Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER führt aus: "Damit war zu rechnen. Schließlich kann das Verteidigungsbündnis nicht riskieren, ein Land aufzunehmen, das sich im Krieg befindet. Die politischen Folgen wären fatal. Die NATO würde zur Kriegspartei in einem Konflikt mit der Atommacht Russland. Das wollten die NATO-Staaten stets verhindern. Der Gipfel ist nun der Moment der Wahrheit. Der Ärger des ukrainischen Präsidenten führt vor Augen, dass sowohl die EU als auch die NATO sich viel zu weit aus dem Fenster gelehnt und Versprechen gemacht haben, die sie nicht einhalten können. Es ist Zeit für mehr Ehrlichkeit", findet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, bemerkt mit Blick auf den ukrainischen Präsidenten: "Selenskyj geht sicher nicht mit leeren Händen nach Hause, wird mit dem Zwischenschritt der NATO aber nicht unbedingt hochzufrieden sein, bei dem das Bündnis die Einladung zum Beitritt an mehrere Bedingungen knüpft. Für die Zwischenlösungen spricht, dass man schon wissen sollte, wie das politisch-militärische Europa ausschaut, wenn Waffenstillstand herrscht oder der Krieg einmal vorbei sein sollte. Deshalb muss es für die Ukraine das Maximum an Sicherheitsgarantien, Waffen und anderen Hilfen geben, zumal sich das Zeitfenster für eine erfolgreiche ukrainische Gegenoffensive bis Jahresende mehr oder weniger schließen wird", vermutet die PASSAUER NEUE PRESSE.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG begrüßt, dass sich die Militärallianz auf neue Verteidigungspläne verständigt hat: "Dass sich 31, bald 32 Staaten in Nordamerika und Europa gemeinsam auf den Ernstfall vorbereiten, sollte selbst auf einen Hasardeur wie Putin Eindruck machen. Schon im Kalten Krieg war die Abschreckung der NATO die beste Garantie für die Sicherheit ihrer Mitglieder. Das ist der Grund, warum auch die Ukraine so schnell wie möglich in die Allianz will. Dass da einige Verbündete zögern, allen voran die Bündnisvormacht Amerika, ist eine erwartbare Enttäuschung für Selenskyj, aber es ist angesichts der unklaren Aussichten berechtigt. Auch die Ukraine hätte wenig von konkreten Zusagen, deren Einlösung ungewiss ist. Wichtiger sind im Augenblick die neuen Waffenlieferungen und andere Sicherheitsgarantien, die dem Land in Vilnius in Aussicht gestellt werden", unterstreicht die F.A.Z.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle äußert sich verhalten zur Zusage weiterer Waffenlieferungen an die Ukraine, denn es sei fraglich, "ob die schleppend verlaufende Gegenoffensive der Ukraine einen entscheidenden Durchbruch bringt. Die Streitkräfte sind unter gewaltigem Druck. Die Ukraine verfügt über weniger Soldaten, als Russland in dem Land im Einsatz hat. Entgegen den Hoffnungen im Westen ist die russische Rüstungsindustrie nicht unter dem Druck der Sanktionen eingebrochen, sondern hat sich angepasst. Wie ernst die Lage ist, zeigt auch, dass die USA der Ukraine nun hoch umstrittene Streumunition liefern." So weit die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG und so viel zu diesem Thema.
Die CDU bekommt einen neuen Generalsektretär. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG erläutert: "Nach nur anderthalb Jahren muss Mario Czaja gehen. Der Ostberliner hat die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt, die CDU nach der vergeigten Bundestagswahl neu auszurichten, Parteichef Friedrich Merz strahlen zu lassen und die Ampel-Regierung das Fürchten zu lehren. Er ist mitverantwortlich für das Bild der Richtungslosigkeit der Christdemokraten. Allein ist Czaja freilich nicht für den eher tristen Zustand der CDU verantwortlich. Das ist auch Merz selbst. Als Schatten-Bundeskanzler wird er nicht wahrgenommen. Dem rechten Parteiflügel ist er nicht kantig genug, den Zentristen läuft er zu oft der AfD hinterher. Wird es dem nächsten Generalsekretär Carsten Linnemann gelingen, Partei und Parteichef wieder ins Licht zu stellen?", fragt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Wuppertal stellt fest, mit Linnemann bekomme Merz nun "... einen aus dem eigenen Lager: Mittelstandsvereinigung, Marktwirtschaftler, Motivator, Antreiber. Einer, der seit Jahren - noch erfolglos - eine ganz neue Art von Politik fordert und gerade am CDU-Grundsatzprogramm schraubt. Kein Zweifel: Linnemann wird mehr sein als ein braver Nachplapperer seines Parteichefs. Der wiederum wird seinem neuen Generalsekretär dann auch jenen Raum lassen müssen, den Czaja gar nicht besetzen wollte", erwartet die WESTDEUTSCHE ZEITUNG.
Das Magazin CICERO spricht von einem Befreiungsschlag des CDU-Vorsitzenden, der allerdings "... nicht ohne Risiken ist, aber dann doch unausweichlich. Dabei muss die überraschende Personalrochade zum Anfang der Sommerpause Dreifaches leisten. Den Eindruck, die Union profitiere nicht genug von der Krise der Ampel-Regierung, hatten zuletzt nicht nur Merz-Kritiker in der Partei, sondern auch seine Unterstützer. Der Wechsel des Generalsekretärs ist sozusagen eine der wenigen großen Leuchtraketen, die ein Vorsitzender in Opposition zünden kann. Allerdings: viel mehr hat er auch nicht. Außerdem muss die Personalie Linnemann die Merz-Fans in seiner Partei bedienen, die sich durch den weichen Kurs des Parteivorsitzenden enttäuscht sehen", glaubt der CICERO.
Linnemanns Ideen seien CDU pur, hebt die Zeitung DIE WELT in ihrer Online-Ausgabe hervor: "Unlängst brachte er, fast im Alleingang, Vorschläge für steuerfreie Überstunden und steuerfreie Arbeit von Rentnern zur Bekämpfung des Facharbeitermangels in die Debatte ein. Die Kulturkämpfe um Gendern, neue Geschlechter und andere Ideen, die von der Ampel aus den Universitäten in die Politik getragen werden, dürfte Linnemann annehmen, aber nicht von sich aus suchen. So steht die Personalie erkennbar dafür, wo Merz bei der nächsten Bundestagswahl die Entscheidung gegen die Ampel suchen will: auf dem Feld der Wirtschaft", analysiert die WELT.
Nun noch Stimmen zum neuen Lagebild des Bundeskriminalamtes zur häuslichen Gewalt. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist zu lesen: "Fast alle zwei Minuten wird in Deutschland ein Mensch Opfer partnerschaftlicher Gewalt, 80 Prozent davon sind Frauen. Das war vor einem Jahr kaum anders – ist aber immer noch erschreckend. Dass die Zahl der Fälle nochmals gestiegen ist, und dies auf eine größere Bereitschaft zur Anzeige zurückgeführt wird, ist beschämend. Dass die Polizei nach wie vor von einer weitaus höheren Dunkelziffer ausgeht, ist beschämend für Deutschland. Die vom Innen- und Familienministerium sowie dem Bundeskriminalamt jetzt angekündigte Dunkelfeldstudie ist überfällig", findet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
DER TAGESSPIEGEL vertritt diese Ansicht: "Zu sagen, die Opferzahl sei gestiegen, versperrt den Blick auf den Kern des Problems. Opfer gibt es nicht ohne Täter. Also: Die Täterzahl steigt. Damit Frauen zu Opfern werden, müssen Männer erst zu Tätern werden. Die Anzahl der Männer, die drohen, schlagen, missbrauchen und gar versuchen zu töten, ist gestiegen. Aber noch viel schlimmer: Sie sinkt nicht. Es braucht Maßnahmen für Männer und gegen die anscheinend so tief verankerte Verachtung gegen Frauen. Die Maßnahmen müssen bei den Tätern ansetzen, nicht nur bei den Opfern. Frauenhäuser und Beratungshotlines reichen nicht aus. Männer, die Frauen Gewalt antun, sind ein gesellschaftliches Problem", mahnt der TAGESSPIEGEL.
SPIEGEL ONLINE hält mehr Prävention für nötig, betont aber: "Anfangen muss jeder bei sich selbst. Das bedeutet: Nicht weghören, wenn nebenan zu laut gestritten wird. Hinschauen, wenn Frauen sich verändern. Jungs und Männer müssen Werte neu lernen und endlich verstehen, dass Frauen und Mädchen keine minderwertigen Menschen sind. Es klingt so selbstverständlich. Ist es aber im Jahr 2023 offenbar immer noch nicht." Das war zum Ende der Presseschau SPIEGEL ONLINE.