04. Januar 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird die Debatte über das Aussetzen der Schuldenbremse angesichts der Hochwasserlage in Deutschland. Außerdem befassen sich die Meinungsseiten der Zeitungen mit einem möglichen Verbotsverfahren gegen die AfD sowie mit der Tötung des Hamas-Anführers Al-Aruri im Libanon. Der TAGESSPIEGEL aus Berlin erwartet:

Das zerstörte Haus in Beirut, in dem der Hamas-Amführer ums Leben kam. Auf der Straße liegen Trümmer, einige Männer räumen sie mit Schaufeln fort.
Das zerstörte Haus in Beirut, in dem der Hamas-Anführer ums Leben kam. (Archivbild) (AFP / ANWAR AMRO)
"Kurzfristig dürfte die Auslöschung eines der Top-Terroristen die israelische Moral stärken. Doch Israel zahlt auch einen Preis. Wie hoch er ausfallen wird, steht noch nicht fest, wohl aber, wer die erste Rate zahlt: die Geiseln in Gaza. Nach der Meldung vom Tod al-Aruris soll die Hamas sämtliche Verhandlungen hinter den Kulissen um weitere Geiselbefreiungen abgebrochen haben. Israels Regierung argumentiert, nur militärischer Druck könne die Hamas zu weiteren Freilassungen bringen. Bisher sieht es nicht so aus, als gehe die Rechnung auf. Zugleich ist klar, dass Israel nach den Gräueltaten des 7. Oktobers aufs Härteste zurückschlagen muss – und gezielte Tötungen sind großflächigen Bombardierungen fraglos vorzuziehen", glaubt der TAGESSPIEGEL.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG bezeichnet den tödlichen Angriff auf den Hamas-Vize als eine gefahrvolle Eskalation: "Es ist ein Spiel mit dem Feuer, an dem reichlich Pyromanen und wenige Löschkräfte beteiligt sind. Welche Kraft das Feuer hat, das nun mit dem Angriff in Beirut entfacht wird, und wie weit es sich ausbreitet, kann auch keiner der mutmaßlichen Verantwortlichen in Israel abschätzen. Wird die libanesische Hisbollah-Miliz nach dem Angriff im Herzen des eigenen Machtbereichs nun mit aller Kraft in diesen Krieg einsteigen? Wird die von Iran geschmiedete 'Achse des Widerstands' noch offener und noch massiver in den Konflikt eingreifen? Wird am Ende gar Iran einen regionalen Großkrieg anzetteln und die Konfrontation mit den USA riskieren? Wünschen mag sich das niemand. Aber Kriege sind, allen Strategie-Schulen zum Trotz, niemals planbar. Stets wird die Logik vom Kontrollverlust bedroht. Es werden Kosten-Nutzen-Rechnungen aufgestellt, deren Ergebnis zumeist mehr Wunsch als Wirklichkeit ist", meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG konstatiert: "Der Rauch nach der Tötung eines Hamas-Führers in Beirut war kaum verzogen, da drangen die Nachrichten vom verheerenden Anschlag im iranischen Kerman in die Welt. Zwischen beiden Taten mag kein direkter Zusammenhang bestehen, Israels Handschrift ist jedenfalls bei der Bluttat am Grab von General Solaimani nicht zu erkennen. Doch beide Taten illustrieren, wie fragil die Lage im Nahen Osten ist. Das iranische Regime ist an vielen offenen und versteckten Fronten aktiv und hat in der Region genügend Feinde, die die aufgestaute Wut im Land und die ethnischen Konflikte für sich nutzen könnten", analysiert die F.A.Z.
In der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg ist zu lesen: "Strategen des US-Instituts für Kriegsstudien raten der Notstandsregierung von Ministerpräsident Netanjahu, nicht nachzulassen im Kampf gegen die Hamas, weil diese sich sonst wieder erhole und erneut zuschlagen könne. Unter 'Nachlassen' verstehen die Amerikaner, Einsätze mit weniger Soldaten und weniger Raketen. Keinen Rückzug. Doch kann ein ständig erhöhter Blutzoll dem ewigen Gemetzel ein Ende setzen? Wann sind genug Menschen gestorben, damit die Hamas als besiegt gelten kann? Netanjahu wird darauf keine Antwort geben. Der Krieg sichert ihm den Verbleib im Amt, das er eigentlich längst hätte räumen müssen."
Themenwechsel. Angesichts der Hochwasserlage in Deutschland wird über ein abermaliges Aussetzen der Schuldenbremse diskutiert. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG ist der Ansicht, dass das politische Signal einmal mehr mindestens ungeschickt sei: "Es wirkt so, als ob nach dem krachend gescheiterten Haushalt die SPD das erste große Wettereignis nimmt, um doch noch die Schuldenregeln lockern zu können. Ob aufgeweichte Deiche aber auch aufgeweichte Schuldenregeln rechtfertigen? Hier sind starke Zweifel angebracht."
Zunächst müssten die Flutschäden insgesamt ermittelt werden, hebt die NÜRNBERGER ZEITUNG hervor: "Dann sind Bund und Land gefragt, darüber zu verhandeln, wer in welchem Verhältnis die Kosten trägt. Nach der Flut im Ahrtal hat der Bundestag beschlossen, ein Sondervermögen für den Wiederaufbau einzurichten, das mit bis zu 30 Milliarden Euro ausgestattet wurde. Konkret abgerufen wurde davon erst ein geringer Teil. Aus den bekannten Gründen, unter anderem: zu viel Bürokratie im Genehmigungsprozess, zu wenige Handwerker. Da hilft dann auch das ganze Geld nichts - und eine Aussetzung der Schuldenbremse erst recht nicht."
Die STUTTGARTER ZEITUNG fordert eine Versicherungspflicht für alle Bauwerke: "Darüber hinaus müssen Gebäude so gebaut oder nachgerüstet werden, dass nicht bereits bei einem leichten Hochwasser der Keller vollläuft. Und mancherorts sollte am besten gar nicht mehr gebaut werden. Die Realität sieht freilich anders aus: Ein Großteil der zerstörten Gebäude im Ahrtal wurde nach der Hochwasserkatastrophe wieder am alten Standort errichtet", kritisiert die STUTTGARTER ZEITUNG.
Der SÜDKURIER aus Konstanz betont, dass die Naturkatastrophen sich häufen: "Von den viel zu warmen Meeren werden extreme Massen feuchter Luft ins Landesinnere getragen und dort abgeladen. Der Verweis auf die Klimaerwärmung und die Erkenntnis daraus, dass solche Fluten künftig häufiger auftreten, erübrigen sich dabei fast. Der beeindruckenden Hilfsbereitschaft der Einsatzkräfte und Bürger vor Ort steht aber eine erstaunliche Ohnmacht der Bundesregierung gegenüber: Geld für Klimaschäden ist nicht fest eingeplant, Vorsorge findet eher stiefmütterlich statt, warnende Stimmen verhallen. Diese Nachlässigkeit könnte in Zukunft Menschenleben kosten", warnt der SÜDKURIER.
Nun zu einem weiteren Thema. Nach dem Vorstoß der SPD-Chefin Esken für die regelmäßige Prüfung eines AfD-Verbots hat sich der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Schneider, dagegen ausgeprochen. Für die TAGESZEITUNGTAZ – würde ein Verbotsverfahren gegenwärtig wenig bewirken: "Es würde sich über Jahre ziehen; der Ausgang wäre offen. Es würde der Opfererzählung der AfD in den Wahlkämpfen Legitimation verschaffen und ist ganz sicher kein Ausweg aus dem Dilemma, dass im Herbst bei drei Landtagswahlen im Osten eine antidemokratische Partei stärkste Kraft werden kann. Jetzt braucht es vor allem effektive Gegenwehr der gesellschaftlichen Mehrheit, die sich gegen die rassistische Verrohung stellt", kommentiert die TAZ.
"Wer von den Ideen der AfD überzeugt ist, der wird nicht davon ablassen, wenn die Partei verboten werden soll", notiert die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg: "Ganz im Gegenteil: Man kann sogar davon ausgehen, dass die Anhänger der AfD sich dann erst recht hinter ihr versammeln würden. Schon jetzt baut die Selbsterzählung der AfD auf einer blinden Überzeugung auf, die man auch aus den USA von den Donald-Trump-Anhängern kennt: der Idee, dass sich die ganze Welt gegen sie verschworen habe. Es ist eine sehr bequeme Methode, sich jeder Kritik zu verweigern. Und trotzdem: Das Verfahren würde dieses Narrativ unterfüttern. Es würde die Radikalisierung der Partei und ihrer Anhänger womöglich beschleunigen", befürchtet die BADISCHE ZEITUNG.
"Hier zeigt sich das Dilemma der wehrhaften Demokratie in der offenen und demoskopisch ausgeleuchteten Meinungs-Gesellschaft", beobachtet die MÄRKISCHE ZEITUNG aus Frankfurt (Oder): "Ihre Waffen wirken nur gegen kleinere Parteien, die noch keine wirkliche Gefahr für das System darstellen. Ist der Gegner erst einmal groß geworden, müssen die anderen Parteien sie aus eigener Kraft besiegen - oder darauf hoffen, dass die Wähler sich wieder abwenden, womöglich sogar von einer Regierungspartei AfD. Die bisherigen Strategien von Brandmauer bis Ächtung, von Ausgrenzung bis Beschimpfung haben jedenfalls nicht funktioniert und für ein Verbot ist es zu spät", eruiert die MÄRKISCHE ODERZEITUNG. Und damit endet diese Presseschau.