12. Juni 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Zwei Personen stehen im Mittelpunkt der Kommentare in den Tageszeitungen: Bayerns Ministerpräsident Söder und dessen Auftritt auf einer Demonstration in Erding. Und die Linken-Politikerin Wagenknecht, der ihre Parteispitze Druck macht. Außerdem ein Thema ist der Evangelische Kirchentag.

Teilnehmer halten bei einer Demonstration gegen die Klima-Politik der Ampelregierung unter dem Motto "Stoppt die Heizungsideologie" Schilder mit Aufschriften wie "Vernunft vor Ideologie - Schluss mit dem grünen Schwachsinn!" in die Höhe.
Tausede Menschen demonstrierten im bayerischen Erding gegen die Klima-Politik der Ampelregierung. (dpa-news/Matthias Balk / dpa / Matthias Balk)
Der MÜNCHNER MERKUR verteidigt Söders Rede auf einer Kundgebung gegen das geplante Heizungsgesetz gegen Kritik: "Bemerkenswert, wie viele Sofa-Politologen und Berliner Welterklärer, von denen nicht alle Erding buchstabieren konnten, die Großdemo bewerten. Wer hinschaut, sieht unter den Teilnehmern Spinner, Schwurbler, Radikale - aber auch viele, viele tausend ganz normale Bürger, die zornig sind über das unsoziale Heiz-Gesetz. Nicht wer mit dieser Mehrheit redet und für dieses konkrete Anliegen kämpft, schadet der Demokratie, sondern wer sie abstempelt und beschimpft. Es ist legitim, sich gegen das Murks-Gesetz aufzulehnen. Es ist nötig, dass das Demokraten tun, die den Protest eben nicht Randgruppen überlassen", argumentiert der MÜNCHNER MERKUR.
Die PASSAUER NEUE PRESSE stellt fest: "Das ist ein klares Signal. Und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zum einen dafür, dass aus dem anfänglichen ungläubigen Staunen über die Heizungspläne ein echter, handfester Protest geworden ist - ein wachsender Widerstand gegen eine Politik, die von vielen offenkundig als Irrsinn wahrgenommen wird. Zum anderen zeigt sich, dass der Protest zunehmend aus einem Milieu kommt, das sich sonst in politischen Dingen eher leise und zurückhaltend zeigt – der bürgerlichen Mitte. Sicher, es waren auch viele dabei, die man politisch dem rechten Rand zuordnen könnte. Aber in der Masse war es wohl die Mitte der Gesellschaft, die der Politik bei diesem Thema mal gescheit einheizen wollte. Dass Söder dabei auch ein paar Buhrufe abbekam, zeugt vermutlich davon, dass man von ihm nicht nur Kritik an Berlin, sondern auch Lösungen in Bayern erwartet", schreibt die PASSAUER NEUE PRESSE.
Ganz anderer Ansicht ist die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, die hervorhebt: "Schon der Aufruf war populistisch, 'gegen die Heizungsideologie' sollte es gehen. folgerichtig fühlten sich Populisten angesprochen. Söder muss das bewusst gewesen sein, auch die AfD hätte ja gerne mitgemacht und war trotz Ausladung präsent. Sein Kalkül ging nicht auf, den Anti-Grünen-Protest auf schlichteste Weise anzufeuern und dabei auch noch selbst zu profitieren. Das Ergebnis ist für ihn verheerend. Söder hat bei dieser Veranstaltung nichts gewonnen, ihr aber mit seiner Anwesenheit unnötig Bedeutung verschafft und damit der Demokratie keinen Gefallen getan. Denn wenn sich gewählte Volksvertreter auf Marktplätze stellen und sich gegenseitig aus der Ferne Halbwahrheiten zubrüllen, anstatt miteinander um Argumente zu ringen, dann ist es nicht mehr weit her mit dem politischen Diskurs. Zumal in Zeiten, in denen eine Spaltung der Gesellschaft offensichtlich ist", meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kritisiert, der CSU-Chef habe Ängste beschworen, Fakten verzerrt und Debatten vereinfacht, um seine Anhänger zu mobilisieren: "Dass er sich als Ministerpräsident dann irgendwann auf einer Kundgebung gegen 'die da oben' in Berlin mit reichlich Krawallrednern und neben einem Schild gegen die 'Heizungsideologie' wiederfindet, kommt ihm da nicht einmal mehr komisch vor – bis ihm die AfD-Fans und andere selbst erklärte 'Systemgegner' ins Wort fallen. Man kann nur hoffen, dass Söder nun zur Besinnung kommt", kommentiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die FRANKENPOST aus Hof geht in ihrem Meinungsbeitrag auf Söders Stellvertreter ein: Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. Dessen Rede hatte großen Beifall ausgelöst: "Aiwanger steht völlig zurecht wegen seiner Wortwahl à la AfD bei der Großdemonstration gegen das geplante Heizungsgesetz in Erding in der Kritik. Sein Satz, 'jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss', ist Unsinn und Populismus pur", stellt die FRANKENPOST fest.
Und damit zur zweiten viel diskutierten Personalie: Der Vorstand der Partei "Die Linke" fordert von der Abgeordneten Wagenknecht, ihr Bundestagsmandat niederzulegen. Dazu merkt die STUTTGARTER ZEITUNG an: "Illusionär wäre es zu glauben, dass mit einer Trennung von Wagenknecht die Probleme der Links-Partei geringer würden. Das Lager der Wagenknecht-Sympathisanten ist ja noch da. Dieses triste Milieu aus Russlandverstehern, Diktatorenverehrern und Linkspopulisten, das auf Parteitagen nie eine Mehrheit gefunden hat, lässt sich nicht mit einem Beschluss wegzaubern", betont die STUTTGARTER ZEITUNG.
Auf einen weiteren Aspekt weist ND.DER TAG hin: "Wenn, dann könnte die Rückzugsforderung nur in der Bundestagsfraktion durchgesetzt werden. Deren Führung aber hat daran kein Interesse und bezeichnet das Ganze als großen Fehler. So deutet einiges darauf hin, dass eine Politikerin, die sich längst neben und gegen ihre Partei gestellt hat, kraft ihrer Medienpräsenz weiter die Tagesordnung in dieser Partei beeinflusst oder gar bestimmt", unterstreicht ND.DER TAG.
Und die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus fragt: "Die Dissidenten sollen ihre Bundestagsmandate zurückgeben? Eher werden die 'Wagenknechte' die Fraktion verlassen und ihre Mandate mitnehmen. Der Fraktionsstatus für die Links-Partei wäre verloren", warnt die LAUSITZER RUNDSCHAU.
DER TAGESSPIEGEL beschäftigt sich in seinem Kommentar mit der Zukunftsfähigkeit der Partei "Die Linke": "Wählerinnen und Wähler haben ein Recht darauf zu wissen, wofür eine Partei steht. Fraglich ist allerdings, ob die klare Kante gegen Wagenknecht auch helfen wird, die Linke aus der Abwärtsspirale herauszukatapultieren. Nun gibt es aber zumindest wieder eine Chance", so die Einschätzung des TAGESSPIEGELS.
Mit den politischen Chancen Wagenknechts befasst sich die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Ihre Bewegung 'Aufstehen' zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass alle lieber sitzen blieben. Eine neue Partei gründet man nicht einfach mal so nebenbei in einer Talkshow, selbst wenn das Wählerpotential vorhanden sein sollte. So wartet für die Linkspartei und auch für Wagenknecht allem Anschein nach nur das Scheitern - ob nun weiterhin vereint oder getrennt voneinander", lautet die Prognose der F.A.Z.
In Nürnberg ist der Deutsche Evangelische Kirchentag zu Ende gegangen. DIE RHEINPFALZ aus Ludwigshafen zeigt sich rundum zufrieden mit der Veranstaltungswoche: "Die Kirche hat sich in der Öffentlichkeit als einladende, offene und fröhliche Gemeinschaft gezeigt – durch ihre Posaunenchöre, Singgruppen, aber auch durch die vielen Teilnehmer. Die wiederum genossen es sichtlich zu erleben, dass sie – auch wenn allerorts über eine schwindende Kirche lamentiert wird – immer noch eine große Gemeinschaft sind, die in der Welt etwas zum Positiven verändern kann", lobt DIE RHEINPFALZ.
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN bilanzieren, der Kirchentag habe "mit Vielfalt und Ernst beeindruckt". Es blieben jedoch einige kritische Fragen: "Hat der Kirchentag nicht doch vor allem die eigene 'Blase' bedient, also Menschen beglückt, die den noch überzeugten Kern der schwindenden Glaubensgemeinschaften ausmachen? Und ist ein Mega-Ereignis dieses Typs nicht doch irgendwie aus der Zeit gefallen? Auch für die Kirchen ist längst eine 'Zeitenwende' angebrochen", heißt es in den NÜRNBERGER NACHRICHTEN.
Schließlich noch ein Blick in die TAZ, die den Kirchentag in ihrem Kommentar wohlgesonnen bewertet - aber auf eine Äußerung hinweist, die sie so nicht stehen lassen möchte: "Demokratie sei ohne Christlichkeit nicht zu haben, hieß es. Das ist allerdings mehr als falsch, das ist sogar anmaßend. Die Evangelische Kirche kann Stichworte formulieren, mehr nicht. Demokratie ist der Rahmen für ein Zusammenleben aller, auch der Glaubenslosen, die keine Lust auf Religiöses haben." Mit diesem Zitat aus der TAGESZEITUNG endet diese Presseschau.