25. Juni 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird die Einstellung des Cum-Ex-Verfahrens gegen den früheren Bankier Olearius sowie die konjunkturelle Lage in Deutschland anlässlich des Spitzentreffens des Industrieverbandes BDI. Zunächst geht es aber um den Vorstoß mehrerer Bundestagsabgeordneter für eine neue Gesetzesinitiative zur Reform der Organspende.

25.06.2024
Ein Styropor-Behälter zum Transport von zur Transplantation vorgesehenen Organen wird an einem OP-Saal vorbei getragen.
Ein parteiübergreifendes Bündnis von Bundestagsabgeordneten hat eine Organspende-Initiative vorgestellt. (Symbolbild Organtransport) (Soeren Stache/dpa)
"Mehr als 8.000 Menschen warten auf ein Spenderorgan", schreibt die VOLKSSTIMME aus Magdeburg: "Die Widerspruchslösung steht vier Jahre nach ihrem Scheitern wieder auf der parlamentarischen Agenda. Sie bedeutet Zustimmung zur Organspende, wenn kein ausdrücklicher Widerspruch des Betreffenden vorliegt. Dieses denkbar einfache, vernünftige Verfahren könnte zig Menschenleben retten."
"Selbst wer mit Skepsis auf die Erfolge der Transplantationsmedizin blickt, wird einräumen müssen, dass das derzeitige System krankt", meint die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg: "Den Notstand hierzulande lindern unter anderem gespendete Organe aus Ländern, wo die Widerspruchslösung längst gilt. Eine Widerspruchslösung bedeutet nicht, dass es eine Verpflichtung zur Organspende geben wird. Das ist auch gut so, denn diese Entscheidung berührt die letzten Dinge. In der Praxis hätte diese Regelung aber zur Folge, dass diejenigen, die eine Organspende ausschließen, dies kundtun müssen – entweder via Online-Register oder Zettel im Geldbeutel. Im Vergleich zum Nutzen, den die Menschen auf der Warteliste im Bestfall haben, erscheint dieser Aufwand zumutbar", findet die SCHWÄBISCHE ZEITUNG.
"Die Widerspruchslösung ist ethisch falsch", entgegnet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER. "Denn wer sich nicht äußert, wird automatisch zum Spender. Der Eingriff des Staates wäre ein Übergriff auf die Bürger. Es gilt das Recht des Einzelnen auf Selbstbestimmung – zu Lebzeiten wie nach dem Tod. Ohne explizite Zustimmung des Betroffenen wäre die Entnahme von Organen Körperverletzung. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Für religiöse Menschen schließen sich weitere Überlegungen an – etwa zur Unversehrtheit des Körpers im Jenseits. Die Entscheidung ist zu individuell und zu komplex, als dass Fremde sie per Mehrheitsbeschluss treffen könnten", heißt es im REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
"Bei den meisten E-Mails, bei jeder Werbung wird man um Einwilligung gebeten. Ausgerechnet beim eigenen Körper muss man aktiv widersprechen?", fragt sich die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz. "Das kann nicht sein. Denn die Widerspruchslösung kehrt das Prinzip um: Wer nicht ganz deutlich ausschließt, seine Organe zu spenden, gibt automatisch seine Einwilligung. Ist ein Schweigen wirklich ein Ja? Ein Zwang, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, Formulare auszufüllen – da geht der Staat entschieden zu weit. Die Spende von Organen ist ein Geschenk von einem Menschen an einen anderen. Das Größte, was man machen kann. Das muss es bleiben. Einen moralischen Druck aufzubauen, ist Unrecht. Wer spenden will, soll das unbedingt tun. Aber aus völlig freiem Willen", mahnt die RHEIN-ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG konstatiert, dass die Beweislast für die Verfassungsmäßigkeit einer Widerspruchslösung bei deren Befürwortern liege. "Doch deren Gegner wären gut beraten, rhetorisch ein wenig abzurüsten. Eine Pflicht zur Organspende verlangt nämlich niemand. Auch geht es nicht darum, Schweigen per se als Zustimmung zu werten. Eine Widerspruchslösung ist nur dann vertretbar, wenn jeder Bürger sich der Einstufung als potentieller Organspender gewissermaßen barrierefrei verweigern kann. Das ließe sich wohl einfacher organisieren als eine weitere Reform der Transplantationsmedizin", unterstreicht die F.A.Z.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG schreibt: "Keine Frage: Es braucht dringend mehr Organspender. Die sogenannte Widerspruchslösung, die die Abgeordneten anstreben, ist aber kein legitimer Weg dorthin, weil sie auf einer zynischen Überlegung beruht: Je mehr Menschen von dem Thema gar nichts mitbekommen und daher auch nicht ahnen, dass man ihnen im Falle eines Hirntodes womöglich ein Organ entnimmt, desto erfolgreicher ist sie. Anders gesagt: Es geht darum, die Leute zu übertölpeln." Soweit die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG. Und so viel zu diesem Thema.
Das Bonner Landgericht hat das Cum-Ex-Verfahren gegen den früheren Bankier Olearius eingestellt. Grund dafür sei die angeschlagene Gesundheit des 82-Jährigen. Für die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG ist das eine "ärgerliche Blamage des Rechtsstaats". "Seit gut zehn Jahren laufen die Ermittlungen. Die Materie ist kompliziert, und es gibt nur wenige Ermittler, die sie durchschauen. Dennoch entsteht für die Öffentlichkeit wieder einmal das ungute Gefühl: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Dabei wollte die Staatsanwaltschaft genau das vermeiden: Sie beschuldigt 1700 Personen. Und rechnet damit, dass es 15 Jahre dauern wird, bis alle Verfahren abgearbeitet sind. Es werden wohl noch viele Akten ergebnislos geschlossen", befürchtet die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG moniert: "Das ist ein Irrwitz, der auch dem Irrsinn in vielen Ermittlungsbehörden geschuldet ist. Was dort zählt, ist vor allem die Statistik. Viele Fälle schnell lösen zu können, bringt bei der Bewertung der Arbeit viele Punkte. Das fördert die zügige Aufarbeitung kleiner und kleinster Delikte, aber nicht die Aufklärung großer Skandale."
Zuletzt blicken wir auf den Tag der Industrie, bei dem Bundeskanzler Scholz Entlastung für die deutsche Wirtschaft in Aussicht gestellt hat. Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle analysiert, dass das Verhältnis zwischen Industrie und Politik besser geworden sei. "Beide Seiten scheinen gewillt, gemeinsam daran zu arbeiten, die deutsche Wirtschaft aus der Krise zu führen. Nötig ist es allemal, denn von allein werden sich all die Probleme kaum lösen. Die schwindende Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Vergleich zu China und den USA ist die vielleicht größte Herausforderung der vergangenen Jahrzehnte. Sie in den Griff zu bekommen, entscheidet über Wachstumsaussichten und Wohlstand für die nächsten Jahre", glaubt die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
Das HANDELSBLATT erkennt eine gereizte Stimmung in Deutschland, weil die ökonomische Lage so schwierig sei wie seit Jahren nicht. "Der Chef des Industrieverbands BDI, Russwurm, versuchte noch zu retten, was zu retten ist in seinem Verhältnis zum Kanzler, lobte dessen Rede. Zuvor allerdings hatte auch er von 'verlorenen Jahren' gesprochen – und meinte damit die Jahre unter Kanzler Scholz. Direkter ist da BMW-Großaktionär Quandt. Er beklagt im Interview mit der FAZ die 'Sprachlosigkeit' zwischen Kanzleramt und Wirtschaft. Die Regierung gebe in Zeiten, da bei den Menschen die Bereitschaft steige, sich auf unterkomplexe Antworten einzulassen, ein verunsichertes und wenig souveränes Bild ab. Mehr Kritik geht nicht, die letzten diplomatischen Hemmschwellen fallen. Denn es geht um Grundsatzfragen. Die bemerkenswerte Konfliktbereitschaft ist nicht zuletzt der Ohnmacht gegenüber einem Kanzler geschuldet, der zunehmend selbstgerecht agiert – und vor allem auch kommuniziert", bemängelt das HANDELSBLATT.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE prognostiziert: "Ein Aufschwung mit Raten zwischen drei und vier Prozent, wie Deutschland ihn nach der Finanzmarktkrise noch erlebt hat, ist weit und breit nicht in Sicht. Im Gegenteil: selbst die 0,4-Prozent-Prognose des Ifo-Institutes fußt auf der Annahme, dass die Europäische Zentralbank in diesem Jahr noch zweimal die Zinsen senkt und die Wirtschaft so stimuliert. Sicher aber ist das keineswegs – zuletzt ist die Inflationsrate in der Euro-Zone sogar wieder gestiegen. Mag die Angst vor einer Deindustrialisierung des Landes auch übertrieben sein: Die vage Aussicht auf eine Zinswende löst sicher noch keine Wirtschaftswende aus. Deutschland muss sich auf eine lange ökonomische Hängepartie einstellen." Mit dem Kommentar aus der AUGSBURGER ALLGEMEINEN endet diese Presseschau.