"Eine überfällige Kurskorrektur", titelt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "Sechs Monate lang hat er ihn umarmt, bekniet und ermahnt. Doch nun scheint Bidens Geduld mit Netanjahu aufgebraucht. Dieser will sich nicht länger von Netanjahu vorführen lassen, der keinerlei Interesse an einer Eindämmung des Krieges oder gar einer Zwei-Staaten-Lösung zu haben scheint. Doch auch aus innenpolitischen Gründen ist es höchste Zeit, dass der US-Präsident den Druck auf Netanjahu massiv erhöht. Arabischstämmige und jüngere Wähler sind empört über seine bislang uneingeschränkt pro-israelische Politik. Das könnte Biden im November den Wahlsieg kosten", vermutet die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
"Um amerikanische Moralpredigten hatte sich der israelische Regierungschef nie geschert", analysiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Jetzt aber drohte ihm der Präsident, und binnen Stunden kündigte Israel an, mehr Hilfslieferungen für Gaza zu ermöglichen - 'vorübergehend'. Andererseits hat die Biden-Regierung noch in dieser Woche die Lieferung von tausend 500-Pfund-Bomben an Israel genehmigt. Und das Weiße Haus bekräftigte zu Recht seine volle Unterstützung Israels angesichts der gerade wieder akuten Gefahr aus Iran. Netanjahu dürfte aus Bidens gemischten Signalen noch nicht den Schluss gezogen haben, er müsse seine persönlichen Interessen nun völlig dem nationalen Interesse Israels unterordnen. Denn der amerikanische Präsident dürfte auch künftig zögern, Israel konkrete Auflagen für die Verwendung von Rüstungsgütern zu erteilen oder gar deren Lieferung auszusetzen. Für die Erzfeinde des jüdischen Volkes und des Westens wäre das ein Geschenk; die Folgen wären vermutlich weit über die Biden-Netanjahu-Ära hinaus spürbar", glaubt die FAZ.
"Washington ist der wichtigste Waffenlieferant Israels", notiert die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle: "Es unterstützt das Land jährlich mit Militärhilfen von 3,8 Milliarden Dollar. Eine klare Mehrheit der US-Bürger ist mit der Art der israelischen Kriegsführung, die nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza mehr als 30.000 Palästinenser das Leben gekostet hat, nicht einverstanden. Dass nun sieben Helfer, die diese Katastrophe abmildern wollten, vom israelischen Militär getötet wurden, scheint Biden persönlich erschüttert zu haben." So weit die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
Das STRAUBINGER TAGBLATT stellt fest: "Mit seinem unerbittlichen Kurs treibt Netanjahu – politisch selbst von radikalen und rechtsextremen Kräften abhängig – sein Land in die Isolation. Auch Joe Biden ist jetzt der Geduldsfaden gerissen. Jetzt liegt es an Israel und der internationalen Gemeinschaft sicherzustellen, dass humanitäre Organisationen ungehinderten Zugang in das Krisengebiet haben, um für die geschundene Zivilbevölkerung lebensrettende Hilfe bereitzustellen", bilanziert das STRAUBINGER TAGBLATT.
In der LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG ist zu lesen: "Wie Deutschland haben die USA mehr Verständnis als viele andere Israel wohlgesonnene Nationen für den brachial geführten Krieg im Gazastreifen aufgebracht. Doch nicht erst seit dem Tod von sieben Mitarbeitern einer Hilfsorganisation, deren Auto mit einer Rakete angegriffen wurde, ist es kaum mehr möglich, die israelische Kriegsführung zu rechtfertigen. Doch ist die Sorge um die Menschen im Kriegsgebiet und das Schicksal der von der Hamas Verschleppten nicht das einzige Motiv, das Präsident Biden umtreibt und einen Waffenstillstand fordern lässt. Immer mehr Amerikaner wollen nicht mehr, dass ihr Land diesen Militäreinsatz unterstützt", erläutert die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG.
"Mit seiner unbarmherzigen Art ist Netanjahu auf bestem Weg, jegliches Verständnis bei den Partnern zu verspielen", moniert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "US-Präsident Joe Biden artikuliert sein Missfallen inzwischen ungewöhnlich deutlich; seine Drohung, keine Offensivwaffen mehr zu liefern, hat nun offenbar erste Früchte getragen. Berlin bleibt indes erstaunlich konziliant und belässt es bei wiederholten Ermahnungen. So geraten jene, die doch Menschenrechte und humanitäre Werte gegenüber autoritären Regimen gern anmahnen, zunehmend in den Verdacht, mit zweierlei Maß zu messen. Derlei spielt der Propaganda von Hisbollah und dem Iran in die Hände. Eine Ausweitung des Gaza-Krieges ist längst nicht mehr ausgeschlossen", hebt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG hervor.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus argumentiert: "Hätte Israel nicht erst jetzt, sondern schon vorher mehr Hilfslieferungen zugelassen, stünde es nicht so isoliert da, hätten die USA und Deutschland keine Schwierigkeiten, ihre unbedingte Solidarität aufrechtzuerhalten. Die Bewegung in Sachen Hilfstransporte dürfte weniger aus Einsicht als durch enormen Druck zustande gekommen sein. Das macht keine großen Hoffnungen auf einen baldigen Waffenstillstand", stellt die LAUSITZER RUNDSCHAU fest.
Themenwechsel. SPD, Grüne und FDP haben sich auf eine bundesweite Rechtsgrundlage zur Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge verständigt. Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg kommentiert: "Nun also werden die Bezahlkarten, die von den Bundesländern längst vorbereitet werden und teilweise schon eingeführt wurden, endlich von der Ampel auf eine sichere Rechtsbasis gestellt. Das ist gut so – und notwendig. Denn das Asylbewerberleistungsgesetz unterscheidet bisher zwischen Geld- und Sachleistungen, kennt aber keine Bezahlkarte. Hätte der Bund die Länder hier alleine Regeln aufstellen lassen, wären diese rechtlich angreifbar gewesen. Doch auch wenn mancher Befürworter der Bezahlkarten mit diesen überzogene Erwartungen verknüpft: Es existiert ein breiter Konsens in Bund und Ländern, dass die Einschränkungen, die Bezahlkarten für die betroffenen Flüchtlinge mit sich bringen, zumutbar sind. Der Weg ist nun frei", unterstreicht die BADISCHE ZEITUNG.
"Warum ist die Einigung wegweisend?", fragt die VOLKSSTIMME aus Magdeburg: "Die Betroffenen können unbürokratisch die für ihren Lebensunterhalt in Deutschland nötigen Waren und Dienstleistungen beziehen. Gleichzeitig verhindert die Bezahlkarte die Möglichkeit, an Bargeld zu kommen oder Auslandsüberweisungen zu tätigen. In der Vergangenheit wurde so Geld systematisch in die Herkunftsländer transferiert, oft, um Schulden für eine illegale Schleusung nach Europa zu begleichen. Diese Möglichkeit wird mit der Karte zumindest erschwert. Das dämmt gleichzeitig die illegale Migration empfindlich ein", meint die VOLKSSTIMME.
Abschließend noch ein Kommentar zur Organisierten Kriminalität. Die Polizeibehörde Europol hat mehr als 800 schwerkriminelle Netzwerke ausgemacht, die die Sicherheit in der EU bedrohen. Dazu meint die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Für kriminelle Banden ist die Europäische Union ein Glücksfall. Der Flickenteppich aus nationalen Polizeibehörden, unterschiedlichen Zuständigkeiten und Korruption in Hafenbehörden und anderen Logistikumschlagplätzen lässt das organisierte Verbrechen florieren. Dass es bis zu dieser Woche kein gemeinsames Bild über das Ausmaß der gefährlichsten Mafia-, Clan- und Bandennetzwerke in der Europäischen Union gab, zeugt von einem massiven Versagen Europas bei der Verbrechensbekämpfung. Fakt ist, dass nationale Grenzen für Kriminelle längst keine Rolle mehr spielen. Europäische Banden müssen daher auch europäisch bekämpft werden. Dass Brüssels Sparkurs vor Europol nicht Halt macht und viele Stellen nicht oder erst nach langer Zeit wieder besetzt werden, ist daher inakzeptabel. Wir dürfen Europa nicht den Kriminellen überlassen", fordert die FRANKFURTER RUNDSCHAU zum Ende dieser Presseschau.