04. April 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Im Mittelpunkt der Kommentare steht das 75-jährige Bestehen der NATO. Außerdem wird die Kritik des BDI-Präsidenten an Bundeskanzler Scholz für dessen Wirtschaftspolitik sowie der weitere Diskurs über die Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung kommentiert.

Fahnen der NATO-Mitgliedsstaaten vor dem Brüsseler NATO-Hauptquartier neben einem Schild mit der Aufschrift NATO.
Seit dem Betritt von Schweden und Finnland hat die NATO 32 Mitgliedsstaaten (imago / photothek / Janine Schmitz)
Nach Ansicht der FRANKFURTER RUNDSCHAU dürften nur wenige das 75-jährige Bestehen der NATO ausgiebig feiern: "Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine stellt die NATO-Staaten vor Herausforderungen, die sie noch lange nicht gemeistert haben. Derzeit gelingt es ihnen nicht, die ukrainische Armee für die Verteidigung des Landes ausreichend mit Waffen und Munition zu versorgen. Zusätzlich hat der Konflikt die Schwachstellen der NATO offengelegt. Nun müssen sich vor allem die europäischen NATO-Staaten für die russische Bedrohung rüsten. Das ist teuer und beschränkt sich nicht alleine auf das Militärische, sondern auch auf Cyberabwehr und anderes. Und sie müssen sich darauf vorbereiten, dass die USA sich weniger in Europa engagieren werden, egal wie der künftige Präsident heißt", stellt die FRANKFURTER RUNDSCHAU fest.
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg merkt an, dass die USA bereits - Zitat - "sichtbar kriegsmüde" geworden seien: "Vor allem, weil kein Sieg der wehrhaften Verteidiger in Reichweite ist. Die Last dieses Waffengangs wird aller Wahrscheinlichkeit nach zunehmend von Europa zu tragen sein. Erst recht in dem Fall, sollte Putin sich große Teile der Ukraine einverleiben."
"Es gibt bei der NATO kein Konzept, keinen Plan, Putin zum Aufgeben zu bewegen", bemängelt die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz: "Es ist wie eine Einladung an den Aggressor, das in der Ukraine mit Erfolg getestete Vorgehen auch am Rand der NATO-Staaten vorzubereiten. Mit Infiltration, Destabilisierung, inszenierten Hilferufen. Seit 2014 sieht die NATO dabei zu. Erst jetzt hat sie damit begonnen, Verteidigungspläne aufzuschreiben und im Laufe der nächsten Jahre mit Material und Personal zu unterfüttern. Die Bedrohung des Weltfriedens durch Moskau und Peking würde die Gründung eines einigen und entschlossenen westlichen Bündnisses erfordern. Doch es gibt halt schon die NATO, und die kann an ihrem Geburtstag vor Kraft nicht laufen", moniert die RHEIN-ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG warnt: "Abwarten und Tee trinken genügt nicht, wenn es um die nationale Sicherheit geht. Die NATO ist Deutschlands Lebensversicherung. Berlin muss alles in seiner Macht Stehende tun, um Amerika im Bündnis und in Europa zu halten."
"Für eine eigenständige Sicherheitspolitik fehlt es Deutschland und Europa weder an Wirtschaftskraft noch an technischem Know-how", analysiert DER TAGESSPIEGEL aus Berlin: "Die deutsche Rüstungsindustrie stellt Spitzenprodukte wie den Kampfpanzer Leopard und den Marschflugkörper Taurus her. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt ist anderthalbmal so groß wie das russische, das der EU siebenmal so groß. Warum hat Europa Angst vor Russland, warum zeigt Putin keine Furcht vor Europa? Und wie würde der Ukraine-Krieg enden, wenn Europa seine Überlegenheit voll nutzen würde?", fragt sich DER TAGESSPIEGEL.
"Wie kaum eine andere politische Organisation wird die Nato geliebt und gehasst", unterstreicht die VOLKSSTIMME aus Magdeburg: "Seit einem dreiviertel Jahrhundert gilt der Militärpakt als Garant westlicher Sicherheit und als rotes Tuch bei allen Friedensfreunden. Der Hauptfeind ist gleich geblieben – und steht im Osten Europas. Zuerst war es die Sowjetunion inklusive ihrer im Krieg erbeuteten Satellitenstaaten. Nachdem diese sich 1989 abgesprengt hatten, ist es heute das aggressive Russland. Der Ukraine-Krieg beschleunigt die notwendige Umgestaltung des Bündnisses. Europa muss innerhalb der NATO die eigenen Kräfte bündeln. Der Verlass auf die USA und ihre atomare Stärke hat zwar die Sicherheit gebracht, aber auch böse Erfahrungen: Der sinnlose Irak-Krieg und der erfolglose Afghanistan-Einsatz waren desaströse Unternehmungen, in denen die NATO eine zentrale Rolle einnahm", erinnert sich die VOLKSSTIMME.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG meint: "Zum 75-jährigen Bestehen erweist sich die NATO im Vollbesitz ihrer Kräfte. Ihre Mitgliedsstaaten erhöhen die Rüstungsausgaben, proben den Transport von Mensch und Material quer durch Europa und stationieren zusätzliche Truppen an der Ostflanke. Wegweisende Entscheidungen wurden im Eiltempo getroffen. Schweden und Finnland sind als Neumitglieder im Boot und verleihen der NATO im Ostseeraum noch mehr Gewicht. Mit seiner imperialen Großmachtspolitik hat Russlands Präsident Putin die Nordländer in die Arme der NATO getrieben und damit das erreicht, was er doch verhindern wollte: eine massive Stärkung der Allianz." So weit die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG. Und so viel zu diesem Thema.
Der BDI-Präsident Russwurm hat Bundeskanzler Scholz für dessen Wirtschaftspolitik kritisiert. Die bisherige Regierungszeit seien zwei verlorene Jahre gewesen, hatte Russwurm gesagt. Die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN notieren: "Unbequem war Russwurm für die Politik schon immer. Doch nun hat er sich seinen Frust über die Politik der Ampel-Koalition nicht nur in kleiner Runde, sondern öffentlich von der Seele geredet. Der BDI-Chef ist fertig mit dieser Regierung. Anders sind seine Worte, mit denen er das dünne Tischtuch zwischen ihm und dem Kanzler zerschneidet, nicht zu interpretieren. Endlich sagt’s mal einer, wird mancher denken. Aber wir sind hier nicht beim politischen Frühschoppen. Deutschland kann sich Sprachlosigkeit und menschliche Eiszeit zwischen Regierungschef und Industrieboss nun wirklich nicht leisten", heißt es in den Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN.
Die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG kommentiert: "Es gibt bereits etliche Vorschläge, wie die Verkrustungen aufgebrochen und neue Wachstumskräfte freigesetzt werden könnten. Doch die Regierung aus SPD, Grünen und FDP hat nur einen kleinen Teil davon aufgegriffen. Sollte die Koalition nicht bald die Kurve kriegen, könnte die Bilanz am Ende der Legislaturperiode tatsächlich lauten: vier verlorene Jahre."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG führt an: "Neben den Nettoinvestitionen weisen auch andere wichtige, im allgemeinen Diskurs aber wenig beachtete Wirtschaftsindikatoren seit längerer Zeit in eine einzige Richtung – in die falsche. Die einst so hohe Produktivität der deutschen Wirtschaft etwa, der wichtigste Wettbewerbsvorteil im internationalen Konkurrenzkampf, ist seit Jahren rückläufig. Gleiches gilt für das sogenannte Potenzialwachstum, jene Rate also, mit der die gesamtwirtschaftliche Leistung in konjunkturell normalen Zeiten zulegen könnte. Nun ist Wirtschaftswachstum noch kein Wert an sich. Ohne Wachstum aber gibt es auch nichts zusätzlich zu verteilen – ein Problem in einem Land, in dem die Ansprüche vieler Menschen immer weiter steigen", konstatiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Nach wie vor streitet die Ampel-Koalition über die Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung. Dazu schreibt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER: "5.000 Stellen will Familienministerin Paus neu schaffen, um die geplante Kindergrundsicherung verwalten und auszahlen zu können. Bedauerlich ist, dass der Streit um die Stellenzahl geeignet ist, eine sinnvolle Reform zu diskreditieren. Dabei wäre es aller Mühe wert, sie endlich zu beschließen", findet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER glaubt, dass es bei der Debatte auch um Einsparungen im nächsten Haushalt gehe: "Es geht darum, dass die FDP den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer erhöhen, die Unternehmenssteuern senken, das gerade erst beschlossene Bürgergeld reformieren und diese Forderung nicht der Union überlassen will. Eine Wirtschaftswende wollen die Liberalen dann auch noch für sich beanspruchen. Doch reicht es jetzt mit dem Verhandlungsgetöse. Die Ampel täte gut daran, bald einen Kompromiss vorzulegen." Mit diesem Kommentar aus dem KÖLNER STADT-ANZEIGER endet die Presseschau.