05. April 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

In den Kommentaren geht es um Berichte über Hunderte rechtsextremistische Verdachtsfälle bei der Polizei sowie um die Forderung, einige Selbstzahler-Angebote in Arztpraxen zu verbieten. Zunächst aber zur Bundeswehr-Reform.

Der Verteidigungs-Bundesminister Boris Pistorius schaut durch einen Feldstecher.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat Reformpläne für die Bundeswehr. (imago / Funke Foto Services / Maurizio Gambarini )
"Der schwierigste Teil ist geschafft", meint die MEDIENGRUPPE BAYERN: "Verteidigungsminister Pistorius darf sich auf die Schulter klopfen: Er hat eine Strukturreform bei der Bundeswehr durchgesetzt. Das allein ist als Erfolg zu werten. Der SPD-Politiker hat einfach mal gemacht – ohne großen Vorlauf, ohne vorab viele Worte über die Pläne zu verlieren und ohne Unruhe in der Ampel zu stiften. Durchsetzen musste er sich im Umstrukturierungsprozess vor allem gegen die internen Strippenzieher, hochrangige Generäle, die bei jeder Reform um Macht und Einfluss fürchten und sich dementsprechend zur Wehr setzen", betont die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG meint: "Es ist sinnvoll, dass nun nur noch ein Führungskommando für Inlands- wie Auslandseinsätze zuständig sein soll. Wichtig ist auch, der weiter wachsenden Bedeutung des Cyberraums und der hybriden Kriegsführung Rechnung zu tragen. Merkwürdig bleibt aber, dass die vermeintlich effizienteren Strukturen nicht mit einem Abbau des personellen Wasserkopfs an der Spitze einhergehen."
Das STRAUBINGER TAGBLATT sieht es so: "Die effektivsten Reformen nutzen nichts, wenn es nicht genügend Soldaten gibt. Für sein wohl größtes Problem, den Mangel an geeignetem Bundeswehrnachwuchs, hat Pistorius noch keine Patentlösung gefunden. An einer sehr breit angelegten gesamtgesellschaftlichen Diskussion über künftige Strategien zur Rekrutierung führt kein Weg vorbei."
Der SÜDKURIER widerspricht: "Mit mehr als 181.000 Soldatinnen und Soldaten hat die Armee weitaus dringendere Probleme als die Wiedereinführung einer Wehrpflicht. Die Bundeswehr hat nach wie vor zu wenig Panzer, zu wenig Ersatzteile, zu wenig Munition – und zu wenig Geld, um die teils runtergerockten Kasernen aufzuwerten. Diese grundlegenden Fragen sollten geklärt sein, bevor man über die Einführung einer neuen Wehrpflicht überhaupt erst nachdenkt", unterstreicht der SÜDKURIER aus Konstanz.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle (Saale) stellt heraus: "Eigentlich kennt das Grundgesetz nur den Verteidigungsfall. Doch Pistorius spricht bewusst von Kriegsfall. Seine Botschaft: Alle mal aufwachen, die Lage ist ernst. Selbst im Kalten Krieg war die Lage kaum so explosiv wie seit Russlands Überfall auf die Ukraine. Wer jetzt zur Bundeswehr geht, muss 'kriegstüchtig' sein."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG erklärt: "Bei der Reform geht es nicht um mehr Waffen, sondern um weniger Bürokratie. Viele Armeen kennen das Problem, dass Verwaltung, Personalwesen und Organisation eine natürliche Tendenz haben, auf Kosten der kampffähigen Truppe zu wachsen. Ganz bestimmt kennt es die Bundeswehr. Zwar werden die kommenden Herkulesaufgaben durch die Strukturreform nicht gelöst: die dauerhafte Finanzierung einer Streitmacht, welche die NATO-Mindestkriterien der gemeinsamen Verteidigung erfüllt, und die Frage eines neuen Wehrdienstmodells. Aber ohne diese Reform wären sie wohl erst gar nicht zu lösen", ist die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG überzeugt.
In den Zeitungen der OM-MEDIEN aus Vechta heißt es: "Ob Pistorius' Reformpläne schnell greifen, bleibt abzuwarten. Die Bundeswehr ist noch immer ein schwerfälliger Koloss, der sich nach Jahren des Sparzwangs nur mühsam in Bewegung bringen lässt. Genauso entscheidend wird sein, wie die Bevölkerung die neue Bundeswehr annimmt. Aufgabe der Politik wäre jetzt, den Menschen zu erklären, wie sich die Welt um uns herum gerade verändert und dass wir durch mangelnde Verteidigungsbereitschaft unser freies Leben gefährden. Pistorius tut das. Seine eigene Partei - die SPD - ist nach zwei Jahren Ukraine-Krieg noch immer nicht soweit", monieren die OM-Medien, zu denen unter anderem die OLDENBURGISCHE VOLKSZEITUNG gehört.
Themenwechsel. In den Kommentaren geht es auch um die Berichte über rechtsextremistische Verdachtsfälle bei der Polizei - es sind mindestens 400. Nach Ansicht der FRANKFURTER RUNDSCHAU ist das nur die "Spitze eines Eisbergs": "Gerade Alltagsrassismus ist ein gravierendes Problem. Rechte Chatgruppen von Polizeibediensteten fliegen regelmäßig nur dann auf, wenn Ermittlungsbehörden wegen eines anderen Verdachts Zugriff auf die Mobiltelefone erhalten. Immer wieder zeigt sich, dass Vorgesetzte von der rechten Gesinnung ihrer Untergebenen wussten, aber nicht eingegriffen haben. Und auch wenn Fälle klar sind, ziehen sich Disziplinarverfahren gerne über viele Jahre hin. Konsequentes Durchgreifen sieht anders aus", kritisiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
ZEIT ONLINE sieht es so: "Es gibt nun eine optimistische Lesart dieser neuen Zahlen, die etwa die Gewerkschaft der Polizei vertritt: Die Behörden und ihre Beamten haben dazugelernt und sind sensibler gegen extremistische Umtriebe in den eigenen Reihen. Die pessimistische Deutung liefert der Polizeibeauftragte des Bundestags, Uli Grötsch: Man lebe in Zeiten, in denen von Rechtsextremen gezielt versucht werde, die Polizeien zu destabilisieren. Beide Deutungen schließen sich nicht einmal gegenseitig aus. Hinnehmen darf der Staat Rechtsextreme in den eigenen Reihen in keinem einzigen Fall. Jede Dienstwaffe in den Händen von Extremisten ist eine zu viel", unterstreicht ZEIT ONLINE.
Zum Schluss ein Blick auf dieses Thema: Einige Selbstzahler-Angebote in Arztpraxen sollten nach Ansicht des Patientenbeauftragten der Bundesregierung verboten werden. Dazu schreibt die BADISCHE ZEITUNG: "Die sogenannten individuellen Gesundheitsleistungen - kurz IGeL - reichen vom für wenig Geld zusätzlich geprüften Blutwert bis hin zu Schönheitsoperationen. Sofern die Patienten diese Leistungen in voller Kenntnis in Anspruch nehmen, ist das meist unproblematisch. Sie müssen nur zwei Dinge verstehen: Erstens, dass sie bei IGeL-Angeboten oft den Bereich evidenzbasierter Medizin verlassen. Die Kassen übernehmen nur Leistungen, für die ein medizinischer Nutzen durch Studien nachgewiesen ist. Zweitens muss sich jeder und jede im Klaren sein, dass keine medizinische Notwendigkeit für die Leistung besteht und die Angebote nicht zuletzt deshalb existieren, weil sie für die Ärzte, nicht für die Patienten – finanziell – attraktiv sind", erklärt die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg.
Die Zeitung DIE GLOCKE sieht es ähnlich: "Der Patient ist als medizinischer Laie auf die Beratung und Aufklärung des behandelnden Arztes angewiesen. Wenn dieser aus wirtschaftlichem Eigeninteresse und nicht aus fachlicher Überzeugung einem Patienten zu einer IGeL-Leistung rät, ist das für den Nicht-Mediziner schwer zu durchschauen. Er wird sich in vielen Fällen wohl eher für eine Untersuchung oder Therapie entscheiden als dagegen. Am Ende profitiert dann nur der Arzt, während der Patient nicht nur unnötige Kosten hat, sondern möglicherweise auch einen gesundheitlichen Schaden. Diesem Geschäft in Arztpraxen sollte ein Riegel vorgeschoben werden", fordert DIE GLOCKE aus Oelde.
Die BERLINER MORGENPOST hält die Umsetzung eines Verbots für schwierig: "Nicht alle Untersuchungen sind Geldmacherei. Für manche Selbstzahlerleistungen gibt es einfach zu wenige wissenschaftliche Studien, um deren Wert abschließend zu bemessen. Sollen Patienten auch diese nicht mehr in Anspruch nehmen dürfen? Die Regeln für den Verkauf von Selbstzahler-Medizin sind eindeutig. Sie setzen auf den mündigen Patienten, der Vor- und Nachteile kennt und sich zutraut, eine Entscheidung zu treffen. Dass einer repräsentativen Umfrage zufolge aber nur 28 Prozent der erwachsenen Bevölkerung wissen, dass es diese Regeln gibt, ist das wahre Problem. Hier sollte der Patientenbeauftragte ansetzen. Damit Patienten um Geldmacher in Weiß einen Bogen machen können." Mit diesem Kommentar aus der BERLINER MORGENPOST endet die Presseschau.