08. Januar 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Neben den traditionellen Parteitreffen der FDP und der CSU zum Jahresbeginn sind die angekündigten Bauern-Proteste das dominierende Thema.

Teilnehmer einer Protestaktion gehen neben einem Traktor, an dem ein Schild mit der Aufschrift "Ampel-Wahnsinn - die Ampel spielt verrückt!" angebracht ist.
Die Bauern haben für den Januar zahlreiche Protestaktionen angekündigt. (picture alliance / dpa / Nadine Weigel / dpa / Nadine Weigel)
"Straßenblockaden, Fahrzeugkorsos, Großdemonstrationen. Ab diesem Montag stellen Deutschlands Bauern das Land eine Woche lang auf die Probe", schreibt die SÄCHSISCHE ZEITUNG aus Dresden: "Es wird eine Geduldsprobe für viele Autofahrer, es wird eine Machtprobe zwischen der Bundesregierung und der gut organisierten Landwirtschaftslobby. Und spätestens seit der Bedrohung von Wirtschaftsminister Robert Habeck an der Fähre von Schlüttsiel ist es auch eine Belastungsprobe für die Gesellschaft. Denn wir stehen vor der Frage: Schaffen wir es trotz der aufgeheizten Atmosphäre fair und anständig miteinander umzugehen? Oder zeigt sich hier tatsächlich eine neue Stufe der Verrohung in der politischen Auseinandersetzung?".
Die SCHWÄBISCHE ZEITUNG wirbt im Hinblick auf den Vorfall in Schlüttsiel für mehr Gelassenheit: "Natürlich, schön war das nicht, was Robert Habeck da am Fähranleger widerfahren ist. Aber es wurde niemandem ein Haar gekrümmt, es flog kein Ei, kein Farbbeutel und kein Stein, niemand wurde festgenommen und auch die Polizei wollte ausdrücklich nicht von Gewalt sprechen. Die Ampel-Mannschaft stürzte sich mit größter Inbrunst in die - natürlich 'schärfste' - Verurteilung des Vorfalls, mit dem sicherlich nicht unwillkommenen Nebeneffekt, dass die eigentlichen Anliegen der Bauern und ihrer Mitstreiter erst einmal in den Hintergrund gerieten. Dabei müssten diese Politprofis aus eigener Demonstrationserfahrung natürlich eigentlich ganz genau wissen, dass jeder Protest auch immer eine gewisse Anziehungskraft auf ein unerfreuliches und zumeist auch unerwünschtes Klientel ausübt. Den Fokus aber massiv auf diese Minderheit der Trittbrettfahrer zu lenken nimmt dem eigentlichen Protest seine Legitimität. Und das verhärtet die Fronten unnötig", warnt die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg.
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN kritisieren dagegen die Bauern: "Vertreter des Bauernverbandes, der sich bereits von mehreren Protesten distanziert hat, sollten sich fragen, ob manche Aussagen richtig und zielführend waren. Verbandsfunktionäre kündigten 'Proteste in einem noch nicht dagewesenen Ausmaß' an und drohten, 'das ganze Land lahmzulegen'. Mit solchen Äußerungen hat der Verband die explosive Stimmung mit angeheizt."
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE zeigt sich entsetzt: "Sie proben jetzt den Aufstand, als hätte sich die Bundesregierung nicht ein großes Stück auf sie zubewegt. Dabei spielt die Bauern-Lobby mit dem Feuer. Denn die Rechten zündeln, wo sie nur können."
DER NEUE TAG aus Weiden appelliert an die Landwirte: "Verschiebt die Demos, lasst die Traktoren auf den Höfen. Überlasst die Proteste nicht denen, die euch nur für ihre Umsturz-Fantasien benützen."
Auch die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG erhebt Vorwürfe gegen den Bauernverband - jedoch in anderer Hinsicht: "Nicht nur jene Landwirte, die jetzt durch übergriffiges Verhalten gegen Politiker oder das Zeigen extremer Symbole auffallen, sind ein Problem. Es ist auch der Bauernverband selbst, der ein Vakuum in der Landwirtschaft hinterlassen hat: Durch einseitige Politik für die großen Erzeuger hat er die Belange der kleinen Betriebe aus den Augen verloren."
"Für die protestierenden Landwirte steht heute viel auf dem Spiel", fügt die VOLKSSTIMME aus Magdeburg an: "Nicht nur finanziell - wobei ihre Erfolgsaussichten im Kampf gegen kurzfristige Subventionskürzungen angesichts des von einer verunsicherten Ampel bereits angebotenen Kompromisses gar nicht so schlecht scheinen. Aber sollten sich Hunderttausende Berufspendler durch die angekündigten stundenlangen Straßenblockaden von wütenden Landwirten in Geiselhaft gegen Fehler der Regierung genommen fühlen und zudem Neonazis und Reichsbürger die Bauernproteste unterwandern, droht die öffentliche Stimmung zu kippen", prophezeit die VOLKSSTIMME.
Der MÜNCHNER MERKUR macht die Bundesregierung für die Prostete mitverantwortlich: "Deutschland ist an einem Kipppunkt angelangt. Es kippt das gesellschaftliche Klima, die Bereitschaft, einander zuzuhören und gewaltfrei nach fairen Lösungen zu suchen. Das Land ist im Aufruhr. Immer mehr Gruppen nehmen das Recht in die eigene Hand und drohen das Leben der anderen lahmzulegen: die Bauern, die Lokführer, die 'Letzte Generation'. Die Ampel schiebt die Schuld auf die sich auftürmenden äußeren Krisen. Doch gehört eben auch zur Wahrheit, dass die von tiefen ideologischen Gräben gelähmte Regierung den Bürgern nie das Gefühl vermitteln konnte, dass das Land bei ihr in guten Händen ist", meint der MÜNCHNER MERKUR.
Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sieht eine Mitschuld der Regierung: "Diese, allen voran das Kanzleramt und das Bundesfinanzministerium, konnte nicht ernsthaft damit rechnen, einen ruhigen Haushaltsherbst zu erleben. Mit ihrer Reaktion - schuld seien Karlsruhe und die Schuldenbremse - verbreitete sie ein Signal, das sich nun als fatal erweist. Wenn sich schon die Bundesregierung als die unschuldig Leidtragende einer höchstrichterlich ausgelegten Schuldenbremse hinstellt, müssen sich Landwirte, stellvertretend für viele andere Berufsgruppen, erst recht als Opfer ungerechtfertigter Kürzungen fühlen. So höhlt man in Berliner Ministerien und Parteizentralen aus, was mit breiter Mehrheit im Bundestag einmal beschlossen wurde. Dass sich nun zum wiederholten Male Trittbrettfahrer aufmachen, die Unzufriedenen rechts zu überholen, wen wundert es?", konstatiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
"Dem Bauernverband geht es nach dem Teilrückzug der schlingernden Ampel längst nicht mehr nur um Agrardiesel-Subventionen; hier soll ein Signal für den erhofften Machtwechsel gesetzt werden", schätzen die STUTTGARTER NACHRICHTEN: "Der Protest ist legitim, aber auch an der Grenze zur Maßlosigkeit. Die Landwirte müssen zeigen, dass sie den Zuspruch vieler Bürger rechtfertigen und sich nicht von extremen Kräften vor den Karren spannen lassen wollen."
Das HANDELSBLATT zeigt sich besorgt: "Die entgleisten Bauernproteste zeigen, wie AfD-Methoden in die Mitte der Gesellschaft getragen werden. Die Ereignisse könnten daher nur ein Vorgeschmack sein auf das, was noch kommt. 2016 waren die Deutschen laut einer Studie innerhalb der EU das am wenigsten empfängliche Volk für populistische Politik. Nun scheinen sie im Zeitraffer nachzuholen, was in Frankreich, Großbritannien oder den USA bereits seit einiger Zeit stattfindet: Die Radikalisierung frisst sich von den Rändern in die Mitte der Gesellschaft."
Das Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart ist Thema in der FRANKFURTER RUNDSCHAU. Das Blatt richtet den Fokus auf die Spitzenkandidatin der Liberalen für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann: "Jetzt soll sie nichts weniger als die Partei in diesem Jahr vor dem Untergang bewahren. Die Umfragewerte für die FDP im Osten des Landes sind verheerend. Daher liegt die Hoffnung auf einem guten Abschneiden bei der Europawahl und einer anschließenden Trendwende für die anstehenden Landtagswahlen. Es sind sehr viele 'Wenns' in dieser Rechnung. Dass die FDP nichts zu verschenken hat, wird sich auch in der Regierung bemerkbar machen. Für die Bundespolitik heißt das: Die Jahreszahl hat sich geändert, die Probleme sind die gleichen."
Von der FDP zur CSU. Diese konnte den KÖLNER STADT-ANZEIGER auf ihrer Klausurtagung im Kloster Seeon nicht überzeugen: "Die CSU scheint die Strategie zu verfolgen, vor allem mit Kritik an der Ampel Wähler an sich zu binden. Ihr Hauptgegner sind offenbar die Grünen – doch gegen die noch schrilleren Töne von Freie-Wähler-Chef Aiwanger und von der AfD dringen ihre Parolen kaum durch. Zudem fehlt eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD, die in Umfragen zweitstärkste Kraft ist. Die CSU muss im Schulterschluss mit der Schwesterpartei viel mehr tun, um die AfD zu demaskieren – gerade mit Blick auf die Landtagswahlen im Osten und die spätere Bundestagswahl.“ Mit dieser Stimme des KÖLNER STADT-ANZEIGERS endet die Presseschau.