15. März 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen sind die Empfehlungen des ersten Bürgerrats zur Ernährung und das Gerichtsverfahren zur Beobachtung der AfD. Vorherrschendes Thema ist jedoch die gestrige Taurus-Abstimmung im Bundestag.

Der deutsch-schwedische Luft-Boden-Marschflugkörper Taurus wird in einem Showroom beim europäischen Rüstungsunternehmen MBDA (Matra BAe Dynamics Aerospatiale) präsentiert. Es ist ein grauer Gegenstand mit Metallhülle, auf dem TAURUS steht.
Deutschland wird vorerst keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. (picture alliance / dpa / Matthias Balk)
Die Magdeburger VOLKSSTIMME schreibt dazu: "Für den parlamentarischen Wirbelsturm, den die Unionsparteien vor der erneuten Taurus-Abstimmung losgetreten hatten, war das Resultat im Bundestag letztlich äußerst dünn. Lediglich knapp über der Fraktionsstärke von CDU/CSU lag die Zustimmung für die Raketen-Lieferung an die Ukraine. Das Votum war gleichzeitig ein verkappter Misstrauensantrag gegen Kanzler Olaf Scholz. Ziel verfehlt – Unions-Chef Friedrich Merz ist mit der Demontage des Regierungschefs krachend gescheitert", urteilt die Magdeburger VOLKSSTIMME.
Anders sieht es die Koblenzer RHEIN-ZEITUNG: "Sollte Merz die Absicht gehabt haben, mit seinem Taurus-Kurs die Ampel in die Zermürbung zu treiben, so ist ihm das gelungen. Die Rede von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im Bundestag war eine harte Abrechnung nicht nur mit der Opposition, sondern insbesondere mit den eigenen Koalitionspartnern. In einer Ehe würde man sagen, da hat jemand die Scheidungspapiere zur Unterschrift vorgelegt. So agierten auch die Grünen im Parlament. Es hat sich gezeigt: Die Gräben in der Ampel sind inzwischen so tief, tiefer geht es kaum noch. Gleichwohl hat der Taurus-Kurs der Union dem Kanzler und der SPD kräftig dabei geholfen, für sich eine neue Strategie in der Ukraine- und Russlandpolitik zu entdecken – die als Hüter des Friedens. Scholz scheint damit einen Weg gefunden zu haben, um beim Wähler wieder verstärkt zu reüssieren. Merz ist das noch nicht gelungen", beobachtet die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz.
Die PFORZHEIMER ZEITUNG fragt: "Reicht es jetzt endlich? Wieder haben sich die Ampel und die Opposition im Bundestag gezankt wie die Kesselflicker. Es hat sich abermals gezeigt, dass die Koalition in dieser Frage gespalten ist. Doch der Antrag von CDU und CSU bekam insgesamt weniger Stimmen als die Union Mandate hat. Nun kann sie ihn immer wieder stellen und die Haltung des Kanzlers schrill kritisieren. Es wird dem Ernst des Themas aber nicht gerecht, wenn die Union Scholz in die Enge zu treiben versucht. Statt sich an der Taurus-Frage festzubeißen, sollten Ampel und Union lieber gemeinsam überlegen, wie der Ukraine geholfen werden kann", so der Appell der PFORZHEIMER ZEITUNG.
Das Düsseldorfer HANDELSBLATT schreibt: "Der Kanzler sagt, seine Verantwortung liege darin, einen Krieg mit Russland zu verhindern. Das allerdings wollen die westlichen Partner auch. Damit unterstellt er den Waffenlieferanten, die keine roten Linien ziehen, unterschwellig, keinen Frieden zu wollen. Das Gegenteil ist der Fall: Sie sehen Waffenlieferungen und die militärische Schwächung Putins – nicht zu Unrecht – als Voraussetzung für Friedensverhandlungen. Der Einzige, der keinen Frieden will, ist Putin selbst", befindet das HANDELSBLATT.
Die NÜRNBERGER ZEITUNG kritisiert die Haltung des Bundeskanzlers: "Die Absolutheit des Kanzler-Bastas ist der eigentliche Fehler. Es ist falsch, in Deutschland, der EU oder der Nato Angst zu erzeugen. Wenn Angst überhaupt ein Mittel der Außenpolitik ist, dann geht es darum, sie beim Gegner zu erzeugen, und dabei hilft Stärke durch Abschreckung. Vielleicht lässt sich der Kanzler heute von dem französischen Präsidenten erklären, wie Drohgebärden funktionieren. Emmanuel Macron scheint in den vergangenen zwei Jahren in dieser Sache dazugelernt zu haben", analysiert die NÜRNBERGER ZEITUNG.
Die Zeitung ND DER TAG schreibt: "Das Verhalten erinnert an ein nerviges Kleinkind, das alle halbe Stunde bei Mama oder Papa nach Schokolade fragt: Die Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine wird von den Unionsparteien sowie von FDP und Teilen der Grünen beharrlich auf der politischen Agenda gehalten. Oberstes Ziel dieses Dauerfeuers ist es, das Nein von Kanzler Olaf Scholz soweit aufzuweichen, dass das Waffensystem über Umwege (Stichwort Ringtausch) doch noch zu den blau-gelben Waffenbrüdern gebracht wird. Die ständigen Taurus-Debatten sollen eben auch die Meinung an der Heimatfront beeinflussen. Und das könnte sogar klappen. Wie beim Kleinkind, das den Papa solange nervt, bis der nachgibt und die Schokolade kauft", findet die Zeitung ND DER TAG.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) blickt auf die Empfehlung des ersten Bürgerrats: "Mit seiner Kernforderung, dem kostenlosen Mittagessen in Schulen und Kitas, hat der erste Bürgerrat einen wertvollen Beitrag geliefert. Dass sich dieses Investment gesamtgesellschaftlich lohnt, zeigt ein Blick nach Schweden. Schwedische Ökonomen haben in einer aufwendigen Studie nachgewiesen, dass dies dem Wachstum der Jungen und Mädchen genauso signifikant half wie ihrer Chance, einen Universitätsabschluss zu erreichen – und damit unter dem Strich zu einem drei Prozent höheren Lebenseinkommen führte. Für Kinder aus armen Familien war der Effekt sogar doppelt so hoch", so die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Ähnlich sieht es die FRANKENPOST aus Hof: "Die Idee eines kostenlosen Schulessens hat nichts mit einem utopischen 'Wünsch-Dir-was' zu tun, sondern ist durch und durch sinnvoll. Nichts hindert beim Lernen so sehr wie ein leerer Magen. So banal es klingt: Bildungsgerechtigkeit beginnt mit gutem und möglichst gesundem Essen", befindet die FRANKENPOST.
Ganz anders sehen es die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN: "Ein Bürgerrat für Ernährung klingt nach einer feinen Idee für mehr demokratische Teilhabe. Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder in Schulen und Kitas, eine Tierwohlabgabe, der auch die Landwirte einiges abgewinnen könnten, eine ermäßigte Steuer für gesunde Lebensmittel: Viele Vorschläge, die das Gremium gestern im Bundestag unterbreitet hat, klingen mehrheitsfähig. Umso unterkühlter fielen die Debattenbeiträge im Parlament aus. Die SPD sprach von 'wertvollen Impulsen', die Grünen sicherten eine 'ernsthafte Prüfung' zu, die FDP wiederum tat alles als 'Wünsch-Dir-Was' ab. Die Bandbreite der Reaktionen aus den Ampelparteien lässt erahnen, was mit den Vorschlägen passiert: Zuerst werden sie zerredet, danach abgeheftet", vermutet die MEDIENGRUPPE BAYERN.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG geht ein auf die vertagte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster zur Beobachtung der AfD: "Die AfD diktiert den Richtern und dem beklagten Bundesamt für Verfassungsschutz ihren Zeitplan. Immerhin musste die Verhandlung am Mittwochabend vertagt werden; wann es weitergeht und wann ein Urteil fallen wird, ist noch ungewiss. Doch das Taktieren der Partei ist ein Ausdruck ihrer Nervosität. So oft AfD-Politiker und Anwälte der Partei auch betonen mögen, dass sie fest davon ausgehen, dass das Gericht ihnen in der Berufungsklage gegen die Einstufung und Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz recht geben wird, so wenig dürften die meisten von ihnen daran glauben", meint die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG analysiert: "In Münster nutzt die Partei die rechtsstaatlichen Instrumente auf fragwürdige Weise: Die AfD-Anwälte kündigten mehr als 200 Beweisanträge an, obwohl die Streitparteien bereits auf Hunderten Seiten ihre Argumente und Belege vorgelegt hatten. Sie forderten diverse Sitzungspausen, überzogen die Richter mit Befangenheitsanträgen. Die AfD mag so für einige Monate ein Urteil abwenden. Am Grundproblem ändert sich dadurch nichts: dass der Rechtsdrall weite Teile der Partei in den Extremismus geführt und Hetzern eine Bühne bereitet hat. Der große juristische Aufwand, den die AfD betreibt, wäre an anderer Stelle besser angelegt. Nämlich gegen die Leute in den eigenen Reihen vorzugehen, die von einer angeblichen Diktatur in Deutschland faseln, von Totalitarismus oder vom Volkstod", rät die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.