22. Juni 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Stimmen zur Chinareise von Bundeswirtschaftsminister Habeck und zum Partnerschaftsabkommen zwischen Nordkorea und Russland. Viele Zeitungen kommentieren erneut die Migrationspolitik, die in den vergangenen Tagen zentrales Thema bei der Ministerpräsidentenkonferenz und auch bei der Tagung der Innenminister war.

22.06.2024
Ein Abschiebeflugzeug hebt ab, im Vordergrund ein Stacheldrahtzaun.
Die Innenminister-Konferenz hat sich für Abschiebungen auch nach Afghanistan und Syrien ausgesprochen - die Asyl- und Migrationspolitik ist weiter Thema auf den Meinungsseiten. (picture alliance / Daniel Kubirs )
"Abschieben um jeden Preis – das scheint mittlerweile Konsens bei Bund und Ländern zu sein", moniert der SÜDKURIER aus Konstanz. "Dabei ist eine bemerkenswerte Eskalation zu beobachten: Ging es kurz nach der Messerattacke von Mannheim nur um Abschiebungen explizit krimineller Asylbewerber, kam gleich danach die Forderung nach Verfahren in Drittstaaten hinterher, inzwischen wird der subsidiäre Schutz grundsätzlich infrage gestellt. Das alles zu hohen Kosten, die etwa für rechtssichere Asylprüfungen in anderen Ländern anfallen würden. Oder zum Preis, dass sich Deutschland erpressbar macht gegenüber Despoten in Syrien und Afghanistan. All die Zeit und das Geld wären in Bildung und Integration weitaus besser investiert", unterstreicht der SÜDKURIER.
Der TAGESSPIEGEL findet, die Sorgen der Bevölkerung vor Zuwanderung müssten ernst genommen werden: "Bund und Länder stehen vor einer überaus kniffligen Aufgabe, damit die Gesellschaft nicht unter der Last der Migrationsfrage zerbricht. Der Ministerpräsidentenkonferenz gelang das vergleichsweise gut: mit Härte, aber Bedacht. Das Ergebnis der Verhandlungen ist ein Mix aus dringend nötigen vorübergehenden Lösungen (Verlängerung der Grenzkontrollen), leicht verständlicher Symbolpolitik (Bezahlkarte für Asylbewerber und Abschiebungen von Straftätern) und dem Prüfen ganz grundsätzlicher, aber rechtlich komplizierter Maßnahmen (Drittstaatenregel). Der Vorsitzende der Runde, Boris Rhein (CDU), tat gut daran, den Kompromiss als Meilenstein zu bezeichnen." Das war der TAGESSPIEGEL aus Berlin.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle kommt zu einer anderen Einschätzung: "Bund und Länder müssen aufpassen, dass sie nicht zu hohe Erwartungen schüren. Jedes Mal, wenn sie den Eindruck erwecken, als hätten sie einen 'Meilenstein' erreicht, droht die Enttäuschung zu wachsen. Schaut man nämlich ins Kleingedruckte, sind die Meilensteine, wenn überhaupt, nur Meilensteinchen. Davon profitieren einzig die Radikalen und Populisten, die den anderen Parteien nur vorwerfen müssen, die Lage nicht in den Griff zu bekommen. Die Flüchtlingsfrage wird die anstehenden Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg mitentscheiden und dürfte auch eines der wichtigsten Themen im Bundestagswahlkampf werden", notiert die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
Das STRAUBINGER TAGBLATT meint, Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien dürften nicht an ethischen Maximen scheitern: "Deutschland will nicht mit den Taliban verhandeln, auch Gespräche mit Syrien wurden lange Zeit verweigert. Um in der Asylpolitik endlich Taten zu schaffen, sollten Wege über Kabul oder Damaskus nicht aus moralischen Bedenken heraus gemieden werden. Den Sicherheitsinteressen Deutschlands dient das in keiner Weise. Im Gegenteil: Es schränkt innen- und außenpolitische Spielräume ein und verhindert, Probleme zu lösen oder einzudämmen. Es geht um deutsche Interessenpolitik und längst nicht mehr darum, auf dem Siegertreppchen der Moralweltmeisterschaft zu stehen", heißt es im STRAUBINGER TAGBLATT.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) geht auf den Vorschlag ein, Asylverfahren in Drittstaaten zu verlegen: "Liest man den aktuellen Sachstandsbericht der Bundesregierung zum Thema Drittstaatenlösung, sollte man nicht zu viel erwarten. Die geladenen Experten sehen deutlich mehr Probleme als Möglichkeiten, mehr Kosten als Nutzen, größere Risiken als Chancen. Sollte Bundeskanzler Scholz aber darauf setzen, dass seine Ankündigung ausreicht, um die Wähler von einem neuen Kurs in der Migrationspolitik zu überzeugen, geht er ein großes Risiko ein", befindet die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Ähnlich sieht es die AUGSBURGER ALLGEMEINE: "Die Politik darf nicht den Anschein erwecken, mit ein paar Schrauben, an denen sie dreht, und ein paar markigen Sätzen, die sie in Mikrofone spricht, könnte illegale Migration schnell bekämpft werden. Wer Erfolge sehen will, braucht einen langen Atem. Weder gibt es einen Abschiebe-Turbo, noch brächte eine Drittstaaten-Lösung den Durchbruch. Es wird viele Schritte brauchen. Wichtig sind sie dennoch, denn die Bürger dürfen nicht den Eindruck haben, dass die Parteien der Mitte das Thema aufgegeben haben", betont die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Und die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG bemerkt: "Der weiße Elefant im Raum wird bisher nicht angetastet. Nur eine Änderung des Asylrechts würde es ermöglichen, die irreguläre Migration deutlich zu reduzieren. Es lässt aus gutem Grund keine Begrenzung bei der Aufnahme von Asylsuchenden zu: Denn dann wäre es ja kein Recht mehr, das jedem Verfolgten zusteht. Für Deutschland, das es sich als Lehre aus einer Geschichte in sein Grundgesetz geschrieben hat, wäre es ein schmerzhafter Prozess, daran etwas zu ändern", konstatiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG greift den Besuch von Bundeswirtschaftsminister Habeck in Peking auf und vergleicht den aktuellen Zustand der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und China mit einer – Zitat "sehr, sehr alten Ehe": "Die Liebe ist erkaltet, aber für eine Trennung fehlt beiden Seiten die Kraft. Wie abhängig Deutschland längst ist, weiß auch Peking. Mit gutem Grund fürchtet Habeck den Handelskrieg, der zwischen Brüssel und Peking droht – angefangen mit Europas Zöllen auf E-Autos. Deutschland wird sich von dem dominanten Partner etwas lösen müssen. Die Beziehung beenden kann es nicht. Weder wird es ohne China eine globale Antwort auf die Klimakrise geben, noch Frieden in der Ukraine, noch dauerhaften Wohlstand", bemerkt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU ist überzeugt: "An einem wirtschaftsschädlichen Konflikt ist China sicher derzeit nicht interessiert. Schließlich läuft es ökonomisch nicht rund. Einerseits will China den Binnenkonsum stärken, um unabhängiger vom Welthandel zu werden und damit weniger angreifbar für weitere Sanktionen etwa der USA zu sein. Andererseits will Peking nicht mehr nur die Werkbank der Welt sein. Vielmehr sollen höherpreisige Waren wie Elektroautos oder Solarpanels weltweite Marktanteile und damit Gewinne sichern. Kurzfristig können die EU-Staaten also womöglich einen Handelsstreit verhindern. Doch es spricht vieles dafür, dass es ruppiger wird. Denn die USA erhöhen schrittweise den Druck auf China", beobachtet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER befasst sich mit dem Partnerschaftsabkommen zwischen Nordkorea und Russland: "Über das, was Wladimir Putin und Kim Jong-un diese Woche vereinbart haben, sollte sich niemand wundern. Wird einer der zwei Staaten angegriffen, so wird die jeweils andere Vertragspartei sofort zur Hilfe schreiten. Nun muss alles darangesetzt werden, dass nicht auch noch auf der koreanischen Halbinsel wieder Krieg ausbricht. So sind die zwei mächtigsten Staaten der Welt gefragt: die USA und China. Die USA unterhalten große Militärbasen in Südkorea. China ist wichtigster Handelspartner Nordkoreas", erinnert der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG analysiert die Reaktion Südkoreas auf das Abkommen: "Seoul hatte durch Zurückhaltung gegenüber der von Russland angegriffenen Ukraine versucht, Moskau davon abzuhalten, den unberechenbaren Nordkoreaner zu weiteren Abenteuern zu ermutigen. Die Ankündigung Südkoreas, die restriktive Waffenexportpolitik des Landes zu überdenken, hat beim russischen Machthaber offensichtlich einen Nerv getroffen. Das wäre ein 'großer Fehler', ließ Putin sogleich verlauten. Es ist fraglich, ob sich Seoul von solchem Gepolter einschüchtern lässt. Die bisherige Nachgiebigkeit gegenüber Moskau hat ja nichts gebracht. Und die Bedrohung aus dem Norden ist ohnehin da. Den größten Fehler hat ohnehin Wladimir Putin gemacht. Nur kann er das unter keinen Umständen zugeben. Und das macht ihn gefährlich", heißt es in der F.A.Z., und damit endet die Presseschau.