06. Juli 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden die Wahl in Großbritannien, der unabgesprochene Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Orban in Russland sowie das Aus der deutschen Mannschaft bei der Fußball-EM. Zunächst aber zur Einigung der Bundesregierung auf einen Haushaltsentwurf für 2025.

06.07.2024
Bundeskanzler Olaf Scholz, Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen, nehmen an einer Pressekonferenz zum Haushaltsplan 2025 teil.
Bundeshaushalt 2025: Bundeskanzler Olaf Scholz (M.), Robert Habeck (r.), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen (Michael Kappeler / dpa / Michael Kappeler)
Die WIRTSCHAFTSWOCHE meint: "Nach fast drei Jahren übernimmt die Ampel-Regierung endlich Regierungsverantwortung. Der Entwurf für den Haushalt 2025 zeigt zum ersten Mal Realitätssinn und Verantwortung für das ganze Land. Kein undifferenziertes Heraushauen von Sozialausgaben, kein weltfremder Klimaaktionismus mehr. Der Zwang zum Sparen erdet die Koalitionäre. Keine neuen Belastungen mehr, lautet die Parole für das letzte Jahr der laufenden Legislaturperiode. Stattdessen eine Reihe kleinerer Entlastungen. Besonders herauszuheben ist der umfassende Ausgleich der kalten Progression bei der Einkommensteuer. Es ist ein deutliches Signal an die arbeitende Bevölkerung: Wir haben euch doch nicht vergessen!", analysiert die WIRTSCHAFTSWOCHE.
Der MÜNCHNER MERKUR schreibt: "Natürlich: Es ist ein Haushalt des kleinsten gemeinsamen Nenners, aber schon dessen Zustandekommen ist angesichts der enormen Fliehkräfte zwischen den drei Partnern ein mittleres Wunder. Einige Extrafässer EM-Bier werden vor allem die Abgeordneten der SPD brauchen, um sich die Ergebnisse des Haushalts-Pokers schön zu saufen: Sie müssen weiter die verhasste Schuldenbremse ertragen, dazu schärfere Sanktionen beim Bürgergeld. Das wird noch mächtig Ärger geben", prognostiziert der MÜNCHNER MERKUR.
"Ein weiteres Projekt wurde geradezu beiläufig abgeräumt", beobachtet die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Die Kindergrundsicherung wird nicht kommen. Offiziell sind die Fraktionen darüber zwar noch 'im Gespräch', wie auch gestern wieder treuherzig versichert wurde. Die jetzt beschlossene Erhöhung des Kindergeldes um fünf Euro ist das Trostpflaster, mit dem sich die Grünen-Ministerin Paus zufrieden geben muss. Zu dem Paket gehören auch noch zwei Milliarden Euro für ein Kitaausbauprogramm – und die Erkenntnis, dass man auch dieses Mal wieder überproportional Opfer für das große Ganze gemacht hat, nämlich den Fortbestand der Regierung", befindet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Für die WELT ist das allerdings ein zentraler Punkt. Sie erklärt: "Diese Regierung ist die Widersprüchlichste der deutschen Nachkriegsgeschichte. Gleichzeitig ist sie mit Krieg und Klimakrise, unsicheren westlichen Verbündeten und aggressivem Autoritarismus gefordert wie sehr lange keine vor ihr. Die Zweifel, ob die Regierung Scholz diesen Herausforderungen gerecht wird, sind begründet und zuletzt weiter gewachsen. Aber sie ist eine Regierung der demokratischen Mitte. Das ist in diesen Zeiten ein Wert an sich. Es geht gerade um nichts weniger als den Westen als solchen. Da kann sich eine deutsche Regierung nicht selbst in die Luft sprengen, weil sie keine Kraft hat, eine ihrer tausend Sozialleistungen zu kürzen und keinen Trick mehr weiß, wie sie die Schuldenbremse umgehen kann. Man muss es in dieser Deutlichkeit sagen: Wer in jener Nacht im Kanzleramt vom Tisch aufgestanden wäre, hätte vor der Geschichte nicht bestanden", schreibt die WELT.
Die RHEINISCHE POST ist skeptisch: "Ob Scholz, Lindner und Habeck wirklich bis zur nächsten Bundestagswahl weiter vertrauensvoll zusammenarbeiten können, bleibt offen. Die Koalition drohte zu platzen, der finale Kompromiss ist nur unter größten Anstrengungen entstanden und verschiebt Verantwortung auf kommende Politiker-Generationen. Obwohl es ein Sparhaushalt ist, verkaufen es die drei so, als würde man vor allem investieren. Das wird nicht gut gehen, der parlamentarische Prozess bietet da noch viele Hürden", erläutert die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf.
Nun ein Blick nach Großbritannien, wo die Labour-Partei die Parlamentswahl deutlich gewonnen hat. Die BERLINER MORGENPOST vermerkt: "Die neue Regierung hat eine Mammutaufgabe vor sich. Die brutale Abfuhr, die Wähler den Tories erteilt haben, signalisiert einen Wunsch nach Veränderung. Wenn Labour diese Hoffnung enttäuscht, das heißt, wenn sich die Lebensumstände der Briten nicht bald verbessern, dann gibt es Kräfte im Land, die dies auszunutzen wissen. Reform UK, die Partei des Europafeindes Nigel Farage hat 14 Prozent geholt. Auch die Briten bleiben anfällig für rechten Populismus", konstatiert die BERLINER MORGENPOST.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus warnt: "Auch Labour wird die Probleme des Landes nicht im Handumdrehen lösen können. Für die Beziehungen der EU zu Großbritannien dürfte die Rückkehr zur Sachlichkeit jedoch ein Gewinn sein. Denn die Briten werden als Partner gebraucht – nicht zuletzt für die europäische Sicherheit in turbulenten Zeiten wie jetzt."
Der Berliner TAGESSPIEGEL blickt auf die Niederlage der konservativen Tories: "In Erinnerung bleiben skurrile Premiers wie Boris Johnson, der zumindest das Unterhaltungsbedürfnis erfüllte. Und traurige Gestalten wie Liz Truss, die das praktische Unvermögen und die intellektuelle Armut der Tory-Ideologie personifizierte. Das Vertrauen in Politik hat dramatisch gelitten. Die krachende Niederlage zeigt immerhin: Das Prinzip von Schuld und Sühne funktioniert noch."
Themenwechsel. Trotz Kritik aus der EU ist der ungarische Ministerpräsident Orban wenige Tage nach der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft nach Russland gereist und hat Präsident Putin getroffen. Die VOLKSSTIMME kommentiert: "Damit hat er in der Brüsseler EU-Zentrale regelrechte Panik ausgelöst. Denn die Europäische Union verfolgt seit zweieinhalb Jahren ohne Abstriche die Strategie von Krieg und Sieg, auch wenn der längst in den Sternen steht. Ausgerechnet das Enfant terrible der EU pfuscht mit seiner Friedensmission nun Brüssel dazwischen – wie unverschämt! Wirklich? Sollte der Ungar den Ansatz einer Konfliktlösung erreicht haben, könnte die EU endlich den Friedenskurs einschlagen. Es wäre der erste nützliche Orban-Streich", meint die VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG sieht es so: "Es gibt, grob gesagt, zwei Arten, wie man den Besuch in Moskau bewerten kann. Erstens: mit Empörung. Die zweite mögliche Reaktion: Spott. Orban weiß sehr gut, dass sein Mandat, im Kreml über Krieg und Frieden in der Ukraine zu reden, ungefähr so groß ist wie das des Hundefängers in seiner Geburtsstadt Székesfehérvár – nämlich nicht existent. Der Ungar bestreitet das nicht mal. Sich jetzt darüber aufzuregen, was Orban treibt, und nach Strafen zu rufen, die unrealistisch sind – nehmt ihm die Ratspräsidentschaft wieder weg! –, erfreut daher wohl vor allem Putin. Ihm nützt jeder Keil, den er in die EU schlagen kann, die sich seinem Krieg seit mehr als zwei Jahren erstaunlich ge- und entschlossen widersetzt – oft genug übrigens mit der Zustimmung Orbans. Vielleicht wäre daher doch eine dritte Reaktion angemessen: Orban in Moskau? Na und?", schlägt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vor.
Zum Schluss ein Blick auf das Aus der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft. Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt betont: "Trotzdem kann diese Nationalmannschaft stolz auf sich sein. Dank ihrer Leidenschaft hat sie eine Begeisterung im Land entfacht, die vor wenigen Monaten noch undenkbar schien. Sie überzeugte als echte Einheit und kann dank solcher Top-Talente wie Wirtz oder Musiala voller Zuversicht in die Zukunft blicken."
Ähnlich sieht es der SÜDKURIER aus Konstanz: "Wo ein Ende ist, ist auch ein Anfang. Jamal Musiala, Florian Wirtz und vielleicht auch Maximilian Beier oder Aleksandar Pavlovic haben das Potenzial, eine neue Ära zu prägen, in der es noch viele Duelle mit den ganz großen Fußball-Nationen geben wird. Bis es zur Revanche gegen Spanien kommt, scheint daher nur eine Frage der Zeit. Und vielleicht reicht es in einigen Jahren dann auch zu einem Titelgewinn. Die Aussichten der Nationalelf waren schon deutlich schlechter." Mit diesem Zitat aus dem SÜDKURIER endet die Presseschau.