05. September 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden unter anderem die Gespräche der Präsidenten Russlands und der Türkei zur Fortsetzung des Getreideabkommens. Weiteres Thema sind die Pläne der Bundesregierung zum Umgang mit dem Wolf. Doch zunächst geht es um den Rücktritt des ukrainischen Verteidigungsministers Oleksij Resnikow.

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow im Gespräch.
Die Zeitungskommentare beschäftigen sich u.a. mit dem Rücktritt des ukrainischen Verteidigungsministers Olexij Resnikow (Archivbild.) (dpa-news/Boris Roessler)
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG findet: "Der Rauswurf durch Präsident Wolodimir Selenskyj war überfällig und hätte schon vor Monaten erfolgen sollen. Der Präsident entschied sich dafür erst jetzt, weil er sowohl in der Ukraine als auch vor allem vonseiten Washingtons unter Druck steht, tatsächlich etwas gegen die Korruption in seinem Land zu unternehmen. Der ukrainische Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren wird durch den Abgang Resnikows nicht beeinträchtigt. Die militärischen Entscheidungen trifft ohnehin nicht der Verteidigungsminister, das tun Selenskyj, der Oberkommandierende der Streitkräfte Walerij Saluschnyj und dessen Generäle. Die Aufgabe des Verteidigungsministers ist die eines effektiven Waffenbeschaffers im Westen und eines effektiven Managers der ukrainischen Militärbürokratie", notiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf beobachtet, Resnikow habe sich angreifbar gemacht, weil in seinem Ministerium "die in der Ukraine weit verbreitete Korruption grassiert. Wo es in den Wehrämtern oder dem Ministerium millionen- oder gar milliardenschwere öffentliche Aufträge gibt, wo das Geschäft mit Waffen auf höchstem Niveau floriert, wird in der Ukraine gerne die Hand aufgehalten. Transparenz gibt es bei dem Land, das in EU und NATO drängt, vor allem auf Papier. Resnikow muss gehen – wegen mäßiger militärischer Erfolge und auch wegen Korruptionsverdachts in seinem Umfeld", urteilt die RHEINISCHE POST.
Die TAGESZEITUNG bemerkt zu Resnikows potentiellem Nachfolger: "Der Krimtatare Rustem Umerow könnte ein Joker sein – vor allem angesichts einer militärischen Entwicklung mit offenem Ausgang. International gut vernetzt, dazu gesellschaftlich engagiert und politisch erfahren, könnte er künftig ein ganzes Spektrum abdecken. Dazu gehört auch, Verhandlungskanäle offenzuhalten. Diese Fähigkeit hat Umerow beim Austausch von Gefangenen bewiesen. Und wer, wenn nicht er wird dafür sorgen, dass die Krim auf der Tagesordnung bleibt", unterstreicht die TAZ.
Themenwechsel. Die BERLINER MORGENPOST geht ein auf die Haltung von Russlands Präsident Putin bezüglich einer möglichen Wiederaufnahme des Getreideabkommens: "Der Kremlchef treibt ein zynisches Spiel: Erst lässt Putin die Getreidesilos in den ukrainischen Hafenanlagen bombardieren, dann mimt er den friedenswilligen Diplomaten. Beim Gespräch mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan präsentierte er ein Diktat: Eine Rückkehr zum Getreideabkommen, das der Ukraine den Export ihrer Ernte-Produkte ermöglichen würde, gibt es nur zu seinen Bedingungen. Der russische Präsident hat die Instrumente des alten Geheimdienstmannes nicht verlernt", vermerkt die BERLINER MORGENPOST.
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg fragt: "Was tun? Eine Rückkehr zum Getreideabkommen, da hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan recht, wäre die beste Lösung. Soll der Westen dafür aber Sanktionen lockern? Vermeiden lässt sich das nur, wenn man alternative Exportrouten für ukrainischen Weizen findet. In Afrika und anderswo im globalen Süden wird man kein Verständnis haben, wenn die Lebensmittelpreise erneut rasant steigen. Die Wut dort richtet sich eben nicht nur gegen Putin", hebt die BADISCHE ZEITUNG hervor.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE erwartet, Putin werde mit Erdogan im Gespräch bleiben, denn "für den Despoten aus Moskau ist die Türkei, wenn man so will, die letzte verbliebene Verbindung zum Westen. Erdogan wiederum verhandelt nicht nur aus Solidarität mit der Ukraine über ein neues Getreideabkommen, sondern auch aus sehr egoistischen Motiven. Er fürchtet, dass eine Eskalation des Krieges an der ukrainischen Schwarzmeerküste auf die gesamte Region übergreifen könnte. Unruhe von außen allerdings kann Erdogan im Moment nicht gebrauchen. Er hat in der Türkei selbst schon Probleme genug." So weit die AUGSBURGER ALLGEMEINE und so viel zu diesem Thema.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG geht ein auf den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping, der nicht beim G20-Gipfel in Indien vertreten sein wird. "Die Entscheidung hat bilaterale Gründe zwischen China und Indien. Sie muss aber auch als Signal gewertet werden, dass der chinesische Präsident offensichtlich keinen Wert darauflegt, US-Präsident Joe Biden zu treffen, während sich Russlands Machthaber durch Außenminister Sergei Lawrow vertreten lässt. Die Spielräume der globalen Diplomatie haben sich durch den Angriffskrieg und die Notwendigkeit der Positionierung zu Russland und zur Ukraine weiter verengt. Das wiederum macht einen Verhandlungsfrieden zwischen Kiew und Moskau noch unwahrscheinlicher, als er es ohnehin von Anfang an war", befürchtet die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Für den Gastgeber Indien stelle die Entscheidung ohne Zweifel erst einmal einen Affront dar, schreibt das HANDELSBLATT: "Es ist das erste Mal, dass Chinas Staatschef bei einem G20-Gipfel abwesend ist – ausgerechnet in dem Jahr, in dem Rivale Indien den Vorsitz hat. Die angespannten Beziehungen zwischen den beiden Nachbarn dürften sich damit weiter verschlechtern. Für Modi ist die Abwesenheit Xis aber gleichermaßen eine Chance. Er kann sich am Gipfel-Wochenende nun nicht nur als alleinige 'Stimme des globalen Südens' präsentieren, sondern auch als Stimme der Vernunft – als Vertreter eines Landes, das sich auch in schwierigen Zeiten nicht von seinen globalen Verpflichtungen zurückzieht", folgert das HANDELSBLATT.
Nun noch Stimmen zu den Plänen der Bundesregierung zum Umgang mit dem Wolf. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG erläutert: "Wenn Bundesumweltministerin Steffi Lemke nun erklärt, nach Wolfsrissen müssten Abschüsse schneller und unbürokratischer möglich sein, wiederholt sie lediglich, was sie schon seit Jahren sagt. Ob sich davon nur ein Tierhalter beruhigen lassen wird? Unwahrscheinlich. Von einer brauchbaren Regelung scheint das Ministerium jedenfalls weit entfernt. Da verwundert es wenig, dass der Ministerin mittlerweile andere im Nacken sitzen. Interessant ist allerdings, dass es sich dabei nicht nur um die Opposition handelt, sondern dass mittlerweile auch Vertreter aus den Koalitionsparteien Druck machen. Wenn die grüne Ministerin nicht langsam liefert, werden andere ihren Job übernehmen", vermutet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Der Wolf sei vielerorts ein Problem, das sich auch mit Zäunen und Herdenschutzhunden nicht lösen lasse, geben die STUTTGARTER NACHRICHTEN zu bedenken: "Es ist schlicht unmöglich im Schwarzwald oder an den Küstendeichen dichte Elektrozäune zu bauen. Dort steht die Weidehaltung auf dem Spiel - also genau die Form der Landwirtschaft mit hochwertigen, regional von Familienbetrieben erzeugten Lebensmitteln, die sich die Grünen auf die Fahnen geschrieben haben. Die Partei steckt somit in einem Dilemma: Sie muss eine Balance finden zwischen dem Naturschutz, der die Rückkehr des Wolfs gutheißt und einer nachhaltigen Landwirtschaft. Wenn eine uralte und gute Tradition auf dem Spiel steht, ist die einzige Lösung - so brutal sie auch klingt: In diesen Gegenden hat der Wolf keine Zukunft", argumentieren die STUTTGARTER NACHRICHTEN.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG stellt fest: "Lemkes Äußerungen lassen weiter offen, was genau sie sich vorstellt: Reicht es ihr, gezielt einzelne Problemwölfe abzuschießen? Dieser Ansatz gilt in Ländern wie Niedersachsen längst als gescheitert. In den anstehenden Gesprächen zwischen Bund, Ländern und EU muss es daher um eine längerfristig tragfähige Strategie gehen. Dazu gehört die Ansage: Deutschland kann von anderen Ländern keinen Artenschutz einfordern, wenn es selbst bei dieser vergleichsweise überschaubaren Aufgabe scheitert. Und ja, der Wolfsbestand wird durch Abschüsse reguliert. Womöglich muss es auch wolfsfreie Zonen geben, etwa nahe Deichen und Almen." Das war zum Ende der Presseschau ein Kommentar der F.A.Z.