinemachen – sei man Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika oder Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Was ist aus der Gabe des öffentlichen Schulterschlusses bei gleichzeitig schonungsloser Offenheit hinter verschlossenen Türen geworden? Haben wir es nur noch mit Bulldozern und Moraltrompetern zu tun? Wo ist die Gabe zum Zwischenton geblieben? Ein wenig mehr Henry Kissinger, ein wenig mehr Helmut Kohl täten dem deutsch-amerikanischen Verhältnis gut", findet die WELT AM SONNTAG.
Aus Sicht der LÜBECKER NACHRICHTEN gibt es bereits ein dramatisches Zerwürfnis: "Europa wacht mit der Münchner Sicherheitskonferenz in einer neuen Welt auf. Die USA unter Donald Trump brechen mit den gemeinsamen Grundwerten. Das Wort 'Zeitenwende' bekommt eine andere Bedeutung, als es Bundeskanzler Olaf Scholz vor drei Jahren mit seiner Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine meinte. Denn nun geht es für Europa nicht mehr allein um den Aggressor Wladimir Putin und die Verteidigung Kiews. Es geht auch um einen angehenden Diktator in Amerika. Es ist ein beklemmendes Gefühl, dass sich die Lage ausgerechnet vor und auf einer Konferenz in München zugespitzt hat. 1938 schlossen hier die Staats- und Regierungschefs von Italien, Frankreich und Großbritannien mit Hitler ein Abkommen zur 'Abtretung des sudetendeutschen Gebiets' an das Deutsche Reich. Es sollte den Frieden in Europa sichern. Die Tschechoslowakei, die es betraf, war nicht eingeladen. London und Paris sicherten ihr aber den Bestand ihres Reststaates zu. Der Vorgang ist als 'Appeasement-Politik' in die Geschichte eingegangen - und als historischer Irrtum, Hitler beschwichtigen zu können. Nun sprachen Trump und Putin vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz über ein Ende des Krieges, was ein Verrat an Kiew ist. Da hilft es nur wenig, dass Trump hinterher auch mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj telefoniert hat", heißt es in den LÜBECKER NACHRICHTEN.
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT überlegt, wie es im Verhältnis zwischen den USA und der EU weitergehen könnte: "Es scheint, als stünde die Europäische Union vor einer schicksalhaften Entscheidung. Entweder sie weicht vor den Drohungen aus dem Weißen Haus zurück und kapituliert vor den USA. Oder sie beschließt, auf die Drohungen angemessen zu reagieren und Widerstand zu leisten. In diesem Fall wäre die traditionelle Partnerschaft zwischen den USA und der Europäischen Union am Ende", ist die Zeitung MÜSAVAT aus Baku überzeugt.
"Auf die USA ist unter Donald Trump kein Verlass", schreibt die österreichische PRESSE AM SONNTAG. "Diese Erkenntnis kann für Europa zu Beginn der zweiten Amtszeit des US-Präsidenten nicht mehr überraschend kommen. Ernüchternd bleibt sie trotzdem. Jetzt muss Europa handeln und sich entschlossen auf die eigenen Füße stellen, wenn es nicht untergehen will", fordert die PRESSE AM SONNTAG aus Wien.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG bemerkt: "Donald Trump hat der Ukraine die Entscheidung über ihr Schicksal entrissen. In Washington kündigte der Präsident an, dass er bald mit Russlands Diktator Wladimir Putin über ein Ende der Kampfhandlungen verhandeln wolle. Wenn Trump tatsächlich Putin in Saudi-Arabien trifft, könnten die Europäer zu Randfiguren werden. So ist die Münchner Sicherheitskonferenz zum Krisen- und Paniktreffen der Europäer und der ukrainischen Vertreter geworden. Während sich die Welt in München zur Sicherheitskonferenz trifft, plante Verteidigungsminister Pistorius, nach einer Stippvisite den Großteil des Wochenendes im SPD Heimatwahlkampf zuzubringen. Das passt zu den geringen Ambitionen, die Deutschland seit 2014 gezeigt hat, um die eigene und die europäische Sicherheit zu stärken. Der Verteidigungsetat ist faktisch geschrumpft, die Bundeswehr weiter geschwächt worden. Deutschland erlebt tägliche hybride Angriffe auf seine Infrastruktur. Über militärischen Liegenschaften tanzen fremde Drohnen nach Belieben. Die Konzepte zu einer Gesamtverteidigung stecken im Anfangsstadium, die äußerst behutsame neue Wehrpflicht hat Scholz gestoppt, von einer robusten Wehrindustrie kann keine Rede sein", bemängelt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
Auch Großbritannien hat nach Ansicht des britischen SUNDAY TELEGRAPH erheblichen Nachholbedarf bei Investitionen in die Verteidigung: "Außenminister David Lammy hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz versichert, dass Großbritannien willens und bereit ist, seinen Beitrag auf dem Kontinent zu leisten. Die Regierung, so Lammy, sei 'absolut entschlossen', 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben, und werde 'in einigen Monaten den Weg dafür aufzeigen'. Vor drei Jahren wäre eine solche Verpflichtung vielleicht noch ausreichend gewesen. Jetzt, angesichts des Einmarschs Russlands in der Ukraine und der Tatsache, dass die Vereinigten Staaten immer weniger bereit sind, für die europäische Sicherheit aufzukommen, sind 2,5 Prozent das absolute Minimum, das wir im nächsten Jahr anstreben sollten. Großbritannien fehlt es an Panzern, an Schiffen, an Personal, an Luftabwehrsystemen und zunehmend an Zeit, um diese Lücken zu schließen“, bilanziert der SUNDAY TELEGRAPH aus London.
Die irische Zeitung THE IRISH INDEPENDENT vergleicht die Situation des eigenen Landes mit der Gesamt-Europas: "Irland wird von einigen europäischen Staaten seit langem als Trittbrettfahrer betrachtet, weil es sich beim militärischen Schutz auf andere Länder verlässt. Europa wurde in dieser Woche schonungslos daran erinnert, dass es als Ganzes von Washington genau so gesehen wird. Die Ankündigung Donald Trumps, sich vom Schutz der europäischen Verbündeten zu lösen, während die Ukraine weiterhin um ihr Überleben gegen eine brutale russische Invasion kämpft, mag auf eine Art und Weise grausam und rücksichtslos sein, wie es für den US-Präsidenten typisch ist. Die europäischen Staats- und Regierungschefs, die bereits mit großen wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert sind, müssen nun die Lücke in den Verteidigungsausgaben schließen, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor fast 80 Jahren von den USA gefüllt wurde. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj drang auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit Nachdruck darauf, dass wir 'die Streitkräfte Europas aufbauen müssen', um auf weitere Aggressionen vorbereitet zu sein", hält THE IRISH INDEPENDENT aus Dublin fest.
Die norwegische Zeitung DAGBLADET meint zu möglichen Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg: "Putin und Russland haben auf gröbste Weise gegen das Völkerrecht verstoßen – das muss bei Verhandlungen im Mittelpunkt stehen. Moskau hat eine Invasion gegen ein selbständiges Nachbarland begonnen. In den möglichen Gesprächen muss ein dauerhafter Frieden erreicht werden - und dass Putin nie wieder versucht, sich auch nur einen Quadratkilometer der Ukraine einzuverleiben. Russland muss akzeptieren, dass sich andere Länder ihre Bündnispartner suchen, und es gibt Grenzen für das Verständnis, das wir für Russland und sein angebliches Gefühl der Bedrohung durch die NATO aufbringen müssen." Mit diesem Zitat aus der in Oslo erscheinenden Zeitung DAGBLADET endet die Presseschau.