18. Juli 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Stimmen zur geplanten Reform der medizinischen Notfallversorgung. Weiteres Thema ist die CDU-Politikerin von der Leyen, die sich heute im Europaparlament zur Wiederwahl als EU-Kommissionspräsidentin stellt. Beginnen wir jedoch mit dem Bundeshaushalt für 2025, den das Kabinett verabschiedet hat.

18.07.2024
Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen, kommt neben Wolf Heinrich Reuter, Staatssekretär im Finanzministerium für den Haushalt, zu einer Pressekonferenz. Er hält eine dicke Mappe in der Hand.
Kommentiert wird unter anderem der Entwurf von Finanzminister Linder (FDP) für den Bundeshaushalt 2025, den das Kabinett beschlossen hat. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Wuppertal stellt fest, der Etat sei ein "ziemlich löchriges 480,6-Milliarden-Euro-Gebilde. Ein mit Steuergeld aufgestellter Gemischtwarenladen, der auf einen Wirtschaftsaufschwung hoffen muss. Der Zinszahlungen anders als zuvor verbucht. Und der auf eine 'globale Minderausgabe' von 17 Milliarden Euro baut. Heißt: Die Ampel setzt darauf, dass zugeteilte Ausgaben am Ende nicht gebraucht werden. Schon an diesen Parametern wird deutlich: Bei der Haushaltsaufstellung haben SPD, Grüne und FDP alles ausgereizt, was das Haushaltsrecht hergab. Vielleicht auch mehr. Ob das nun aber ein Grund dafür ist, in den kommenden Tagen die Riege der Schulterklopfer abzuschreiten, ist fraglich. Denn noch ist nicht klar, ob die Pläne der Ampel rechtssicher sind", meint die WESTDEUTSCHE ZEITUNG.
Auch die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG findet, die Finanzplanung habe so viele Löcher wie "der berühmte Schweizer Käse. Allein im kommenden Jahr ist noch ein Defizit von acht Milliarden Euro zu decken. 2028 beträgt das Loch schon knapp 40 Milliarden Euro – in der Etatplanung heißt das allerdings beschönigend 'Handlungsbedarf'. Ein solider Haushalt sieht anders aus. Ein Etat, der angemessen auf den größten geopolitischen Einschnitt seit dem Ende des Kalten Kriegs reagiert, auch."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bemerkt: "Es wird nicht gespart, das gibt die Koalition sogar selbst zu. Die viel gescholtene Schuldenbremse erlaubt wegen der Konjunkturlage eine Neuverschuldung von zehn Prozent der Ausgaben. Diese Belastung hätte nur Sinn, wenn zugunsten von Investitionen und Umschichtungen eine neue Politik zu erkennen wäre. Doch der große Gewinner des 'Kraftakts' ist der alte: Arbeit und Soziales. Nimmt man Familie und Bildung noch hinzu, spielt dieser konsumtive Sektor des Haushalts gegenüber den anderen in einer anderen Liga. Sollte die Ampel in ihren Vorgängern die Ursachen für die deutsche Misere sehen, muss man sagen: Sie macht damit fröhlich weiter. Immerhin rückt die Verteidigung nach vorn, und auch das Innenressort profitiert vom gestiegenen Sicherheitsbedürfnis. Verkehr und Wohnen wachsen im Kampf gegen den 'Investitionsstau', auch das ist sinnvoll", notiert die F.A.Z.
Der Entwurf berge immer noch Risiken, hebt die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf hervor: "Denn auch nach dem Beschluss ist immer noch nicht ganz klar, wie ein noch vorhandenes Milliardenloch gestopft werden soll. Was die Schuldenbremse angeht, so ist Lindner standhaft geblieben. Ihre Vorgaben werden nicht verletzt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Möglich wird die höhere Verschuldung, besonders mit Blick auf das Jahr 2024, vor allem durch das schwache Wirtschaftswachstum. Denn dieses erlaubt nach den Maßgaben der Schuldenbremse eine höhere Kreditaufnahme. Unterm Strich hat die Regierung wichtige Entscheidungen vertagt. Die Frage nämlich, wie Soziales und Sicherheit künftig auf dem bisherigen Niveau bezahlt werden sollen. Dies überlässt man getrost der nächsten Regierung", urteilt die RHEINISCHE POST.
Der Berliner TAGESSPIEGEL gibt dagegen zu bedenken: "Ein Staatshaushalt ist nie ganz fertig. Selbst nach dem Parlamentsbeschluss nicht, sonst gäbe es keine Nachtragsetats. Daher sollte man die Ampelkoalition nicht zu sehr dafür kritisieren, dass sie einen Etat für 2025 vorgelegt hat, der nicht so recht vollendet erscheint. Andererseits hat schon lange keine Regierung mehr einen Etat so unfertig abgeliefert."
Die TAGESZEITUNG bewertet die Situation der Grünen. Diese seien "mit ihrem zentralen Projekt, Kindergrundsicherung, gescheitert. Aus einer großen Reform, die 'Kinder aus der Armut holen' sollte und für das die Ministerin erst 5.000 Stellen und 12 Milliarden Euro forderte, ist eine Website geworden. Dort sollen Eltern prüfen können, auf welche Leistungen sie Anspruch haben. Familienministerin Lisa Paus mag das abstreiten, die Details sind tatsächlich komplex. Aber erfolgreiche Politik lebt auch von Vereinfachung. Zur Fairness gehört, dass das Scheitern der Kindergrundsicherung nicht allein den Grünen zuzuschreiben ist. Die deutsche Bürokratie ist ein Monster, Kinderarmut ein Versagen mehrerer Politiker-Generationen. Und der Koalitionspartner SPD hatte kein Interesse, dass sich die Grünen mit dem Thema profilieren", analysiert die TAZ.
Themenwechsel. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG widmet sich der geplanten Reform der medizinischen Notfallversorgung, die das Bundeskabinett ebenfalls beschlossen hat: "Medizinisch geschultes Personal soll die Patientenströme besser steuern – weg vom Krankenhaus. Notdienste sollen sich künftig um Akutfälle kümmern, telemedizinisch beraten, wenn nötig auch zu Hause aufsuchen. In den Kliniken sollen nur noch Patienten ankommen, die wirklich nur dort behandelt werden können. Der Haken: Die Entlastung der Krankenhäuser würde voll zulasten der Hausärzte gehen. Sie sollen einen Großteil dessen umsetzen, was mit der Reform angestrebt wird, insbesondere die bisher nur auf dem Papier existierenden Notdienste mit Leben füllen, 24 Stunden am Tag. Ärzteverbände kritisieren zu Recht, dass damit eine weitere Parallelstruktur errichtet wird, in einem Gesundheitswesen, das ohnehin unter Personalmangel ächzt", folgert die SÜDDEUTSCHE.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG begrüßt die Reform als überfälligen Schritt, allerdings: "Ob die Reform viel bringt, bleibt aber fraglich. Wie soll die Notversorgung gelingen, wenn nicht genug Personal vorhanden ist und in der Fläche immer mehr Krankenhäuser verschwinden? In Notfällen soll ein Rettungswagen in unter acht Minuten vor Ort sein. Selbst wenn der Rettungsdienst das schafft, kann eine allzu lange Fahrt ins nächste Krankenhaus schwere Folgen für den Patienten haben. Vor allem in ländlichen Regionen ist das nächste Krankenhaus, wenn man Glück hat, 20 Minuten entfernt. Wenn man Pech hat, noch länger. Sinnvoll wäre es, in mehr und das vorhandene Personal zu investieren", empfiehlt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Abschließend noch Stimmen zu EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, die sich heute im Europaparlament zur Wiederwahl stellt. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU führt aus: "Manchen Konservativen ist von der Leyen 'zu links' und 'zu grün'; sie nehme den Klimawandel zu ernst, heißt es, das schade der Wirtschaft. Den Sozialdemokraten dagegen ist von der Leyen zu konservativ. Und die Grünen haben von der Leyen im Verdacht, sie werde aus ökonomischen Gründen zu viele Kompromisse in der Klima- und Umweltpolitik machen. Die Widersprüche in den rundum erhobenen Vorwürfen machen stutzig. Könnte es sein, dass die Frau aus Deutschland inmitten von Krisen aller Art einfach nur versucht, einen Weg der Mitte zu finden? Ein Alternativkandidat, der die Zustimmung aller EU-Regierungschefs bekäme, ist nirgends in Sicht. Und schon der Ernst der weltpolitischen Lage gebietet ein Zusammenrücken", unterstreicht die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, fragt mit Blick auf Auseinandersetzungen von der Leyens wie aktuell mit Ungarns Ministerpräsident Orban: "Will man sich wirklich mit Scharmützeln und Gesten nach der Art von 'Ich bin hier die Herrin im Haus' die Zeit vertreiben? Dieses halbe Jahr ist zu wichtig, da die USA auf einen Präsidenten Donald Trump zusteuern. Der will den Ukraine-Krieg schnell beenden, auf Kosten der Ukraine. Die EU hat wohl nur noch wenige Monate, um alternative Wege zu beschreiten und das für die Ukraine Schlimmste zu verhindern. Da kann einer wie Orban, der das Gespräch zu allen sucht, sogar helfen. Auf Kompetenzgerangel zwischen der alten neuen Kommissionschefin und dem Premierminister des Vorsitzlandes im Rat haben die Bürgerinnen und Bürger sicher nicht gewartet", argumentiert die MEDIENGRUPPE BAYERN zum Ende der Presseschau.