09. Juli 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit weiteren Stimmen zur Parlamentswahl in Frankreich. Zudem ist das sogenannte Lagebild des Bundeskriminalamtes zu sexualisierter Gewalt an Kindern ein Thema. Zunächst widmen wir uns jedoch dem Besuch von Ungarns Ministerpräsident Orban in China.

09.07.2024
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban schüttelt Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Peking die Hand.
Das Treffen des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping (r.) mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ist ein Thema in den Kommentaren. (Li Xueren / XinHua / dpa / Li Xueren)
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, erläutert: "Als 'Friedensmission' deklariert Orban seine Tour, die ihn zuerst zu Wolodymyr Selenskyj führte, was zunächst sogar positiv überraschte. Dann ging’s aber schnurstracks zu den Männern, die ihm wirklich wichtig sind: Wladimir Putin und jetzt auch Chinas Staatschef Xi Jinping. Sein Anliegen sei Frieden in der Ukraine, und die beiden Herren, denen er die Aufwartung machte, seien nun mal entscheidende Akteure im Ringen um eine Waffenruhe – so lautet Orbans Argumentation. In Wahrheit geht es ihm erstens um Selbstdarstellung und zweitens darum, sich bei zwei mächtigen Potentaten lieb Kind zu machen. Orban ist kein Friedensstifter, sondern ein politischer Spaltpilz", urteilt die PASSAUER NEUE PRESSE.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG beobachtet, im Kreise der EU und ihrer westlichen Partner bringe Orbans Alleingang: "nichts als Unfrieden. Und um den Ukrainekrieg zu beenden, ist Orban schlicht zu unwichtig. Die Hände von Putin und Xi Jinping schüttelt er nur im Auftrag seines eigenen Landes. Für die Verhandlungen im Namen der EU hat er gar kein Mandat, wie er selbst betont. Aus dem Amt heraus nährt Ungarns Ministerpräsident Zweifel an den europäischen Institutionen. Den frustrierend langwierigen Prozessen der Demokratie setzt er das Bild der starken Männer entgegen, die die Sache immer noch am besten untereinander regeln", notiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Der ungarische Regierungschef habe eine Chance verdient, meint dagegen die Zeitung DIE WELT in ihrer Online-Ausgabe: "Orban ist neben dem türkischen Präsidenten Erdogan der einzige Europäer und Regierungschef in der NATO, der gute Kontakte nach China und Russland besitzt. Natürlich besteht die Gefahr, dass der Waffenstillstand, den Orban mitbefördern will, letztlich zu einem Verhandlungsergebnis führt, das den russischen Diktator Putin durch territoriale Gewinne und eine Amputation der Ukraine belohnt. Wer das aber Orban vorwirft – wie Washington, Berlin und Brüssel – der sollte endlich selbst mehr tun. Kiew braucht dringend nachhaltige und ausreichende Waffenlieferungen, damit das Land nicht immer weiter auf dem Kriegsschauplatz unter Druck gerät und in einigen Jahren bei Friedensgesprächen aus einer Position der Schwäche verhandeln muss. Genau danach sieht es derzeit aber aus", hebt DIE WELT hervor.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG erwartet: "Weil Ungarn auch Mitglied der NATO ist, wird Orban zum Abschluss seiner Weltumrundung heute in Washington zum Gipfel eintreffen und den versammelten Bündnisbrüdern und -schwestern mitteilen, dass jetzt die Zeit für einen Frieden gekommen sei. Aus zwei Gründen wäre es falsch, diese Geschäftigkeit ins Lächerliche zu ziehen. Erstens nimmt Orbán eine politische Dynamik vorweg, die allemal für den Herbst erwartet worden wäre. Die militärische Lage in der Ukraine stagniert und wirkt sich auch immer stärker gegen Russland aus. Außerdem geht dem globalen Waffenmarkt die Puste aus. Und selbst die Biden-Regierung könnte ein Interesse an einem kontrollierten Kriegsende haben, ehe der nicht zu kontrollierende Donald Trump ins Amt kommt", vermutet die SÜDDEUTSCHE.
Themenwechsel. Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG äußert sich zur Parlamentswahl in Frankreich. Aus der zweiten Abstimmung gingen "Rechts- und Linksextreme, die das Feindbild eines gemeinsamen Europas eint, gestärkt hervor. Für die EU wird die nächste Regierung mit linksextremen Populisten zur Kraftprobe. Ob weitere EU-Handelsabkommen oder eine Ausweitung des Umwelt- und Klimaschutzprogramms 'Green Deal' – große europäische Projekte werden mit dem neuen Parlament in Paris nicht zu machen sein. Für Europa gilt ebenso wie für Frankreich: Der Rechtsruck ist nicht abgeblasen, er ist nur vertagt", betont die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Der Berliner TAGESSPIEGEL stellt fest: "Nun sind bei der Parlamentswahl nicht die Gefolgsleute Le Pens zur stärksten Kraft geworden, sondern das Linksbündnis der 'Neuen Volksfront'. Auch Macrons 'Ensemble'-Bündnis schnitt überraschend gut ab. Weil aber keiner der drei Blöcke in der neuen Nationalversammlung über die absolute Mehrheit verfügt, steht in Paris voraussichtlich eine monatelange Phase der Regierungsbildung bevor. Die unmittelbare Frage lautet dabei: Kann der linke Volkstribun Jean-Luc Mélenchon, der in der Vergangenheit öfter mit Deutschland-feindlichen Äußerungen auffiel, das Amt des Premierministers übernehmen? Man sieht: Macrons Neuwahl-Entscheidung ist nach hinten losgegangen", unterstreicht der TAGESSPIEGEL.
"Die Bürgerinnen und Bürger haben der 'Classe Politique' ein Ultimatum gestellt", analysiert SPIEGEL ONLINE: "Entweder macht ihr Politik künftig gemeinsam oder gar nicht. Das überfordert die Pariser Elite links wie rechts. Denn sie hat es in der Fünften Republik der dominierenden Staatspräsidenten verlernt, Macht zu teilen. Die demokratischen Kräfte sind heute noch nicht bereit, sich auf das neue parlamentarische Spiel einzulassen. Entweder kommt es zu einer linken Minderheitsregierung, die jedoch wohl rasch an sich selbst scheitern würde. Oder die Mitte-links-Kräfte springen über ihren Schatten und bilden eine Koalition mit der Mitte-rechts-Partei von Staatspräsident Emmanuel Macron. Letzteres ist möglich, aber gewiss nicht heute, auch nicht morgen, erst nach einer Zeit des Chaos", prognostiziert SPIEGEL ONLINE.
Die BÖRSEN-ZEITUNG gibt zu bedenken: "Noch ist es in der Tat viel zu früh vorauszusagen, wie sich Frankreich nach den Wahlen politisch sortieren wird – geschweige denn, was das genau für die EU bedeuten wird. Klar ist aber schon jetzt, dass der Prozess der politischen Einigung und der Gesetzgebung in der EU anders wird. Schwieriger. Langsamer. Erstens, weil mehr am Tisch sitzen, die zu keinen Zugeständnissen mehr bereit sind, um europäische Lösungen zu ermöglichen. Zweitens, weil der wichtigste Impulsgeber der europäischen Einigung – das deutsch-französische Tandem – künftig nicht mehr zur Verfügung steht. Jedenfalls nicht mehr in der Form, wie das Tandem bisher wirkte. Denn egal, wer künftig in Paris Premierminister sein wird, er wird in seinen europapolitischen Ambitionen von der Linken gezügelt werden und zugleich darauf achten müssen, Marine Le Pen kein zusätzliches Futter für die Präsidentenwahl 2027 zu liefern", ist sich die BÖRSEN-ZEITUNG sicher.
Abschließend geht es um die neue Statistik des Bundeskriminalamtes zu Sexualdelikten gegen Kinder und Jugendliche. Die TAGESZEITUNG schreibt, eigentlich habe man gehofft, dass die "intensive und aufwendige Arbeit der Behörden von größerem Erfolg gekrönt ist. Aber so ist es eben nicht. Und so sind die nach wie vor hohen Zahlen – trotz besserer Aufklärungsrate – ein Beweis dafür, dass ein Großteil der Kinder und Jugendlichen hierzulande nicht sicher ist vor sexueller Gewalt. Das Fatale daran ist – auch das zeigen die BKA-Zahlen –, dass es vor allem Männer aus dem Umfeld der Betroffenen sind, die ihre Machtposition gegenüber den Jüngeren und Schwächeren perfide ausnutzen. Hinzu kommen der digitale Fortschritt, der fremden Tätern massiv in die Hände spielt", lesen wir in der taz.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG verweist auf das Problem, dass sich die Mehrzahl der Übergriffe im sozialen Nahraum abspielten: "Ein Leichtes aber wäre das Hinschauen dort, wo es digitale Spuren im Internet gibt, die auf Missbrauch hinweisen. Diese 'zentrale Aufgabe' hält die Ampelkoalition nach wie vor nicht für die ihre. Für eine wirksame Nutzung von Verkehrsdaten rührt sie keinen Finger, obwohl selbst 'Europa' längst grünes Licht gegeben hat. Der Justizminister von der FDP wirft Nebelkerzen, die grüne Familienministerin hat es eher mit Kinderarmut, die SPD-Innenministerin hält Maulaffen feil. Das Ergebnis: Täterschutz geht vor Opferschutz." Sie hörten zum Ende der Presseschau die Meinung der F.A.Z.