16. Juli 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Im Mittelpunkt steht die Lage in den USA nach dem versuchten Attentat auf Donald Trump. Weitere Themen sind die gestartete Generalsanierung des deutschen Schienennetzes und die Debatte um eine Fortsetzung von Grenzkontrollen.

Die Schlagzeilen von US-Zeitungen, die alle über das Trump-Attentat berichten.
Die Schlagzeilen von US-Zeitungen, die alle über das Trump-Attentat berichten. (picture alliance / Sipa USA / Richard B. Levine)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG ruft nach dem Anschlag auf den früheren US-Präsidenten zur Mäßigung auf: "Die amerikanische Politik hat allen Grund, in sich zu gehen. Beide Seiten haben über Jahre hinweg den politischen Wettbewerber als Feind dargestellt: die Demokraten Trump als Bedrohung für die Demokratie, die Republikaner Biden als Verantwortlichen für den Untergang Amerikas. In der Wortwahl werden in beiden Parteien und den ihnen zugeneigten Medien immer wieder Grenzen überschritten. All das muss nicht ursächlich für die Tat gewesen sein. Immerhin hat Amerika eine lange und unselige Tradition politischer und privater Waffengewalt. Aber gerade deswegen sollten Politiker nicht ständig Öl ins Feuer gießen", warnt die F.A.Z.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg sieht eine Stärkung Trumps im Kampf um die Präsidentschaft: "Der Parteitag der Republikaner in Milwaukee könnte eine vorgezogene Krönungsmesse werden. Nach der Prozess-Kaskade gegen Trump und in einem immer vergifteteren Klima zwischen dem demokratischen und republikanischen Lager kann der selbsterklärte Amerika-Retter nun für seine Millionen Anhänger zum Messias aufsteigen. Die Deutung des Attentats gleitet bei diesen jetzt schon ins Mystische ab: Muss nicht von Gott gesandt sein, wer einem Schuss widersteht und Sekunden später die Kampfesfaust reckt? Viel mehr geht nicht im gläubigen Amerika."
Die SÜDWEST-PRESSE aus Ulm kommentiert: "Entscheidet sich Trump, den Parteitag in das Zeichen seiner abstrusen Verschwörungstheorien zu stellen, dann würde er sich selbst politischen Schaden zufügen. Bleibt er hingegen sachlich, referiert er über die hohen Preise, die Migrationskrise sowie die Kriege in der Ukraine und Nahost, und gelingt es ihm, Biden mit diesen Problemen in Verbindung zu bringen, dann könnte er eine potenziell wahlentscheidende Woche mit einem kaum einholbaren Vorsprung abschließen", lautet die Einschätzung der SÜDWEST-PRESSE.
"In den Machtzentralen der westlichen Verbündeten werden die Sorgen über den Wahlkampf in den USA noch größer", ist in den WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster zu lesen. "Dass Donald Trump nach dem Attentat plötzlich als Versöhner auftreten will, wäre schön. Doch sein Vorstoß zur Einheit trägt den Beigeschmack der Wahlkampfrhetorik. Gerade Trump hat einen auf Ressentiments basierenden Wahlkampf in den USA salonfähig gemacht. Der Riss durch das gespaltene Land, in dem Verschwörungstheorien nicht nur in abseitigen Netzbeiträgen, sondern auch in der offiziellen Polit-Rhetorik immer stärker die Fakten verdrängen, dürfte noch tiefer werden."
Die Zeitung DIE WELT sieht nach dem versuchten Attentat auch Folgen für die Demokraten von Präsident Biden: "Bis zum Wochenende war hinter den Kulissen eine mächtige Dynamik im Gange. Immer mehr von Bidens Parteifreunden drängten ihn zum Rückzug. Es schien nur eine Frage der Zeit. Aber dann kamen die Schüsse von Pennsylvania – und durchkreuzten in einer paradoxen Pointe die Pläne mächtiger Demokraten für einen Rückzug Bidens. Das Momentum ist, zunächst, verloren. Biden konnte sich nach dem Attentat staatsmännisch auf den Bildschirmen präsentieren. Die politische Debatte im Land sei sehr hitzig geworden, sagte er. 'Es ist Zeit, sie abzukühlen.' Eine Botschaft auch an seine eigene Partei. Aber mit einer Beruhigung ist kaum zu rechnen", erwartet DIE WELT.
Zugverspätungen während der Fußball-Europameisterschaft und der Start der Generalsanierung des Schienennetzes haben zu einer Debatte über die Deutsche Bahn geführt. Dazu heißt es in der TAZ: "Die Deutsche Bahn pfeift aus dem letzten Loch. Seit vielen Monaten gibt es aufgrund von Bauarbeiten viele Sperrungen, Verspätungen und Zugausfälle. Die haben bislang zu wenig politischen Widerhall gefunden. Anders ist das jetzt mit den Erfahrungen Zehntausender Fußballfans bei der EM. Das Turnier hat dem ganzen Kontinent vor Augen geführt, wie schlecht es um den Zugverkehr in einem der reichsten Länder der Welt bestellt ist. So wird die Bahn endlich wieder zu einem bestimmenden politischen Thema. Die Union fordert angesichts der Schmach den Rücktritt von Bahn-Chef Richard Lutz. Eine berechtigte Forderung, die Sanierung erfolgt zulasten der Kund:innen – das muss auch anders gehen", glaubt die TAZ.
"Deutschland investiert seit vielen Jahren zu wenig in sein Schienennetz", stellt die STUTTGARTER ZEITUNG fest. "In einer aktuellen Studie landet man im europäischen Vergleich auf Platz zehn. Österreich beispielsweise bringt pro Bürger dreimal so viel auf. Für einen verlässlichen Betrieb der Deutschen Bahn bräuchte es keine Kraftakte, sondern mehr Kontinuität. Und da helfen viele kleine Maßnahmen letztlich mehr als eine Reihe von über viele Jahre verteilten Großbaustellen. Lieber weniger bombastisch investieren, dafür kontinuierlich – das wäre die Lösung", bemerkt die STUTTGARTER ZEITUNG.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) fragt: "Wie konnte die Bahn seit Jahrzehnten als Hoffnungsträger für die Zukunft des Verkehrs gepriesen und gleichzeitig so vernachlässigt werden? Die einfache Antwort darauf lautet, dass das System seit Jahren kaputtgespart wurde. Das ist nur ein Teil der Wahrheit. Besser müsste man sagen, es wurde seit Jahrzehnten an der Bahn gespart, weil das System noch halbwegs funktionierte und andere Dinge wichtiger waren. Die Schiene hatte keine Priorität", bemängelt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Thema in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist die ablehnende Haltung von Bundesinnenministerin Faeser zur Verlängerung der während der EM geltenden Kontrollen an den deutschen Grenzen: "Grenzkontrollen sind ein effektives Mittel der Migrationssteuerung, ob das Europaliebhabern gefällt oder nicht. Und sie sind kein Teufelszeug. Aber sie dürfen eben nicht ohne Not ausgebaut werden. Es ist deshalb richtig, dass Innenministerin Faeser es ablehnt, die Kontrollen an allen deutschen Grenzen fortzusetzen, die während der Fußball-EM erlaubt waren, ausnahmsweise. Das Turnier ist vorbei, Passkontrollen auf dem Weg nach Belgien braucht niemand. An Deutschlands Westgrenze gibt es keinen unerträglichen Migrationsdruck, selbst wenn CDU und FDP das suggerieren. Allerdings: Faeser plant weitere Kontrollen zu Frankreich, ausnahmsweise und während der Olympischen Spiele. Man wüsste gern, wann die Maßnahmen enden. Sonst wird die Ausnahme zur Regel", mahnt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
In der LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus ist zu lesen: "Eine Mehrheit will dauerhafte Kontrollen. An allen Grenzen. Die Warnungen der Innenministerin vor gebrochenem EU-Recht und Freiheits-Einschränkungen für alle verhallen weitgehend ungehört. Eine Mehrheit hält nämlich die Einschränkung der Freiheit durch zu starken Migrationsdruck auf die Kommunen und steigende Gewaltkriminalität für gravierender als Wartezeiten bei der Urlaubsreise. Diese Abwägung und deren Ergebnis sind legitim. Trotzdem lohnt es sich, einen Gedanken darauf zu verwenden, was es bedeutet, wenn wir das Europa der offenen Binnengrenzen aufgeben", erklärt die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU nennt die Entscheidung zu Kontrollen an der Grenze nach Frankreich "tückisch": "Wegen der Fußball-EM wurden zuletzt alle Außengrenzen überwacht. Unterdessen gehen die Kontrollen zu Österreich, der Schweiz, Polen und Tschechien bis zum 11. November weiter und werden anschließend vermutlich erneut verlängert. Galt die Freizügigkeit innerhalb des Schengen-Raums lange Zeit als herausragende Errungenschaft, so verändert sich die Logik nun schleichend und grundlegend. Sicher ist es erstrebenswert, irreguläre Migration und das Geschäft von Schleusern zu unterbinden sowie gleichzeitig Kriminelle zu fassen. Doch geben wir damit auch das grenzenlose Europa preis, eine der wenigen Utopien, die teilweise Wirklichkeit geworden ist", argumentiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.