12. Juli 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Kommentaren zur geplanten Stationierung von US-amerikanischen Langstreckenraketen in Deutschland, zum Verzicht von Außenministerin Baerbock auf die Kanzlerkandidatur der Grünen und zu möglichen Änderungen beim sogenannten "begleiteten Trinken".

12.07.2024
Eine blaue Stellwand mit dem Logo des NATO-Gipfels in Washington
Eine blaue Stellwand mit dem Logo des NATO-Gipfels in Washington (picture alliance / AA / photothek.de / Thomas Trutschel)
Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz schreibt zu den Rüstungsplänen, die beim NATO-Gipfel in Washington verkündet wurden: "Es gab einmal eine europäische Friedensordnung. Sie war eine Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg. Ihr wichtigstes Element neben der Integration der Staaten in die EU: der Grundsatz, dass keine Grenzen mit Gewalt verändert werden. Diese Friedensordnung gibt es nicht mehr – und warum? Weil Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine überfallen hat, um Grenzen mit brachialer militärischer Gewalt zu verschieben. Deshalb ist es nichts als Hohn, wenn aus Moskau Kritik an der Aufrüstung der NATO in Europa laut wird. Es sind die Waffen, die Putin gerufen hat! Es gibt gar keine andere Möglichkeit, als in diesen Zeiten auf Abschreckung zu setzen", betont die ALLGEMEINE ZEITUNG.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg bezeichnet die Stationierungspläne als ... "... ersten Sieg Russlands im Ukraine-Krieg. Über diesen Konflikt wollte das Putin-Regime die NATO in einen neuen atomaren Rüstungswettlauf hineinziehen. Das hat der Kreml geschafft. Es rächt sich, dass der Westen einseitig auf militärische Konfrontation setzte und diplomatische Lösungen verteufelte. Damit sind wir zurück in den 1980er Jahren, der Zeit von Cruise Missiles in der Bundesrepublik und SS-20-Raketen in der DDR. Damals schien ein Nuklearkrieg jeden Tag möglich", erinnert die VOLKSSTIMME.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG führt aus: "Auch wenn Sahra Wagenknecht nun fette Beute wittert: Hier handelt es sich weder um einen Doppelbeschluss noch um einen Akt der Hochrüstung. Vielmehr war Deutschland sträflich naiv, weil Wladimir Putin etwa auf die Idee kommen könnte, eine spätere NATO-Aufnahme der Ukraine mit einer Drohung gegen den Hamburger Hafen oder das Berliner Regierungsviertel verhindern zu können. Damit solch eine Drohung ihr Ziel nicht erreicht, muss es eine Gegendrohung geben. Nur Abschreckung eröffnet den politischen Handlungsspielraum, der einen Krieg verhindert. Die NATO ist also weder hirntot noch zahnlos. Sie handelt, manchmal nicht umfassend, aber noch immer kraftvoll", findet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
DER TAGESSPIEGEL zieht eine Bilanz des NATO-Gipfels: "Die Beschlüsse sollen Russland signalisieren, dass es gegen die Allianz mit ihren höheren Wehretats und neuen Verteidigungsplänen nirgends eine Chance hätte. Erste Reaktionen aus Moskau zeigen, dass die Botschaft ankommt. Vieles auf dem Gipfel war Schadensbegrenzung für das Schreckensszenario Trump: Notfalls soll ihn das verstärkte Engagement der Europäer überzeugen, dass sie nicht nur Sicherheits-Schmarotzer sind. Zugleich wurde versucht, ihn politisch zu binden: mit einer konkreten Summe bei der Waffenhilfe für Kiew im nächsten Jahr oder der angekündigten US-Raketenstationierung in Deutschland – was wiederum hierzulande NATO-Gegner auf den Plan ruft. So befindet sich die NATO im Jahr ihres 75. Geburtstag in einem eigentümlichen Aggregatszustand: Das Bündnis ist militärisch so stark wie seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr und doch zunehmend von innen bedroht", fasst der Berliner TAGESSPIEGEL zusammen.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG geht auf die Ankündigung von Außenministerin Baerbock ein, nicht erneut als Kanzlerkandidatin der Grünen anzutreten: "Für die grünen Wahlaussichten ist das keine schlechte Nachricht. Baerbock erspart den Grünen damit einen K-Fragenzirkus nach den Landtagswahlen, der CDU und SPD noch bevorstehen könnte. Die Entscheidung ist damit für Robert Habeck gefallen, auch wenn nun noch auf die Weisheit der Gremien verwiesen wird. Habeck hat viel gemacht, aber vieles ist eben auch danebengegangen. Das Stichwort 'Heizungsgesetz' wird ihm und den Grünen im Wahlkampf noch wie ein Klotz am Bein hängen. Habeck umweht allerdings nicht der Ruf des Dogmatikers und Moralisten wie anderen Grünen. Wenn es jemanden gibt, der in die Breite wirken kann, dann er", urteilt die F.A.Z.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG sieht das ähnlich: "Der Wirtschaftsminister hat im Streit um das Heizungsgesetz und die Abschaltung der Kernkraftwerke Federn gelassen, aber er ist – anders als Baerbock – noch immer einer der besten Rhetoriker, die die Spitzenpolitik derzeit aufzubieten hat. Habeck kann auch zuhören. Wenn seine Partei ihn machen ließe, könnte er mit einem pragmatischen Kurs sogar wieder Wähler der Mitte zurückholen. Dazu müssten die Grünen ihre Migrationspolitik der Realität anpassen und das Vertrauen zurückgewinnen, dass sie mit ihrer Klimapolitik nicht die Wirtschaft abwürgen, sondern nach den besten Lösungen suchen wollen." Das war die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die PASSAUER NEUE PRESSE erläutert: "Baerbock erklärt, dass sie alles für die deutsche Außenpolitik geben will. Gar kein schlechtes Signal; nur dadurch, dass sie ausgerechnet beim NATO-Gipfel ihre Entscheidung verkündet, rückt sie sich selbst in den Fokus – und eben nicht den wichtigen Austausch mit den Partnern im Verteidigungsbündnis. Die Begründung dürfte zudem eine von vielen sein, in ihren Augen die diplomatischste. Dabei spielte bei Baerbocks Entscheidung sicher auch ihre Familie eine Rolle – und ihr Alter. Denn der Weg zur Kanzlerschaft ist für sie nicht endgültig versperrt. Die 43-Jährige hat noch Zeit. Mehr jedenfalls als Habeck, dem die Grünen-Herzen ohnehin gerade stärker zufliegen. Das wäre die ehrlichste aller Begründungen gewesen – sie hätte gut getan", betont die PASSAUER NEUE PRESSE.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU blickt auf Reaktionen innerhalb der Grünen auf Baerbocks Ankündigung: "Nur Minuten, nachdem die Nachricht bekannt war, twitterten Parteiführung und Fraktion fast wortgleich ihre Bewunderung über die angeblich staatsmännische angebliche Teamplayerin. Deutlich zwischen den Zeilen herauszulesen war die Erleichterung darüber, dass eine Personalfrage nun ohne Streit geklärt ist. Das größte Anliegen der Partei scheint derzeit zu sein, sich um jeden Preis geeint zu präsentieren. Das aber ist ihr größtes Problem, denn der Unmut in der Partei wird größer. Kein Wunder: Die Europawahl ist noch längst nicht aufgearbeitet. Was ist aus dem Versprechen geworden, dass es kein Weiter-so geben wird? Die Frage der Kanzlerkandidatur ist vielleicht nicht die einzige Personalie, die demnächst mal geklärt werden muss", glaubt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Thema in der BADISCHEN ZEITUNG sind Pläne von Gesundheitsminister Lauterbach zur Begrenzung des Alkoholkonsums von Jugendlichen: "Ab 16 Jahren dürfen Jugendliche in Deutschland Bier und Wein trinken. Zwischen 14 und 16 Jahren dürfen sie das auch – sofern sorgeberechtigte Personen dabei sind. Dieses begleitete Trinken will Lauterbach nun verbieten. Und findet Zustimmung bei seinen Kolleginnen und Kollegen in den Ländern – über die Parteigrenzen hinweg. Der Vorstoß ist richtig. Und es ist gut, dass der Fokus in der Suchtbekämpfung nun endlich von einer unnötig heißgelaufenen Debatte um das Thema Cannabis-Freigabe weggelenkt wird. Auch diese Reform verstand sich ja als ein Weg zum besseren Jugendschutz. Insofern bleibt Lauterbach beim Thema, stellt aber die vergleichsweise erheblich größere Problematik in den Vordergrund", hebt die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg hervor.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus kommentiert: "Alkohol ist zwar für Menschen jeden Alters ein Zellgift, vermag aber bei Kindern und Jugendlichen besonders viel Schaden anzurichten. Allerdings: In den vergangenen Jahren ist der Anteil der Jugendlichen, die regelmäßig Alkohol trinken, gesunken. Warum also bringt Karl Lauterbach das 'begleitete Trinken' ausgerechnet jetzt aufs Tapet? Hat er doch eigentlich genug Baustellen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Lauterbach mit der Alkohol-Frage Pluspunkte sammeln will, weil es anderswo nicht vorangeht."