27. Juni 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden der Beschluss des Kabinetts für eine schnellere Abschiebung bei Terrorverherrlichung und die Ernennung von Rutte als neuer NATO-Generalsekretär. Zunächst geht es aber um das Entlastungspaket für die Landwirtschaft.

27.06.2024
Ein Traktor fährt über ein Feld.
Die Ampel-Koalition will die Landwirte in Deutschland entlasten. (IMAGO / Westend61 )
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm resümiert: "Den Staatshaushalt kostet die steuerliche Gewinnglättung rund 50 Millionen Euro. Das ist zwar weniger als die schrittweise Abschaffung des Agrardiesels, aber dafür bekommen die Bauern einen breit gefächerten Bürokratieabbau, zudem werden viele Betriebe in den Verhandlungen mit den Handelsriesen gestärkt. Ein großer Wurf ist das zwar nicht, aber ein ausgewogenes und insgesamt sinnvolles Paket dann schon", lobt die SÜDWEST PRESSE.
"Na also, ist man geneigt zu sagen, die Ampel bringt doch noch was zustande, sie beharkt sich nicht nur", analysiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Es mag der Bauernverband verächtlich von einem 'Paketchen' sprechen, das hinter den Anforderungen der Landwirte zurückbleibe. Trotzdem sind die von der Ampel geplanten Änderungen in der Summe sinnvoll, und es hätte der Bauernlobby gut angestanden, das auch anzuerkennen, statt mit dem großen Dreschflegel reinzuhauen. Die Landwirte haben mit ihren Protesten im letzten Winter viel bewirkt, auf EU-Ebene und nun auch national. Eine Reform des Agrarsystems, die sowohl ein gutes Auskommen für die Bauern als auch für Umwelt und Klima sichert, steckt in dem Paket der Ampel nicht drin", konstatiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die TAGESZEITUNGTAZ – aus Berlin findet die Reaktion des Bauernverbands – Zitat - "unverschämt": "Der Bund schenkt der Branche wieder einmal Millionen, obwohl er wegen der Schuldenbremse fast überall spart. Trotzdem forderte Verbandschef Rukwied auf dem Bauerntag noch mehr Privilegien. Dabei kommen SPD, Grüne und FDP den Landwirten mit ihrem Agrarpaket schon zu weit entgegen. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass Bauern künftig weniger Einkommensteuer zahlen, wenn ihre Gewinne über drei Jahre hinweg schwanken. Die FDP begründet das damit, dass die Landwirtschaft besonders dem Wetter ausgesetzt sei. Solche Schwankungen betreffen aber auch andere Branchen wie den Tourismus und große Teile der Gastronomie. Soll der Bund auch für diese Branchen die Steuern senken? Die Landwirtschaft erhält bereits rund 9 Milliarden Euro pro Jahr von EU und Bund in Form von Finanzhilfen und Steuererleichterungen. Dabei beschäftigt die Branche nur rund 1 Prozent der Erwerbstätigen", notiert die TAZ.
Die Ausländerbehörden der Länder sollen Menschen künftig leichter abschieben können, die Terrortaten gutheißen oder verherrlichen. Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER kritisiert mit klaren Worten: "Wer nach einem Kalifat ruft, hat in Deutschland keine Zukunft. Denn in Deutschland wird es niemals ein Kalifat geben. Der muss sein Glück eben woanders suchen. Die Ampel geht also den völlig richtigen Weg, solche Menschen schneller auszuweisen. Aber Papier ist geduldig. Die Gesetzesverschärfung ist erst dann gut, wenn den Ankündigungen Taten folgen, also Straftäter und Terror-Sympathisanten auch tatsächlich abgeschoben werden", schreibt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die STUTTGARTER ZEITUNG sieht bei dem Gesetzesentwurf noch Probleme bezüglich seiner Praxistauglichkeit: "Ob schon ein einfaches 'Gefällt mir' im Internet die richtige Kategorie für gravierende juristische Folgen ist und was das für die Ermittler bedeutet, erfordert eine vertiefte Diskussion. Viele Probleme werden ohnehin bleiben: Abschiebungen scheitern oft an praktischen Gründen wie der fehlenden Bereitschaft des Heimatstaats, die Menschen zurückzunehmen. Der Kampf gegen Extremismus muss mit vielen Mitteln geführt werden, auch mit Präventionsprogrammen an Schulen. Dass der Staat auch Härte zeigen will, ist aber richtig", meint die STUTTGARTER ZEITUNG.
"Wie so viele Abschiebeankündigungen wird auch diese wenig Wirkung entfalten", befürchtet die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus: "Oder denkt die Innenministerin, dass sie bei der Justiz damit durchkommt, jemanden aus dem Land zu jagen, wegen eines einmaligen Drückens auf den Button 'Find ich gut'? Selbst wenn die Begeisterung einem schlimmen Akt der Unmenschlichkeit gilt, wird man den Barbaren nicht mal eben los. Oder löst sich der Unwille von Herkunftsstaaten, Bürger zurückzunehmen, einfach auf, nur, weil die deutsche Regierung den Hass im Internet entdeckt hat? Innenministerin Faeser greift verständliche Empörung auf und reagiert wie ein Kind, das mit dem Fuß aufstampft. Was die Regierung da beschlossen hat, ist nicht mehr als Maulheldentum", moniert die LAUSITZER RUNDSCHAU.
"Viele Leute, die mit einschlägigen Parolen auffallen, haben einen deutschen Pass", beobachtet die BERLINER MORGENPOST: "Die kann man nicht abschieben. So wie man die deutschen Sicherheitsbehörden kennt, dürfte es ihnen auch schwerfallen, Tausende Postings in vielen verschiedenen Sprachen im Blick zu behalten und rechtliche Konsequenzen für die Urheber daraus abzuleiten. Nicht zuletzt muss auch immer im Einzelfall entschieden werden, was bereits Hasskriminalität im Internet ist und was Meinungsäußerung. Auch bei diesem komplexen Thema gilt: Es gibt nicht den einen Knopf, den man nur drücken muss, um die Dinge grundlegend zum Besseren zu ändern", unterstreicht die BERLINER MORGENPOST.
Der scheidende niederländische Regierungschef Rutte ist zum nächsten NATO-Generalsekretär ernannt worden. Die VOLKSSTIMME befürwortet die Entscheidung: "Die 14 Jahre im Amt des niederländischen Premierministers waren eine gute Schule. Er konnte zuletzt sogar Orbán von sich überzeugen, eine diplomatische Leistung. Rutte muss nun 32 Staaten zusammenhalten und höllisch aufpassen, dass sich die Allianz nicht in den Krieg zwischen Russland und der Ukraine hineinziehen lässt. Im Gegenteil, das Bündnis sollte entschieden mehr dafür tun, dass Schluss gemacht wird mit dem Blutvergießen", fordert die VOLKSSTIMME.
"Rutte ist einer der stärksten Befürworter der Unterstützung für die Ukraine", betont die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Er weist seit Jahren auf die Gefahren für Europa und die NATO hin, die weit über das aktuelle Schlachtfeld im Osten hinausgehen. Er hat spätestens seit dem Abschuss von MH-17 mit hunderten Niederländern an Bord durch eine russische Rakete erkannt, mit wem er es bei Putin zu tun hat – und formuliert das auch klar: 'Kaltherzig, brutal, gnadenlos' sei der russische Präsident. Unter seiner Regierung haben die Niederlande ihren NATO-Beitrag auf über zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Vor einem möglichen Präsidenten Trump fürchtet sich Rutte nicht, entsprechend pragmatisch geht er mit der Präsidentendämmerung in den USA um. Und er hat ja auch Recht: Die Amerikaner wählen ihren Präsidenten, nicht die Europäer. Sie müssen mit demjenigen arbeiten, 'der auf der Tanzfläche steht'", zitiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG Rutte.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG merkt an: "Rutte gilt in Brüssel als eine Art Versicherung gegen eine Rückkehr Trumps, weil er mit dem sehr NATO-kritischen Republikaner in dessen erster Amtszeit angeblich gut auskam. Trump geht es meist um Schmeicheleien, und damit wäre es im Fall seiner Wiederwahl nicht getan. Als Präsident war seine Außenpolitik von zwei Grundsätzen geprägt: Amerika aus Kriegen herauszuhalten und Kosten auf andere Staaten abzuwälzen, auch auf Verbündete."
"Rutte hat in verschiedensten Konstellationen regiert, was ihn zu einer wandelnden Kompromissmaschine macht", verweist das STRAUBINGER TAGBLATT: "Er gilt als absoluter Pragmatiker, der sich selbst nicht so wichtig nimmt, sondern die Sache und die Suche nach Lösungen in den Vordergrund stellt. Rutte ist durch seine lange Zeit als Regierungschef bestens vernetzt. Und zwar diesseits und jenseits des Atlantiks. Ein nicht unbedeutendes Argument für seine Wahl ist: Nicht nur US-Präsident Biden hat Rutte zur Kandidatur ermuntert, sondern auch sein Vorgänger und möglicher Nachfolger Donald Trump." Mit diesem Kommentar aus dem STRAUBINGER TAGBLATT endet die Presseschau.