05. Dezember 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute unter anderem mit Kommentaren zum Krieg im Nahen Osten und zu den Plänen der EU für neue Führerscheinvorgaben. Doch zunächst geht es um die andauernde Debatte über den Bundeshaushalt für das kommende Jahr.

05.12.2023
Finanzminister Christian Lindner (r, FDP), Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (l, Bündnis 90/Die Grünen) geben ein Pressestatement.
Die Zeitungen kommentieren unter anderem die laufenden Verhandlungen der Ampel-Parteien über den Haushalt für 2024. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Das HANDELSBLATT beobachtet: "Das Wort 'Zeitenwende' wird geradezu inflationär von der Politik benutzt. Das gilt für die Sicherheits- wie die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Doch auch bei der Berechnung für den Anstieg des Bürgergeldes haben sich die Voraussetzungen grundlegend geändert. Die Regierung ging bei ihrer Entscheidung von rund zehn Prozent Inflation aus. Heute haben wir die geringste Preissteigerung seit 2021, und dann müssen Bundeskanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck mit dem Urteil aus Karlsruhe umgehen. Dazu gehört auch, dass der Sozialetat mit rund 172 Milliarden Euro mehr als 38 Prozent der geplanten Gesamtausgaben beträgt. Einzelne Leistungen wie die Kindergrundsicherung wirken da wie aus der Zeit gefallen. Auch der kräftige Anstieg des Bürgergelds lässt sich kaum rechtfertigen", vermerkt das HANDELSBLATT.
Die WIRTSCHAFTSWOCHE findet es richtig, dass Wirtschaftsminister Habeck seine Reise nach Dubai zur UNO-Weltklimakonferenz abgesagt hat: "Haushaltspolitik ist die wichtigste und wirksamste Klimapolitik. Viel entscheidender sind kluge wie effektive Investitionen und Anreize des Staates zum Umbau der Wirtschaft als Gipfelbesuche. Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner sollten nun mit dem Kanzler zusammen die Kraft finden, Klimapolitik dort neu zu starten, wo sie laut Koalitionsvertrag stattfinden soll. Der CO2-Preis auf Brennstoffe auch im Verkehr und beim Heizen muss deutlich steigen. Das reizt private Investitionen und neue Technologien an", schätzt die WIRTSCHAFTSWOCHE.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle kritisiert: "Es reicht nicht, wenn SPD, Grüne und Liberale sich abermals mit ihren Vorstellungen in die Verhandlungen begeben. Es ergibt keinen Sinn, wenn die Debatte verengt wird auf die Frage von Einsparungen kontra Lockern der Schuldenbremse. Beides wird notwendig sein. Es sprechen viele Gründe dafür, 2024 die Schuldenbremse auszusetzen."
Der Berliner TAGESSPIEGEL ist sich sicher: "In Wahrheit werden sich alle bewegen müssen. Ganz ohne neueSchulden wird Deutschland seine massiven Herausforderungen vorallem in der Transformation der Industrie nicht schaffen. Die Digitalisierung muss in Deutschland vorankommen, wenn hier nicht der Anschluss komplett verpasst werden soll. Es wird aber auch so sein müssen, dass man sich sämtliche Klimasubventionen anschaut; und die Sozialleistungen werden genauso wenig tabu sein können. Das Gute in der Situation ist, dass alle gezwungen sind, klar zu priorisieren", hebt der TAGESSPIEGEL hervor.
Themenwechsel. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU äußert sich zum Krieg im Nahen Osten, bei dem Israel nun verstärkt den Süden des Gazastreifens angreift: "Geht die israelische Armee ähnlich vor wie in den vergangenen Wochen im Norden, werden zusätzlich zu den Dschihadisten wieder viele Palästinenserinnen und Palästinenser sterben. Und niemand scheint das verhindern zu können. Denn die israelische Regierung lässt sich von ihrem Kurs nicht abbringen. Nicht von vielen Erinnerungen daran, dass auch Israel an das Völkerrecht gebunden sei. Nicht von der Ermahnung von US-Präsident Joe Biden, die Strategie der Vergeltung durch eine politische Lösung zu ergänzen. Diese Debatte scheint auch in Israel erst einmal kaum jemand zu führen", heißt es in der FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die Ausweitung der Kämpfe werde zwei Folgen haben, analysiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Eine noch mal verschärfte Notlage der Zivilbevölkerung und eine weitere Beschädigung von Infrastruktur und Gebäuden. Trotzdem wird sich Israel von seinem Vorgehen nicht durch internationale Kritik abhalten lassen. Die Debatten im Land selbst und die in der internationalen Öffentlichkeit fallen seit dem 7. Oktober stark auseinander, deshalb haben auch die vielen Appelle und Ermahnungen befreundeter Staaten wenig an der Grundhaltung geändert: Israel will die Bedrohung durch die Hamas beseitigen, nicht viel anders, als der Westen das mit Al-Qaida und dem 'Islamischen Staat' wollte." So weit die F.A.Z.
Die TAGESZEITUNG verlangt: "Die Wiederaufnahme der Verhandlungen, mit dem Ziel einer erneuten Feuerpause, muss für Israel wieder Priorität haben. Deren Verlängerung scheiterte am vergangenen Freitag am Unwillen der Hamas, sich an Vereinbartes zu halten. Der Druck des Westens, der internationalen Gemeinschaft, darf daher nicht allein Israel gelten. Das Land muss an den Verhandlungstisch in Katar zurückkehren – aber es muss dort auch auf Gesprächsbereitschaft treffen. Die Verantwortung der Hamas muss ebenso Teil der öffentlichen Debatte sein wie jene Israels – und damit auch Adressat der Appelle der Weltgemeinschaft", unterstreicht die TAZ.
Die Pläne der EU für neue Führerscheinvorgaben sind Thema in der LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus: "Nicht nur Ältere, künftig sollen alle Autofahrer in regelmäßigen Abständen nachweisen, dass sie fahrtüchtig sind. Grundsätzlich ist die Idee nicht schlecht, doch die Umsetzung wird nie und nimmer klappen. Man stelle sich vor, eine deutsche Behörde müsste die Dokumente von knapp 40 Millionen Autofahrern alle paar Jahre einholen, verarbeiten, bei negativen Selbstauskünften Strafen aussprechen und diese verfolgen. Wie soll das bei den jetzt schon völlig überlasteten Behörden denn gelingen?", fragt die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER vertritt die Ansicht, eine solche Überprüfung wäre im Sinn aller Verkehrsteilnehmer, denn: "Laut Statistischem Bundesamt waren Menschen ab 65 Jahren im vergangenen Jahr bei mehr als zwei Drittel der Unfälle mit Personenschaden als Hauptverursacher beteiligt. Fraglich ist allerdings, ob eine schriftliche Selbsteinschätzung genügt. Denn gerade ältere Menschen, bei denen es mit der Eignung eng werden könnte, werden wohl eher nicht zu einem ärztlichen Check gehen, sondern sich selbst ein gutes Attest ausstellen", vermutet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG bemerkt zur Haltung des deutschen Verkehrsministers: "Wissing hat recht, wenn er hier auf Eigenverantwortung setzt. Senioren sorgen mit der Verwechslung von Gas und Bremse immer wieder für dramatische Schlagzeilen. Die Zahlen aber sind insgesamt so niedrig, dass sich der Staat an dieser Stelle getrost heraushalten darf. Eine Politik der Anreize statt der Verbote wäre ohnehin die bessere Wahl. Anstatt das Geld für Kontrollen von Fahranfängern und Formularwust für Senioren auszugeben, sollte man besser in die Verkehrsinfrastruktur investieren", empfiehlt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Abschließend noch Stimmen zum Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der nach seinem Austritt bei den Grünen im kommenden Jahr bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg für die Freie-Wähler-Vereinigung kandidieren will. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG führt aus: "Palmer will in den Kreistag, damit er das Beste für seine Stadt herausholen kann. Viele Menschen halten auch einen parteilosen Palmer für einen fähigen Politiker. Zum anderen kann man vermuten, dass er eine Position im Parteienspektrum verkörpert, die andere Parteien kaum besetzen. Palmer glaubt, dass in Deutschland eine 'konservativ-ökologische Kraft' fehle. Eine Partei also, die modernen Klimaschutz zum Beispiel mit restriktiver Migrationspolitik verbindet. Das ist nun also seine Theorie. Die Grünen werden hoffen müssen, dass sie nicht zutrifft", schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die Zeitung DIE WELT stellt fest: "Anders, als viele dachten, ist Boris Palmer durch seinen Parteiaustritt eben doch nicht von der großen Bühne verschwunden. Offenkundig besteht Bedarf, um nicht zu sagen Sehnsucht, nach einem wie ihm: einem Politiker mit Ecken und Kanten, einem, der mutig gegen den Strich bürstet und sich von identitätspolitischer Programmatik nicht vereinnahmen lässt. Palmer will Dinge vorantreiben und nicht um jede Ecke schauen, ob sich irgendwer betroffen fühlt."