08. Juli 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen sind die geplanten Verschärfungen beim Bürgergeld und die Präsidentenwahl im Iran, sowie die Rede von Julian Nagelsmann nach dem deutschen EM-Aus. Zunächst aber geht es um die Parlamentswahl in Frankreich.

08.07.2024
Premierminister Gabriel Attal steht mit gesenktem Kopf an einem Rednerpult
Premierminister Attal hat nach der Parlamentswahl in Frankreich seinen Rücktritt ankündigt. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Aurelien Morissard)
Die BERLINER MORGENPOST schreibt dazu: "Die Rechtsradikalen kommen in Paris vorerst nicht an die Schalthebel der Macht. Gewonnen hat laut ersten Hochrechnungen die linke Volksfront. Das Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen kommt demnach 'nur' auf etwa 140 Sitze in der 577-köpfigen Nationalversammlung. Die absolute Mehrheit und damit der Regierungsanspruch bleiben den Rechten zum Schluss erstaunlich klar versagt. Absoluten Vorrang hat für die neue Staatsführung, einen Sieg von Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen 2027 zu verhindern. Vielleicht wirkt der am Sonntag gerade noch verhinderte RN-Sieg als heilsamer Schock", erwartet die BERLINER MORGENPOST.
"Die Brandmauer hält", titelt ZEIT ONLINE: "Denn mit einem solchen Einbruch des Rassemblement National haben selbst die kühnsten Umfragen nicht gerechnet. Statt 289 Abgeordneten, die für eine absolute Mehrheit notwendig sind, könnte die Partei Marine Le Pens am Ende nur halb so viele Mandate gewinnen. Damit wird die extrem rechte Partei zum Opfer ihrer eigenen Erwartungen. Obwohl sie künftig so stark in der Nationalversammlung vertreten sein wird wie niemals zuvor, erscheint dieser Abend wie eine bittere Niederlage und ein herber Rückschlag auf ihrem scheinbar unbeirrbaren Weg zur Macht. Ganz sicher nicht geholfen haben ihr in den vergangenen Tagen viele eigene Kandidatinnen und Kandidaten, die mit rassistischen oder antisemitischen Parolen aufgefallen sind und so das Bild der gemäßigten, 'entteufelten' Partei, das Le Pen seit Jahren zeichnet, konterkariert haben", unterstreicht ZEIT ONLINE.
Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen hält fest: "Linke und grüne Parteien haben es trotz großer inhaltlicher und personeller Differenzen geschafft, sich innerhalb kürzester Zeit zu verbünden. Entscheidender Faktor dabei war die berechtigte Furcht, der RN könnte an die Macht gelangen. Mit ihrem rassistischen, antieuropäischen und wirtschaftlich unseriösen Programm hätte die Partei Frankreich von der Mitte Europas an den Rand katapultieren können. Dieses Ergebnis ist gut für Frankreich. Es zeigt, dass es eine Alternative zur Erzählung 'Macron gegen die Rechtsextremen' gibt. Der Präsident muss jetzt mit neuen Kräften zusammenarbeiten, die es ihm nicht leicht machen werden. Indes droht eine Blockade, sollte Macron weiterhin nicht auf die Opposition eingehen. Das muss er aber, will er politisch weiterarbeiten", gibt die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen zu bedenken.
Der WIESBADENER KURIER kommentiert: "Nicht zuletzt die hohe Wahlbeteiligung zeigt: Eine deutliche Mehrheit schreckte bei allem Frust über Macron die Vorstellung, künftig vom Rassemblement National regiert zu werden. Von einer Partei, die ihr Heil in nationaler Abschottung, in wirtschaftlichem Protektionismus und in einer Spaltung des Staatsvolks in wahre und falsche Franzosen sieht. Macron mag von einem Bündnis seiner liberalen Mitte mit den verbliebenen gemäßigten Konservativen und erstarkten Sozialdemokraten träumen. Doch dafür müsste das neue Linksbündnis zerbrechen", vermerkt der WIESBADENER KURIER.
Der Bremer WESER-KURIER schreibt zu den geplanten Verschärfungen beim Bürgergeld: "Es ist keineswegs unzumutbar, die Mitwirkung der Leistungsbezieher einzufordern. Das Bürgergeld ist kein bedingungsloses Grundeinkommen. Es ist auch nicht zu viel verlangt, bis zu drei Stunden am Tag zu einer Arbeitsstelle hin und zurück zu pendeln. Es gibt genügend Arbeitnehmer in diesem Land, die einen solchen Arbeitsweg täglich freiwillig auf sich nehmen. Der Sozialstaat ist keine Einbahnstraße: Die Tatsache, dass Hilfsbedürftige aus den Leistungen der Steuerzahler unterstützt werden, beinhaltet eben auch die Verpflichtung, nur so lange und so viel Leistungen in Anspruch zu nehmen, wie es unbedingt notwendig ist", erinnert der Bremer WESER-KURIER.
Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz blickt auf die Rolle der Sozialdemokraten: "Dass die SPD das alles mitmacht, hat Gründe. Der selbst ernannten Partei der fleißigen kleinen Leute ist die Bürgergeldreform auf die Füße gefallen. Nach der doppelten kräftigen Aufstockung der Regelförderung herrscht in der eigenen Anhängerschaft der Eindruck vor, hier werde mit Steuern der arbeitenden Bevölkerung das Nichtstun von Faulpelzen finanziert. Das ist zumindest teilweise ungerecht, das Bürgergeld ist besser als sein Ruf. Dennoch kann es nicht schaden, von seinen Beziehern an der einen oder anderen Stelle ein wenig mehr Engagement zu fordern", so die Meinung der ALLGEMEINEN ZEITUNG aus Mainz.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder begrüßt die Änderungen beim Bürgergeld: "Dass viele Bürger, die arbeiten, das Bürgergeld als Zumutung empfinden, hat zunächst einmal mit Geld zu tun – weil Nichtstun nach Ansicht vieler zu gut vergütet wird. Aber das allein ist es nicht. Auch fehlende Sanktionen bei Unwilligkeit von Bürgergeldempfängern, eine Arbeit anzunehmen, oder die großzügige Auslegung der Frage, wie zumutbar ein Arbeitsweg ist, haben für Kopfschütteln gesorgt. Das hat die Ampel jetzt angepackt. Die ursprüngliche Intention der Ampel, sich mit dem Wandel von Hartz IV zum Bürgergeld auch großzügiger gegenüber den Leistungsempfängern zu zeigen, ist durch den Realitätscheck verflogen. Das hat gedauert, aber besser spät als nie", konstatiert die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG blickt skeptisch auf den Sieg von Massud Peseschkian im Iran: "Schon klar, der Einfluss des Präsidenten im iranischen Machtgefüge ist nicht besonders groß. Die Macht gehört anderen, dem Obersten Führer Ali Chamenei und den Revolutionsgarden. Andererseits ist es nicht so, als säße im Präsidentenpalast ein Ohnmächtiger. Wie sehr Peseschkian etwas aus seinem Amt zu machen versucht, wird darüber entscheiden, ob es in Zukunft noch so etwas wie Reformer im politischen System des Landes gibt – oder ob die Menschen nur noch an Opposition auf der Straße glauben, also an Wandel allein durch Revolution. Im wahrscheinlicheren Fall, dass Peseschkian schwach bleibt, wenn er also zusieht, wie die Islamische Republik foltert und tötet und Uran für Atomwaffen anreichert, dann wird man gerade während seiner Präsidentschaft erkennen, um was für ein autoritäres Regime es sich in Iran handelt. Wenn selbst der Präsident gegen die Brutalität machtlos ist, was dann? Dann wäre Massud Peseschkian wohl der letzte Reformer. Ein Reformer in Anführungszeichen", erwartet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG meint: "Es ist ohne Frage ein gutes Zeichen, dass ein Moderater als Sieger aus den iranischen Präsidentenwahlen hervorgegangen ist. Zählt man die Stimmen der Millionen Iraner mit, die aus Protest gar nicht zur Wahl gegangen sind, ergibt das eine überwältigende Mehrheit für Veränderung. Doch das Äußerste, was man von Peseschkians Präsidentschaft erwarten kann, ist, dass er im Teheraner Machtgefüge geschickt genug agiert, um einzelne kleine Veränderungen anzustoßen. Wirkliche Reformen kann er nicht erreichen. Kleinste Veränderungen durch den neuen Präsidenten wären schon ein großer Erfolg", ist in der F.A.Z. zu lesen.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG begrüßt die Äußerungen von Bundestrainer Julian Nagelsmann nach dem EM-Aus der deutschen Fußballnationalmannschaft: "Kaum jemanden dürfte es kalt gelassen haben, was Julian Nagelsmann über den Zustand der Gesellschaft in Deutschland gesagt hat: zu viel Tristesse, zu viel Meckerei, zu wenig Wertschätzung für dieses wunderbare Land. Nun gilt es, seine Ruck-Rede nachwirken zu lassen. Er hat jeden und jede aufgerufen, sich selbst einzubringen. Das Land muss sich als Team aufstellen. Der Sieg ist immer der gemeinschaftliche Erfolg, die Niederlage nur der Ansporn, es das nächste Mal zu schaffen", ist die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG überzeugt.