04. Juli 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Neben der Parlamentswahl in Großbritannien geht es um den sogenannten Wolfsgruß des türkischen Fußball-Nationalspielers Demiral beim EM-Achtelfinalspiel gegen Österreich. Hören Sie zunächst Kommentare zum Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung, der sich mit den Lebensverhältnissen in Deutschland beschäftigt.

04.07.2024
Nancy Faeser, Bundesministerin für Inneres und Heimat, und Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, stellen den Gleichwertigkeitsbericht 2024 der Bundesregierung im Haus der Bundespressekonferenz vor.
Kommentiert wird unter anderem der Gleichwertigkeitsbericht 2024 der Bundesregierung. (Kay Nietfeld/dpa)
Die TAGESZEITUNG führt aus: "Nun kann jeder Bürger nachlesen, wie die Versorgung mit Kinderärzt*innen in seinem Landkreis ist, wie die Feinstaubbelastung oder die Entwicklung der Gewerbesteuer. Kurz – wie lebenswert es in seiner Region ist. Zusammenfassend gibt es endlich mal gute Nachrichten: Die Lebensverhältnisse gleichen sich an. Zwar gibt es große Unterschiede, wenn man etwa die Wirtschaftskraft von Wolfsburg mit dem Erzgebirge vergleicht. Große Unterschiede zwischen Ost und West gibt es auch beim Gehaltsniveau, der Kinderbetreuung, dem Gender-Pay-Gap. Aber sie werden geringer, die Wirtschaft im Osten wächst schneller. Und es fließen deutlich mehr Fördermittel nach Osten – zu Recht. Es wäre gut, wenn sich diese Erkenntnisse auf die öffentliche Debatte auswirken", empfiehlt die taz.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle betont, die Entwicklung habe auch mit kluger Standortpolitik in den Ländern zu tun: "Mit dem Ergebnis, dass man vielerorts beides haben kann: naturnahes, ländliches Leben und gute Infrastruktur. Diese Wahlfreiheit zu erhalten und zu fördern, ist zu Recht in der Verfassung verankert. Sie tatsächlich zu gewährleisten, wird aber in vielen Regionen, vor allem im Osten der Republik, mit zunehmender Alterung der Gesellschaft immer schwieriger. Je weniger Menschen in einem Dorf leben, desto teurer wird die Grundversorgung. Mit jeder geschlossenen Arztpraxis wächst der Frust der Menschen in diesen Regionen, die sich zunehmend abgehängt fühlen", mahnt die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
Nach Einschätzung der FRANKFURTER RUNDSCHAU ist eine zentrale Frage für die Zukunftsaussichten der Menschen, ob sie "in den urbanen Zentren oder auf dem Land leben. Die Städte und ihre Speckgürtel wachsen, was die Jobaussichten und die Lebensbedingungen verbessert, allerdings auch die Lebenserhaltungskosten erhöht. Die Peripherie hingegen schrumpft. Die Entwicklung ist zwar nicht neu, sie wird sich in den kommenden Jahren aber beschleunigen, trotz Homeoffice und Glasfasernetz. Das Gefälle zwischen Stadt und Land nicht noch größer werden zu lassen, ist die vielleicht wichtigste und schwierigste Aufgabe des Staates in den kommenden Jahren. Der demografische Trend lässt sich nicht mal eben umdrehen. Im Gegenteil: Je weniger Menschen in einer Region leben, desto schwieriger und vor allem teurer wird es, ihre Versorgung mit öffentlichen Gütern und Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Das aber muss der Staat leisten, wenn er das bereits vielerorts vorhandene Gefühl des Abgehängtseins nicht weiter verstärken will", unterstreicht die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG gibt zu bedenken: "Selbst wenn der Bericht insgesamt eine positive Entwicklung dokumentiert, gibt es einzelne Landstriche, die von Wegzug, Überalterung und nachlassender Infrastruktur besonders betroffen sind. Allein die Hälfte der Strukturhilfen von vier Milliarden Euro sind 2022 in die neuen Bundesländer geflossen. Selbst im prosperierenden Bayern und in manchen Regionen Niedersachsens gibt es sogenannte 'strukturschwache' Gegenden, die Fördermittel erhalten. Von Aufgeben kann also keine Rede sein. Gleichwohl muss man die Frage stellen, ob die völlige Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse nicht ein frommer politischer Wunsch bleiben wird - und ob sie überhaupt erstrebenswert ist." So weit die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG und so viel zu diesem Thema.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg geht auf die heutige Parlamentswahl in Großbritannien ein. Die Frage sei nicht, wer sie gewinnen werde, denn "zu drückend ist die Labour-Überlegenheit gegenüber den Tories. Entscheidend wird sein, was Keir Starmer und seine Leute mit ihrem wohl sicheren Sieg anfangen werden. Ein Anknüpfungspunkt ist Tony Blair, der Labour einst mit einer neoliberalen Wende zu einigem Erfolg verhalf. Die Briten erwarten von einer linken Regierung aber eine deutlich sozialere Innenpolitik. Teile des außenpolitischen Tory-Erbes werden hingegen unangetastet bleiben: So will Starmer auf keinen Fall den Brexit rückgängig machen. Was eine enge Bindung an Europa ohne den früheren Direktanschluss nicht ausschließt. Auch bei der Unterstützung für die Ukraine wird London nicht aus dem Kreis der NATO-Verbündeten ausscheren, sondern bleibt schon durch sein nukleares Potenzial ein Hauptunterstützer Kiews", prognostiziert die VOLKSSTIMME.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz beobachtet: "Um Politik ging es im britischen Wahlkampf kaum. Die oppositionelle Labour-Partei sagte nicht, wie genau sie die vielen Probleme des Landes lösen will. Und trotzdem kam ihr Chef Keir Starmer mit seiner Botschaft bei den Bürgern durch: Er versprach Change, Veränderung. Bei dieser Wahl geht es weniger um Labours Übernahme als um die Abstrafung jener 14 Jahre unter den konservativen Tories, um Sparmaßnahmen, die Skandale unter Ex-Premier Boris Johnson. Es fehlt an Wohnraum, die Löhne stagnieren, das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps, das Vertrauen in die Politik ist erschüttert. Den Tories droht eine krachende Niederlage. Sie ist verdient", urteilt die FREIE PRESSE.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG verweist auf Unterschiede in der britischen Politik: "Anders als etwa in Deutschland hat die Opposition kaum Einblick in die Regierungsgeschäfte. Zudem genügt bei Gesetzesabstimmungen im Unterhaus die einfache Mehrheit, und im Ernstfall ist ein strenger Fraktionszwang üblich, der Mehrheiten unabhängig von der Größe der Opposition sichert. Zum anderen will und braucht das Vereinigte Königreich dringend Veränderung. Eine stabile Mehrheit für eine in der Mitte regierende Partei wäre ein gutes Zeichen für das Königreich, aber auch für ein derzeit politisch labiles Europa. Mit ihr käme zugleich große Verantwortung", hält die SÜDDEUTSCHE fest.
Nun noch Stimmen zum türkischen Fußball-Nationalspieler Demiral, der beim Sieg seiner Mannschaft im EM-Achtelfinalspiel gegen Österreich den sogenannten Wolfsgruß gezeigt hatte. Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG bemerkt: "Das Handzeichen ist ein Erkennungssymbol türkischer Rechtsextremer, es steht für Vertreibung, Gewalt und Rassismus. Die UEFA sollte Demiral bestrafen und für die nächsten Spiele des Turniers sperren. Bedenklicher als der 'Wolfsgruß' auf dem Platz ist aber, dass dieses Handzeichen auch bei deutsch-türkischen Fanfeiern und den teilweise ausufernden Autokorsos immer wieder gezeigt wird. Wenn es in deutschen Städten keinen Raum für Rechtsextremismus geben soll, dann muss das auch für die Erkennungszeichen türkischer Faschisten gelten", befindet die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die STUTTGARTER ZEITUNG vertritt diese Ansicht: "Wenn Demiral seine 'türkische Identität' als Grund dafür nennt, dass er spontanen Torjubel in ein alles andere als spontanes Bekenntnis zu seinem extremen Nationalismus ummünzt, stellt sich die Frage: Wen will er für blöd verkaufen? Dass Deutschland Raum lässt für Siegesfeier-Autokorsos mit reichlich Lärm und Verkehrsbehinderung, passt zu einem freundlichen Gastgeberland. Zu dem passt es ebenso, dass nicht zuletzt Bundesinnenministerin Nancy Faeser der politischen Rechtsaußen-Demo Demirals ihre Missbilligung ausgesprochen hat. Sein Handzeichen verlangt klare Gegenzeichen", argumentiert die STUTTGARTER ZEITUNG.
Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Wuppertal findet, die Geste Demirals sei unsympathisch, allerdings "unsympathisch ist nicht unerlaubt. Dass die UEFA den Fall nun dennoch untersucht, ist deshalb sehr spannend. Wie will sie sanktionieren, was gar nicht unter Strafe steht? Den Herren in Lausanne wird vermutlich schon etwas einfallen. Ein bisschen Schimpfen, ein bisschen Geldstrafe. Korrektivfolklore, die Demiral sportlich zurecht nicht schadet und ihm in der Heimat noch größeren Kultstatus verschafft."