23. Februar 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Kommentaren zum sogenannten Wachstumschancengesetz und zur Einigung im Vermittlungsausschuss über ein Transparenzgesetz für Kliniken. Zunächst aber geht es um die weitere militärische Unterstützung der Ukraine. Der Bundestag hat einem Antrag zur Lieferung weiterer Waffensysteme zugestimmt. Taurus-Marschflugkörper werden darin nicht explizit genannt.

Ein Tornado-Kampfjet steht auf dem Rollfeld eines Flughafens, davor liegt ein Luft-Boden-Marschflugkörper vom Typ Taurus.
Die Bundesregierung zögert, Luft-Boden-Marschflugkörper "Taurus" an die Ukraine zu liefern. (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
Die BADISCHE ZEITUNG schreibt: "Deutschland liefert das Nötige oft zu spät, und das verschafft dem Kriegsverbrecher im Kreml ein ums andere Mal Zeit und damit militärische Vorteile. Die Vorsicht des Olaf Scholz in allen Ehren: Seine faktische Blockade in Sachen Taurus treibt die Ukraine in ohnehin bedrängter Lage weiter in die Defensive. Wladimir Putin wird frohlocken. Wie war das nochmal mit der These, die Ukraine verteidige auch Europas Freiheit? Im Bundestag war davon wenig zu spüren", kritisiert die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg.
Scholz müsse gute Gründe für seine Vorsicht haben, notiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Anders wäre seine Weigerung kaum zu rechtfertigen. Die Ukraine hat entgegen aller Erwartungen schon zwei Jahre einer der größten Armeen der Welt widerstanden. Zuletzt aber erlitt sie herbe Rückschläge. Tausende kamen um, große Teile des Landes liegen in Trümmern. Die Ukraine kann diesen Krieg immer noch verlieren. Der Kurswechsel des Bundestages muss daher auch Konsequenzen nach sich ziehen. Flugabwehr und Munition – die Ukraine braucht beides. Jetzt. Sonst ist der Beschluss das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht", mahnt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
"Es ist beschämend, welchen Eiertanz die Ampelfraktionen veranstalten", heißt es in der LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG. "Noch peinlicher wird die ganze Angelegenheit durch die Zustimmung der FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, zum Antrag der Unionsfraktion, der Taurus beim Namen nennt. Mit dem Ausscheren aus der Fraktionsdisziplin hat die Freidemokratin Oppositionsführer Friedrich Merz einen kurzen Triumph beschert. Der Ukraine ist damit jedoch nicht geholfen", urteilt die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER meint: "Natürlich muss man der FDP-Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann zugute halten, dass sie ihr Votum als eine Gewissensentscheidung sieht. Auch hat SPD-Fraktionschef Mützenich den Ukraine-Antrag so formuliert, dass man ihn nicht unbedingt als Angriff auf den eigenen Kanzler verstehen muss. Zudem ist wegen einer Abweichlerin die Parlamentsmehrheit der Regierung nicht in Gefahr. Dennoch ist dieses Verhalten falsch. Denn es sind nur politische Spielchen, die nichts ändern und auch der Ukraine nicht helfen. Dabei ist allen Beteiligten klar, wie eine gesichtswahrende Lösung aussehen könnte: Deutschland liefert Taurus-Marschflugkörper über einen Ringtausch an die Ukraine", hält der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER fest.
ZEIT ONLINE führt an: "Strack-Zimmermann rettet mit ihrer Abstimmung gegen die Ampel nicht die Ukraine, was die Sache verständlich gemacht hätte. Nein, sie begeht nur ein Foul mit Ansage an ihrer Koalition, die ohnehin nur noch humpelt. Eigenprofilierung geht für sie offenbar vor Bündnisdisziplin. SPD und Grüne reagierten merklich verstimmt. Ein weiteres Mal zeigen ihnen die Liberalen, dass sie in dieser Regierung fast nichts mehr hält. Für die Ampel verheißt das im heraufziehenden Wahlkampf nichts Gutes: jeder für sich und im Zweifel gegen die Koalition", unterstreicht ZEIT ONLINE.
Nun zur Wirtschaft. Beim sogenannten Wachstumschancengesetz gibt es weiter keine Einigung zwischen der Regierung und der Union. Das HANDELSBLATT kommentiert: "Dass die Union vermeintliche politische Geländegewinne über das Wohl der Wirtschaft stellt, schadet nicht nur der Wirtschaft. Die Union begeht auch einen strategischen Fehler. Statt sich als staatstragende, seriöse Regierung in Wartestellung zu präsentieren, spielt sie immer mehr Fundamentalopposition - und betreibt damit das gleiche Geschäft wie die Bundesregierung, auf die sie so gern mit dem Finger zeigt. Streit statt Kompromiss, Stillstand statt Fortschritt: Das gilt nicht nur für die Ampelkoalition, sondern ist offenbar auch die Devise bei der Union", moniert das HANDELSBLATT.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf hält fest: "Der Union sind die Bauern, die als Unternehmer ebenfalls vom Wachstumschancengesetz profitieren würden, wichtiger als die Gesamtwirtschaft. Ihr destruktives Spiel wird in den kommenden Wahlkämpfen sicher nicht vergessen. In Deutschland scheint eine konstruktive Wirtschaftspolitik derzeit nicht möglich."
Die TAGESZEITUNG gibt zu bedenken: "Selbst Wachstumskritiker:innen dürfte es nicht ganz geheuer sein, wenn die drittgrößte Volkswirtschaft in Zeiten geopolitischer Verwerfungen wirtschaftlich und politisch ins Schlingern gerät. Das Wachstumschancengesetz, so mickrig es auch ausfällt – nicht einmal die Hälfte der geplanten Steuererleichterungen kommt –, hätte zumindest gezeigt, dass die Politik handlungsfähig ist. Aber das will die Union ja gerade verhindern. Sie will die Ampel scheitern sehen. Eine riskante Strategie", unterstreicht die TAZ.
Zum Schluss noch Kommentare zur Einigung im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat über das Transparenzgesetz für Kliniken. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG bemerkt: "Demnächst sollen Patienten in einem noch zu schaffenden Klinikatlas einen Überblick erhalten, welche Leistungen ein Krankenhaus anbietet, wie erfahren das Personal ist, und wie hoch die Komplikationsraten bei bestimmten Eingriffen. Die Idee dabei: Die Menschen werden das für ihr Gebrechen am besten geeignete Haus wählen. Und so verbessert sich insgesamt die Versorgung. Das klingt plausibel. Das Gesetz wird aber fast zwangsläufig auch dazu führen, dass viele Patienten künftig um einen großen Teil der 1700 Krankenhäuser in Deutschland einen weiten Bogen machen – und diese über kurz oder lang nicht mehr lebensfähig sind. Dass Lauterbach gerade das mit seiner Reform anstrebt, ist keine böse Unterstellung. Da der Prozess, den manche einen 'kalten Strukturwandel' nennen, recht ungeordnet verläuft, ist aber nicht absehbar, welche Häuser schließen. Wenn es dumm läuft, sind plötzlich ganze Landstriche in Deutschland nicht besser versorgt, wie es der Minister verspricht, sondern gar nicht mehr. Die Sache kann also immer noch böse enden für Karl Lauterbach", befürchtet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE kritisiert: "Vieles spricht dafür, dass es dem SPD-Minister möglicherweise gar nicht wirklich so sehr um die Transparenz geht, die das Krankenhaustransparenzgesetz in seinem Namen verspricht. In Wahrheit soll das Gesetz viel Geld von kleineren Krankenhäusern in Richtung der Unikliniken lenken, die der Minister von Haus aus für besser und moderner in der Behandlung hält als die Angebote in der Fläche. Der Atlas soll seine These untermauern und die Patientenströme entsprechend steuern. Ob diese Rechnung aufgeht, ist fraglich. Schon ähnliche Internetregister für Pflegeheime oder auch der Lebensmittel-Nutriscore blieben reine Alibiveranstaltungen und brachten in der Realität keine Verbesserungen", heißt es in der AUGSBURGER ALLGEMEINEN.
"Eine Zentralisierung und Spezialisierung der Kliniken ist überfällig", betont indes die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG. "Ebenso der Umbau der nicht mehr benötigten Krankenhäuser zu Gesundheitszentren, die sich nur um kleinere Eingriffe und die Pflege von Patienten kümmern. Damit verbunden ist die Umstellung der Finanzierung. Auch das Ziel, die Behandlungsqualität von Kliniken transparent darzustellen, verdient Unterstützung. Doch es ist nun einmal so, dass weitgehend die Länder für die Kliniken zuständig sind. Daher sind bei Verhandlungen mit ihnen Fingerspitzengefühl, Finesse und die Fähigkeit zur Bildung von Allianzen nötig - Dinge, die der fachlich versierte Lauterbach nur wenig beherrscht", argumentiert die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle.