23. Juli 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Viele Zeitungen blicken auf das Rentensystem in Deutschland. Auch die Entwicklungen in den USA werden kommentiert, wo US-Präsident Biden nach seinem Rückzug aus dem Rennen um das Weiße Haus seine Stellvertreterin Harris als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten vorgeschlagen hat.

23.07.2024
Washington: Vizepräsidentin Kamala Harris spricht auf dem Südrasen des Weißen Hauses
Viezepräsidentin Kamala Harris (Susan Walsh / AP / dpa / Susan Walsh)
"Ein Automatismus ist ihre Nominierung nicht", ist sich die STUTTGARTER ZEITUNG sicher. "Kamala Harris hat nicht viel bessere Umfragewerte als Biden und tat sich im Amt der Vizepräsidentin schwer, sich zu profilieren. Sie galt bisher auch nicht als starke Wahlkämpferin. Wenn es ihr aber gelingt, jene Qualitäten zu zeigen, mit der sie eine steile Karriere als Justizministerin in Kalifornien, US-Senatorin und 2020 als Bidens 'Running Mate' machte, könnte sie die Nominierung sichern und die Dynamik des Rennens gegen Trump verändern. Dafür verdient der Amtsinhaber mit seiner Entscheidung höchste Anerkennung. Danke, Mr. President!" Sie hörten die STUTTGARTER ZEITUNG.
"Jeder Tag bis zur Wahl im November zählt", betont die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz. "Für ein Zeit und Kräfte zehrendes Schaulaufen der Kandidaten ist es zu spät. Viele der in den USA so wichtigen Spendengeber und demokratischen Meinungsführer haben das längst begriffen: Sie überweisen Geld an das Harris-Lager und bekennen sich zur ersten schwarzen Präsidentschaftskandidatin. Wenn auch das Obama-Lager den Daumen hebt, dürfte sie es werden."
"Jetzt aber muss sie, um wirklich Erfolg zu haben, gewissermaßen einen neuen Joe Biden finden", wirft DER TAGESSPIEGEL ein. "Einen älteren, weißen Mann, der die Working Class in den wichtigen Swing States, also den Bundesstaaten, wo das Rennen besonders eng ist zwischen Republikanern und Demokraten, unmittelbar anspricht."
"Zum Beispiel ein populärer Gouverneur wie Josh Shapiro aus Pennsylvania oder Andy Beshear aus Kentucky", ergänzt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "Letztlich geht es bei der Wahl am 5. November ja um wenige Bundesstaaten wie Michigan und Wisconsin."
Die LAUSITZER RUNDSCHAU erinnert daran, dass ... "... Trumps parteiinterne Konkurrentin Nikki Haley nicht umsonst immer wieder betont hat, dass die Partei die Präsidentschaft gewinne, die sich zuerst von ihrem zu alten Kandidaten loslöse. In der direkten Auseinandersetzung wird der 78-jährige Trump auf einmal zum 'Opa', muss Trump sich für sein oftmals mäanderndes Gerede rechtfertigen, wird seine geistige und körperliche Leistungsfähigkeit taxiert. Trump selbst hat übrigens erkannt, dass das Alter seine Achillesferse ist. Nicht umsonst hat er sich den knapp 40-jährigen J.D. Vance als Vizekandidaten ausgesucht", glaubt die LAUSITZER RUNDSCHAU, die in Cottbus erscheint.
"Trumps Wutausbruch ob der von Biden angekündigten Rochade ist zuallererst ein Ausdruck von Angst", glaubt die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg. "Die gesamte Kampagne des Republikaners war darauf ausgelegt, 'sleepy Joe' als überfordert zu diskreditieren. Jetzt aber hat es Trump mit einer viel jüngeren, vor allem ihm intellektuell überlegenen Frau zu tun. Schon binnen weniger Stunden nach Bidens Verzicht kamen deshalb die meisten führenden US-Demokraten zu dem Schluss: 'Yes, she can'." Das war die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG.
"Berlin hätte es natürlich lieber mit einer Präsidentin Harris zu tun als mit Trump II.", lautet die Einschätzung in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Eine Rückkehr in die gute alte Zeit, in der hauptsächlich die USA für die Sicherheit des freien Teils Europas und damit Deutschlands gesorgt hatten, wäre aber auch von Harris nicht zu erwarten. Auch sie würde vor allem auf den Pazifik schauen müssen, über dem China seine Drachenflügel ausbreitet. Europa, das ist ein Preis für den Pferdewechsel mitten im Fluss, wird ein halbes Jahr lang mit weniger Führung aus Washington auskommen müssen. Das ist freilich eine gute Vorbereitung auf die unvermeidliche Zukunft in größerer Eigenverantwortung", schätzt die F.A.Z.
Das sieht die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG ähnlich: "Die transatlantische Partnerschaft muss so gut es geht in der Nato, bei G7 und bilateral gepflegt und gefestigt werden. Sie ist eine tragende Säule der Stabilität in Europa – politisch, wirtschaftlich und militärisch. Doch angesichts der vielen Unwägbarkeiten auf der anderen Seite des Atlantiks muss Europa endlich den Willen und die Kraft finden, seine Probleme selbst zu lösen. Es muss ohne den amerikanischen Tropf international besser bestehen können als bisher."
"Die Meldung von Bidens Verzicht kam nicht mehr völlig überraschend", heißt es in der RHEINISCHEN POST. "Doch das Tempo, mit dem sich die politischen Umstände in den USA derzeit verändern, kann enge Verbündete ins Schwitzen bringen. Die Bundesregierung muss sich nun auf mehrere Szenarien mit noch vielen unbekannten Variablen vorbereiten: Erstens, ein möglicher Wahlsieg von Kamala Harris, wenn die US-Demokraten die amtierende Vizepräsidentin zur Präsidentschaftskandidatin machen. Zweitens, ein Wahlsieg des Herausforderers und früheren US-Präsidenten Donald Trump. Und drittens, ein Wahlsieg eines namentlich noch unbekannten Kandidaten der US-Demokraten." So weit die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf.
Zum nächsten Thema: Rund jeder Fünfte mit mindestens 45 Versicherungsjahren kommt in Deutschland auf eine monatliche Rente unter 1.200 Euro. "Neidisch blicken deutsche Rentner ins Ausland", meint der Kommentator des REUTLINGER GENERAL-ANZEIGERS. "In Österreich ist die Durchschnittsrente 800 Euro höher. Das liegt daran, dass hier auch Staatsbedienstete in die Rentenkasse einzahlen. Außerdem ist die Aufteilung der Anteile nicht paritätisch, sondern der Arbeitgeber bezahlt mehr als der Arbeitnehmer. Norwegen wiederum bezahlt eine Grundrente von 1.600 Euro aus seinem Ölfonds an jeden, der lange genug im Land gearbeitet hat - zusätzlich zu den erworbenen Rentenansprüchen. Eine Reform des deutschen Rentensystems ist überfällig", lautet das Fazit des REUTLINGER GENERAL-ANZEIGERS.
"Österreich als Vorbild taugt nur bedingt", wendet die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt(Oder) ein. "Es blendet aus, dass man Rentenansprüche dort erst nach 15 Jahren erwirbt, der monatliche Beitragssatz sowie der Steuerzuschuss sind deutlich höher als in Deutschland. Bei den südlichen Nachbarn laufen übrigens ebenfalls Diskussionen, ob dieses System langfristig finanzierbar sein kann."
"Schon heute liegt die Armutsgefährdung bei Senioren über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung", bemerkt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG. "Da wundert es nicht, dass zwei Drittel der Bürger beim Thema Altersvorsorge das Vertrauen in die Politik verloren haben. Auch das von der Ampel beschlossene Rentenpaket II bringt keine grundlegende Reform. Viele Probleme sind nur in die Zukunft verschoben. Am Kapitalmarkt angelegtes Geld als zusätzliche Einnahmequelle für das Rentensystem, wie es die Liberalen forciert haben, wird kaum Entlastung bringen. Mit dem nötigen Umbau des Rentensystems ist es so, wie mit der im Volksmund berühmten 'heißen Kartoffel' – die jeweilige Bundesregierung reicht sie weiter an die nächste. So wird der Zusammenhalt der Generationen massiv auf die Probe gestellt werden", prophezeit die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Und in ND DER TAG lesen wir: "45 Jahre arbeiten, Rentenbeiträge zahlen, Abschläge wegen Arbeitsunfähigkeit oder Schwangerschaft einfahren und am Ende bei unter 1200 Euro im Monat versauern – so ergeht es einem Fünftel der deutschen Langzeitversicherten. Schlecht stehen vor allem Frauen und Geringverdiener*innen da. Der Mindestlohn garantiert in Großstädten auch nach 45 Jahren Vollzeit keine Absicherung über das Altersgrundsicherungsniveau hinaus. Was könnte die Ampel also machen, um all die verarmten Großstädterinnen aufzufangen? Schritt eins: Sorgearbeit endlich als vollwertige Arbeit anerkennen und entsprechend entlohnen. Schritt zwei: Den Mindestlohn für alle anheben. Stattdessen diskutiert die Bundesregierung über höhere Rentenantrittsalter, was Kürzungen für alle bedeutet. Es ist zum Mäusemelken – vermutlich eine einträglichere Tätigkeit als Sorgearbeit." Sie hörten ND DER TAG.