03. April 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen sind die Übereinkunft zum künftigen Betrieb von Öl- und Gasheizungen sowie die Regierungsbildung nach der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses. Zunächst geht es jedoch um den Streit in der Ampel-Koalition über die Kindergrundsicherung.

Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen und FDP-Bundesvorsitzender
Finanzminister Lindner (FDP) sieht nur wenig Spielraum im Haushalt für die geplante Kindergrundsicherung. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
"Die Ampel kommt nicht zur Ruhe", heißt es dazu in der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "Die Grünen waren noch dabei, ihre Wunden über den von SPD und FDP gemeinschaftlich gestutzten Klimaschutz zu lecken, da meldete sich Finanzminister Lindner schon mit der nächsten Kampfansage: Er rechne fürs nächste Jahr zwar mit Steuereinnahmen in der Rekordhöhe von über einer Billion Euro. Für die Einführung einer erhöhten Kindergrundsicherung reiche das aber nicht. Schließlich habe man ja gerade das Kindergeld erhöht, das müsse reichen. Das war schon deshalb mehr als eine Meinungsäußerung, weil die Grünen eben dieses Vorhaben gerade als ihr nächstes zentrales Projekt ausgerufen hatten", betont die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
"Was für eine bodenlose Frechheit", poltert die TAZ in Richtung FDP: "Die Kindergrundsicherung ist im Koalitionsvertrag vorgesehen, Lindner hat ihn selbst unterschrieben. Armut bedeutet nicht, dass man sich Tennisunterricht und Überseeurlaub nicht leisten kann, den FDP-Politiker und Wähler ihren Kindern gönnen, sondern oft: Hunger. In Deutschland leiden zwei Millionen Kinder unter Ernährungsmangel. Lindner nimmt in Kauf, dass Kinder hungern." So weit die TAZ.
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, meint: "FDP-Chef Lindner nutzt aus, dass es sowohl in Meseberg als auch im Koalitionsausschuss nicht ums Geld ging. Als Blockierer gilt er ohnehin schon, jetzt kann er weiter die anderen Ministerien vor sich hertreiben. Allerdings darf der Hüter des heiligen Finanzgrals bei den sozialen Themen die SPD nicht unterschätzen. Während die bei der Modernisierung des Landes auf Seiten der FDP stand, geht es bei der Kindergrundsicherung um die Kernwählerschaft der SPD. Bei diesem Streit könnte der liberale Höhenflug schnell enden", vermutet die MEDIENGRUPPE BAYERN.
Themenwechsel. Die Bundesregierung hat neue Details zum geplanten Weiterbetrieb von alten Öl- und Gasheizungen bekanntgegeben. Eine "Heizungsbürokratie" nennt es die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Wirtschaftsminister Habecks Pragmatismus entpuppt sich als Wust kleinteiliger und willkürlich anmutender Ausnahmen von der im Kern unverändert rigiden politischen Vorgabe, dass neue Heizungen schon vom nächsten Jahr an zu 65 Prozent mit erneuerbarer Energie laufen müssen. Im Deutschland des 21. Jahrhunderts soll künftig unter anderem das Alter des Heizungseigentümers über den Freiheitsgrad entscheiden, mit dem er sich ein warmes Zuhause sichern kann. Im Ernst? Leider verspielt die Ampel durch ihr Festhalten an zu kurzen Fristen für den Heizungstausch außerdem einmal mehr die Chance, die Marktkräfte auch wirken zu lassen - und so für einen finanziell und sozial besser verträglichen Klimaschutz nutzbar zu machen. Je enger die Vorgaben, desto teurer die Umstellung, desto höher der Subventionsbedarf", fürchtet die F.A.Z.
Die FRANKENPOST aus Hof konstatiert: "Sorgfalt vor Schnelligkeit wäre besser gewesen. Denn nach wie vor sind Fragen offen - darunter beispielsweise die ziemlich wichtige, welche Heizungskauf-Hilfen Leute mit kleinen und mittleren Einkommen bekommen sollen. Die Förderung, sagt der Finanzminister, 'könnte' sich daran orientieren, wie 'alt und schmutzig' die alte Heizung war. 'Könnte' heißt aber nicht automatisch 'wird'. Da bleibt also Ungewissheit. Das 'Werkstück', von dem Bundeskanzler Olaf Scholz neuerdings gerne spricht und die von ihm versprochenen 'sehr, sehr, sehr guten Ergebnisse' hat die Ampel noch längst nicht zuwege gebracht", kritisiert die FRANKENPOST.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf ist ebenfalls nicht überzeugt vom Entwurf der Ampel-Koalition: "Das Grundprinzip wird entkernt. Es wird nun viele Ausnahmen, Härtefälle, Sonderregeln geben. Der neue Entwurf schafft zunächst noch weniger Planungssicherheit, die Investoren aber rasch brauchen. Zudem werden Länder und Bundestag weiter am Gesetz herumdoktern und weitere Änderungen einbauen. Zu befürchten ist, dass es immer unklarer wird."
Die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG aus Heide mutmaßt: "Offenbar hat erst das unüberhörbare Veto der Heizungsbranche die Grünen dazu gebracht, sich auf Kompromisse einzulassen – und somit wenigstens ein leichtes Aufatmen in weiten Teilen der Bevölkerung hervorgerufen, vor allem bei Eigentümern alter Immobilien."
Die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN befassen sich ebenfalls mit der Rolle der Grünen beim Heizungsvorstoß: "Den Grünen wurde in den vergangenen Wochen schonungslos vor Augen geführt, dass Klimaschutz mit der Brechstange einfach nicht funktioniert. Vielen Menschen wurde angesichts der Heiz- und Auto-Pläne bewusst, dass eine ökologische Transformation nicht zum Nulltarif zu haben ist. Und dass sie – die Mitte der Gesellschaft – letztlich diejenige sein wird, die die Kosten für die Klima-Vorhaben trägt. Die Grünen machten den Bürgern deutlich, dass sie tief in die Tasche greifen müssen, um ihr Haus zu sanieren, die Heizung zu tauschen, ein E-Auto zu kaufen. Angefacht wurde diese Erzählung von den Koalitionspartnern FDP und SPD. Damit waren die Grünen wieder die Verbotspartei", analysieren die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG sieht es folgendermaßen: "Die Übergangs- und Ausnahmeregelungen mögen ihre Tücken haben. Dennoch ist es richtig, dass Verbraucher ihre Öl- und Gaskessel nicht sofort rauswerfen müssen – zumal es angesichts der Lieferzeiten gar nicht möglich ist, ein Verbot binnen Monaten umzusetzen. Vor allem aber wird der Markt am Ende sowieso alles über den Preis regeln. Denn Fakt ist: Der Betrieb von Gas- und Ölheizungen wird in den kommenden Jahren immer teurer werden. Strom, mit dem Wärmepumpen betrieben werden, dürfte hingegen billiger werden: Studien haben gezeigt, dass der Ausbau der Erneuerbaren langfristig zu einer Stabilisierung der Strompreise führen kann", erklärt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Und zuletzt in die Berliner Landespolitik. Sieben Wochen nach der Wiederholung der dortigen Abgeordnetenhauswahl haben sich CDU und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. "Die Berliner CDU ist plötzlich zahm geworden", bemerkt die BERLINER ZEITUNG. "Linkspartei, Grüne und SPD-Linke haben in ihrer Fantasiewelt CDU-Landeschef Wegner zum Hardliner und Rechtsaußen erklärt. Tag für Tag nennen sie Schwarz-Rot hasserfüllt eine Rückschritts-Koalition. Demnach müsste sich der Koalitionsvertrag lesen wie ein Horror-Szenario. Doch wirklich konservativ ist da nicht viel. Ein paar Bodycams hier, ein bisschen Videoüberwachung gefährlicher Plätze dort – das war es dann auch schon fast. Die schnelle Abschiebung ausreisepflichtiger Flüchtlinge, der Kampf gegen Clan-Kriminalität und Klima-Kleber – davon war wenig bis gar nichts zu hören. Als Kirsche auf der Torte bekommt die SPD wohl genau so viele Senatoren wie die CDU – obwohl sie bei der Wahl zehn Prozentpunkte hinten lag. Vermutlich sind viele CDU-Funktionäre froh, dass es in ihrer Partei keine Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag gibt", ist die BERLINER ZEITUNG überzeugt.
Der TAGESSPIEGEL sieht in der Koalition eine Chance: "CDU und SPD sind in den nächsten drei Jahren aufs Gelingen verpflichtet – aus reinem Selbsterhaltungstrieb. Aus der letzten, pannengeplagten Auflage von Schwarz-Rot von 2011 bis 2016 gingen beide Parteien stark geschwächt und mit gegenseitigem Misstrauen hervor. Will die SPD sich in Berlin nicht endgültig zugrunde richten, muss es in den kommenden Jahren vor allem in drei zentralen Bereichen rasch vorangehen: Verwaltung, Wohnungsbau, Verkehrswende. Ein US-amerikanisches Sprichwort lautet 'Only Nixon could go to China'. Es bedeutet: Erst alte Gegner von Reformen haben letztlich die Kraft, sie umzusetzen. Es wäre wohl die einzige Chance für Schwarz-Rot, sich des Stempels der 'Rückschrittskoalition' im progressiven Teil der Stadtgesellschaft zu entledigen."