01. Juli 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Stimmen zum Parteitag der AfD, zum EU-Ratsvorsitz, den heute Ungarn übernimmt, und zur Präsidentenwahl im Iran. Aber auch die erste Runde der Parlamentswahl in Frankreich ist bereits ein Thema.

Nahaufnahme von Marine Le Pen nach dem Sieg bei der Europawahl in Frankreich.
Viel Zutimmung bei der Parlamentswahl für den RN von Marine Le Pen. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Lewis Joly)
Zum Erfolg des rechten Rassemblement National der Politikerin Le Pen heißt es in der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG: "Le Pen will nicht nur Frankreich umbauen, einen harten Kurs gegen Migranten einschlagen, sie will auch die EU zu einer Organisation des nationalen Eigennutzes stutzen. Der deutsch-französische Motor wäre nicht nur abgewürgt, er würde zerstört. Im Vorfeld der Wahl versuchte Macron sich in einer Art Schuldumkehr. Letztlich sei der Wahlausgang - der ja erst am 7. Juli feststeht - nicht 'die Schuld eines Einzelnen', also seine, sondern alle Franzosen hätten das Ergebnis zu verantworten. Diese Aussage ist eine Frechheit. Macron war es, der ohne Not Neuwahlen ausrief. Und das in einer Zeit, in der so viele Franzosen wie noch nie mit ihm haderten. Höchste Zeit, dass er die Fehler bei sich sucht", findet die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg.
Bei ZEIT ONLINE ist von einem "historischen Moment" die Rede: "Denn zum ersten Mal hat die Partei Marine Le Pens, der Rassemblement National, eine Parlamentswahl gewonnen. Mehr noch, sie hat nicht nur gewonnen, sie hat triumphiert. Damit rückt in Reichweite, was noch vor vier Wochen undenkbar schien: Zum ersten Mal seit der Gründung der Fünften Republik 1958 könnte ein Vertreter der extremen Rechten Premierminister werden. Käme es so, bliebe auch die europäische Politik davon nicht unberührt. Diese Union – gedacht als Absage an jeden Nationalismus – ist in gewisser Weise eine französische Erfindung. Eine nationalistische Regierung in Paris würde die EU daher fundamental erschüttern", befürchtet ZEIT ONLINE.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU blickt auf den Bundesparteitag der AfD: "Bei der AfD gab es bisher immer eine Konstante: Die Brüche, die Zerrissenheit der sich immer wieder häutenden Rechtspartei drangen auf den Parteitagen an die Oberfläche. In Essen an diesem Wochenende scheint eine neue Partei aufzutreten. Eine 'Altpartei', in der alle Konflikte bereits im Vorfeld abgeräumt sind, in der die Listenplätze im Hinterzimmer ausgekungelt werden. Niemand kann mehr erwarten oder darauf hoffen, dass sich diese Partei auf dem Weg zur Macht selbst ein Bein stellt. Und wer die Bewerbungsreden hört, kann keinen Zweifel mehr haben, dass sich hier eine offen faschistische Kraft gleichzeitig radikalisiert und professionalisiert. Die AfD ist vereint in ihrem Hass auf die liberale Demokratie der Bundesrepublik, auf die Gewaltenteilung, auf die offene Gesellschaft. Sie hat kaum noch ein parteiinternes Korrektiv", bemerkt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG meint zu den wiedergewählten Parteivorsitzenden Weidel und Chrupalla: "Diesen Parteitag können beide als Erfolg verbuchen. Die Delegierten arbeiteten Anträge und inoffiziell kursierende Wahllisten ab wie Sachbearbeiter. Die Vorsitzenden wurden ohne Gegenkandidaten und mit sehr guten Ergebnissen wiedergewählt; es fand sich nicht einmal jemand, der vor versammelter Mannschaft unbequeme Fragen stellen wollte, wie es bisher üblich war. Der Rest des Bundesvorstands wurde fast genau so gewählt, wie es auf den Listen stand, die die Einflussreichen in der AfD zuvor untereinander ausgehandelt hatten. Kein Putsch, kein Überraschungssieger. Selbst im Umfeld der Parteispitze konnte man es kaum fassen, wie harmonisch die Partei sich gab", stellt die F.A.Z. fest.
"Ein Parteitag der AfD ohne Grabenkämpfe ist ein Alarmsignal", findet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER. "In Essen gelingt es, das Führungsduo neu zu bestimmen und die vielen Brüche in der Partei zu übertünchen. Das macht die AfD noch schlagkräftiger im Kampf um Wählerstimmen und sollte die anderen Parteien wachrütteln. Die bisherige Strategie mit Ausgrenzung verfängt nicht. Sie stärkt sogar die Populisten, weil sie sich als Opfer inszenieren können."
Auf die Proteste gegen den Parteitag in Essen geht die TAZ ein: "Sich schon am frühen Morgen gegen die AfD zu stellen und die Abgeordneten mit Sprechchören zu begrüßen, ist eine gute Idee. Doch bei Aktionen des zivilen Ungehorsams bleibt es nicht immer komplett friedlich. Im Vorfeld der Proteste wurden Horrorszenarien an die Wand gemalt. Man sprach von brennenden Stadtteilen und plündernden Meuten. Am Ende blieb alles größtenteils friedlich. Die allermeisten haben gezeigt, wie Widerstand gegen rechte Hetze aussehen kann. Leider gab es aber auch verletzte Aktivist:innen und Polizist:innen bei wenigen Auseinandersetzungen. Dazu kommt, dass die Sitzblockaden Opferbilder für die AfD schaffen. Das alles ist Wasser auf die Mühlen all jener, die die AfD unterstützen", unterstreicht die TAZ.
Heute übernimmt Ungarn für sechs Monate den EU-Ratsvorsitz. "Ausgerechnet Viktor Orban", schreibt dazu die VOLKSSTIMME aus Magdeburg. "Der zum Autokraten verkommene EU-Quälgeist hat als Losung für seine Ratspräsidentschaft 'Make Europe Great Again' ausgegeben. Man muss sich nur seine politischen Freunde ansehen, um Böses zu fürchten: Russlands Putin, Chinas Xi und der in den USA vor einer möglichen Wiederwahl stehende Straftäter Trump sind seine Vorbilder. Tragischerweise schrumpft die Zahl der EU-Staaten, die allein durch ihr Eigengewicht Orban Paroli bieten können: Deutschlands Ampel ist im Dauerstreit erstarrt, in Frankreich droht Präsident Macron nach der Parlamentswahl die Macht zu entgleiten. Es wäre wirklich an der Zeit, Europa wieder groß zu machen – Orban wird das Gegenteil tun", prophezeit die VOLKSSTIMME.
Die STUTTGARTER NACHRICHTEN fragen: "Was ist von Viktor Orbán zu erwarten? Dem Freund Wladimir Putins, Verehrer Donald Trumps und Bewunderer Chinas. Europas Staaten können diesen unsäglichen Zustand nicht einfach sechs Monate lang aussitzen. Es wäre unverantwortlich, Orbán die alleinige Regie der Politik zu überlassen. Die EU muss versuchen, Schaden abzuwenden und die zu erwartenden Blockaden Ungarns auszuhebeln. Die Union darf sich in einer schwierigen Phase, in der weltpolitische Weichen gestellt werden, von einem renitenten Rechtsaußen nicht gezielt schwächen lassen. Der Autokrat aus Budapest hat stets bewiesen, dass er nicht das Wohl Europas im Blick hat, sondern stets nur nach dem eigenen Vorteil sucht", betonen die STUTTGARTER NACHRICHTEN.
Thema in der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG ist die erste Runde der Präsidentenwahl im Iran: "In die Stichwahl am 5. Juli schaffen es nun ein Reformer und ein Hardliner. Wobei: Was für ein Reformer soll das eigentlich sein? Auch der 69-jährige Herzchirurg und frühere Gesundheitsminister Massud Peseschkian ist vom Wächterrat als Kandidat abgesegnet worden. Die Unterschiede zwischen ihm und Hardliner Said Dschalili liegen in Nuancen. Israel vernichten wollen beide – und dass unter dem 'Reformer' Peseschkian die Lage der Frauen und Regimekritiker deutlich besser würde, ist angesichts des auf den obersten Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei ausgerichteten Machtsystems des Iran sowieso nicht zu erwarten. Die Iraner haben also die einzige Wahl getroffen, die sie hatten: Bei dem Wahlschauspiel mitzumachen oder eben nicht. Eine Mehrheit hat entschieden: eben nicht." Das war die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG erläutert: "So sehr sich die Journalisten der Auslandspresse mühen, zu erklären, dass es sich bei einer Wahl um keine demokratische handelt, wenn von 80 Kandidaten nur sechs antreten dürfen, so bleibt am Ende eben doch hängen, was hängen bleiben soll: dass die Menschen nun angeblich die Wahl haben. In einem der unfreiesten Länder der Welt. Sollte Massud Peseschkian, der Reformer, gewinnen, wäre es für den wahren Machthaber, den Obersten Führer Ali Chamenei, bestenfalls gute PR. Peseschkian wäre ein vergleichsweise freundlicher Präsident, der kaum etwas zu melden hat. Sollte es sein Gegner schaffen, der ultrakonservative Said Dschalili, dann hätte es Ali Chamenei geschafft, einen engen Vertrauten zu installieren."