30. Mai 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird die Frage, ob es der Ukraine gestattet werden soll, mit westlichen Waffen Ziele auf russischem Boden anzugreifen. Außerdem beschäftigen sich die Zeitungen mit dem Einstieg des Rüstungskonzerns Rheinmetall als Sponsor beim Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund. Zunächst geht es aber um die Einigung des Kabinetts auf das Rentenpaket II.

Mehrere Stapel mit Münzen und der Begriff Rente und ein Chart mit steigender Kurve.
Die Bundesregierung hat sich auf das Rentenpaket II geeinigt (Symbolbild) (picture alliance/Klaus Ohlenschläger/dpa)
Die BERLINER MORGENPOST stellt fest: "Zum ersten Mal überhaupt wird ein System geschaffen, das es dem Bund ermöglicht, die Renditepotenziale der Finanzmärkte für die Rentenversicherung zu nutzen. Es geht darum, mit einer langfristigen Anlagestrategie langfristige Gewinne zu erzielen. Die Ampel schafft jetzt – auf Betreiben der FDP – ein Gefäß, das irgendwann in fernerer Zukunft eine ganz andere Form annehmen kann. Es ist gut möglich, dass es eines Tages auch hierzulande politische Mehrheiten dafür geben wird, Beitragsgeld in einem öffentlichen Rentenfonds zu sammeln, in welchem die Versicherten individuelle Ansprüche begründen können. In anderen westlichen Industrieländern ist das gang und gäbe, und sie fahren gut damit", schreibt die BERLINER MORGENPOST.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG notiert: "Das Rentenpaket II zementiert, dass sich auch die geburtenstarke Boomer-Generation auf das aktuelle Rentenniveau verlassen kann. Das ist unbedingt nötig, wenn das Rentensystem in Deutschland keinen Glaubwürdigkeitsschaden erleiden soll. Doch viel mehr als ein 'Die Rente ist aktuell sicher' ist die 'Jahrhundert-Reform', wie sie FDP-Fraktionschef Christian Dürr bezeichnet, nicht. Denn strukturelle Fragen bleiben ungestellt. Das Rentenpaket II ist keine große Reform. Dabei wird eine solche dringend gebraucht", kritisiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf sieht es so: "Wer schon in Rente ist oder kurz davor steht, wird von stärkeren Rentenerhöhungen profitieren, ohne dafür höhere Beiträge bezahlen zu müssen. Wer dagegen noch weit von der Rente entfernt ist, muss mit steigenden Beiträgen und Steuern für die höheren Renten der Babyboomer aufkommen. Das Rentenpaket bricht eindeutig mit dem Prinzip der Generationengerechtigkeit, aber der Ampel ist das egal. Völlig unverständlich und ärgerlich auch, warum die Grünen, die am ehesten jüngere Wählerschichten vertreten, mucksmäuschenstill bleiben, wenn die Generationengerechtigkeit auf dem Altar der alternden Gesellschaft geopfert wird", heißt es in der RHEINISCHEN POST.
"Überhaupt, die Jungen: Sie haben bei der Bundestagswahl in großer Zahl ihre Stimmen der FDP und den Grünen gegeben, und die danken es ihnen mit einer Mogelpackung", ergänzt das STRAUBINGER TAGBLATT. "Für die Kinder und Enkel ist es ein denkbar schlechter Deal. Sie zahlen die Zeche über höhere Beiträge und Steuern und werden wohl auch bis zur Rente länger arbeiten müssen."
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, schlägt vor: "Vielleicht muss man die Rente radikaler neu denken. Ein Blick ins Nachbarland Österreich hilft. Während das deutsche Rentensystem ohne Pensionisten auskommt und Selbstständige oder Berufsgruppen wie Ärzte außen vor sind, haben die Österreicher die Altersversorgung durch Solidarität aller gestärkt. Über die jetzt beschlossene Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent können die Österreicher nur lachen: Sie bekommen im Schnitt 87,1 Prozent ihres letzten Netto-Gehalts. Wie wäre es, mit den Bundestagsabgeordneten und Ministern anzufangen? Ab ins Rentensystem mit Olaf Scholz und Kollegen!", verlangt die PASSAUER NEUE PRESSE.
Themenwechsel. Zur Frage, ob die Ukraine die Erlaubnis bekommen soll, mit westlichen Waffen auch Ziele auf russischem Gebiet zu beschießen, bemerkt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "Frankreichs Präsident Macron hat sich bei seinem Deutschland-Besuch zu Recht dafür ausgesprochen, der Ukraine Angriffe auf militärische Ziele auf russischem Territorium zu erlauben. Experten halten das völkerrechtlich für gedeckt. Zu den Zauderern in der Frage gehört wie üblich Bundeskanzler Olaf Scholz. Dabei lässt er außer Acht, dass die Eskalation von Wladimir Putin ausgeht, ihn gilt es zu stoppen. Das liegt nicht nur im Interesse der Ukraine, um deren Überleben es geht – sondern auch im Interesse Deutschlands, Europas und der westlichen Welt." Das war die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Auch der TAGESSPIEGEL aus Berlin übt Kritik am Kanzler: "Olaf Scholz legt es auf Unklarheit an. Auf Vernebelung. Er könnte und müsste eine klare Antwort auf eine klare Frage geben: Darf die Ukraine zu ihrer Verteidigung mit von Deutschland gelieferten Waffen legitime militärische Ziele in Russland angreifen? Der Kanzler verweigert diese Auskunft. Er verweist nebulös aufs Völkerrecht. Das Völkerrecht erlaubt die Abwehr russischer Angriffe auf die Ukraine, unabhängig davon, ob sie von besetzten Gebieten in der Ukraine oder von russischem Territorium ausgehen. Aber: Wenn der Kanzler das mitteilen will, warum sagt er es nicht offen? Als Bürger und Wähler haben die Deutschen ein Recht darauf, zu wissen, was der Kurs des Kanzlers ist. Schluss mit dem Lavieren, bitte, und eine klare Antwort!", fordert der TAGESSPIEGEL.
"Und doch ist ein Nein zu einem 'Feuer frei' zumindest nachvollziehbar", überlegt die GLOCKE aus Oelde. "Denn egal, wie präzise moderne Waffen auch sein mögen – es ist kaum vorstellbar, dass es nicht doch irgendwann 'zivile' Schäden und Tote gibt. Sei es durch ein Versehen, sei es, weil vielleicht bei einem ukrainischen Kommandeur die Rachegefühle hochkochen und er absichtlich auf nicht-militärische Objekte zielen lässt."
Zum Abschluss der Presseschau geht es um den Einstieg des Rüstungskonzerns Rheinmetall als Sponsor beim Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund. Die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster halten fest: "Dortmunds Deal zeigt vor allem, dass die propagierte Zeitenwende Gesellschaft und Sport erreicht hat. Mit der neuen Bedrohungslage hat die Rüstungsindustrie die Schmuddelecke verlassen. Rheinmetall macht nichts Verbotenes – sie liefern Waffen. Und die gehören wieder zu unserer Welt, um Frieden und Freiheit zu verteidigen."
Die TAZ aus Berlin spottet: "Staatstragender hätte die Begründung vom BVB-Vorstandsvorsitzenden Hans-Joachim Watzke kaum ausfallen können. 'Sicherheit und Verteidigung sind elementare Eckpfeiler unserer Demokratie. Deshalb halten wir es für die richtige Entscheidung, uns sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen.' Dass der Verein sich seine große Sorge um diese Eckpfeiler in den nächsten drei Jahren mit einem hohen einstelligen Millionenbetrag vergüten lässt, vergaß Watzke an dieser Stelle zu erwähnen. Indem er eine Partnerschaft mit diesem profitorientierten Unternehmen zu einer Dienstleistung für unsere Demokratie hochstilisiert, öffnet er dem Sportswashing, also dem Bestreben, sich mit Hilfe des Sports eine gute Reputation zu verschaffen, Tür und Tor." beklagt die TAZ.
Und der KÖLNER STADT-ANZEIGER analysiert: "Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist die Branche plötzlich nicht mehr das ungeliebte Schmuddelkind der Wirtschaft – im Gegenteil. Diese Neubewertung war nötig – und sie war überfällig. Gleichzeitig aber ist es absurd, wenn Waffenhersteller plötzlich als Garanten der Freiheit gefeiert werden. Das können sie unter Umständen zwar auch sein, die meisten Hersteller aber haben keinerlei Skrupel, ihre Produkte genauso an wenig freiheitsliebende Regimes zu liefern – wenn der Bundessicherheitsrat sie nur lässt. Hauptsache, die Kasse klingelt. Am Ende sind Rüstungshersteller auch nur Unternehmen, die Geld verdienen wollen. Daran ist nichts Ehrenrühriges, genauso wenig wie daran, einen Werbevertrag mit einem solchen Unternehmen zu schließen. Nur sollte man nicht der Versuchung erliegen, einen Sponsoring-Deal als Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung umzudeuten, wie es nun der BVB versucht. Es glaubt ohnehin niemand." Und mit diesem Kommentar aus dem KÖLNER STADT-ANZEIGER endet die Presseschau.