27. Juli 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden die Stellenstreichungen beim Autozulieferer ZF sowie die angestrebte Kandidatur von US-Vizepräsidentin Harris für die Demokraten bei der Präsidentschaftswahl im November. Zunächst geht es aber um die Olympischen Spiele, die gestern Abend in Paris eröffnet wurden.

Sportlerinnen und Sportler in Regenkleidung vor dem Eiffelturm, der die Olympischen Ringe trägt.
Unter großen Sicherheitsvorkehrungen wurden die Olympischen Spiele in Paris eröffnet. Kurz zuvor gab es Sabotageakte am französischen Bahnnetz. (AFP / LOIC VENANCE)
Die BADISCHE ZEITUNG blickt auf die Brandanschläge auf das französische Bahnnetz, die kurz vor der Eröffnungfeier verübt worden sind. Das Blatt rätselt, wer dahinter steckt: "Von Kriminellen über politisch motivierte Gruppierungen bis hin zu staatlich gesteuerten Akteuren aus dem Ausland scheint vieles denkbar. Es ist zu hoffen, dass die Ermittler möglichst schnell Hinweise darauf finden, wer dafür die Verantwortung trägt. Für die Spiele sind die Anschläge ein denkbar schlechter Auftakt. Dabei hat die französische Regierung im Vorfeld einen gewaltigen Aufwand betrieben, um potentielle Störer, Kriminelle und Gefährder zu identifizieren und fernzuhalten. Einmal mehr zeigen sich jedoch auch die Grenzen", hält die BADISCHE ZEITUNG fest.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus beobachtet: "Während die Reparaturen und Ermittlungen sofort beginnen, wird nun über Frankreichs Grenzen hinaus wohl wieder eine bekannte Debatte beginnen: Wie kann kritische Infrastruktur besser geschützt werden? Sicherlich ist beim Schutz von Bahnstrecken, Flughäfen, Strom- und Wasserversorgung noch Luft nach oben. Doch einen hundertprozentigen Schutz wird es wohl nie geben können in freiheitlich organisierten Gesellschaften", meint die LAUSITZER RUNDSCHAU.
"Frankreich hat viel investiert in die Sicherheit während der Sommerspiele", weiß die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz und nennt ein Beispiel: "Eine Million Personen, darunter Sportler, Trainer und Zuschauer, wurden im Vorfeld überprüft. Das Ergebnis: 5.000 Menschen wurde aus Sicherheitsgründen die Teilnahme verweigert. So kosten- und zeitintensiv ein solches Vorgehen ist, so notwendig ist es. Gleiches gilt für aktuellen Grenzkontrollen zwischen Frankreich und Deutschland".
Für die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG sind die Anschläge nur eines von mehreren Beispielen für die Verletzlichkeit unserer Gesellschaft: "Erst jüngst hatten IT-Probleme zu weltweiten Ausfällen digitaler Systeme mit weitreichenden Konsequenzen an Flughäfen und Kliniken geführt. Die Kriege in Gaza und der Ukraine wirken bis weit über Grenzen hinaus in andere Gesellschaften hinein. Die Globalisierung mit ihren vielfältigen Facetten hat die Welt zu einem Dorf gemacht – und das manifestiert sich in diesen Tagen auf besonderer Weise rund um das Olympische Dorf in Paris", unterstreicht die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die BERLINER MORGENPOST wünscht Frankreich und allen Sportbegeisterten, dass die Olympischen Spiele ohne größere Zwischenfälle vonstattengehen: "Vor allem aber darf eine abstrakte Anschlagsgefahr nicht dazu führen, dass Staat und Bürger von vornherein kapitulieren: Die Freude am Leben sollte sich niemand nehmen lassen. Große Sportveranstaltungen sind Feste. Und Feste muss man bekanntlich feiern, wie sie fallen."
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG notiert: "Paris sendet mit seiner Organisation ein Zeichen an uns Deutsche, dass Olympische Spiele zwar gigantisch sind, dass sie aber auch nachhaltiger als in der Vergangenheit gestaltet werden können. Genau diese Vergangenheit war hauptursächlich für die Ablehnung der Bevölkerung, wenn es um eigene Ausrichterpläne ging. Umso gespannter blickt der Deutsche Olympische Sportbund wegen seiner Olympiapläne für 2040 in die französische Hauptstadt. Motto: Läuft es in Paris, kann es auch in Deutschland gehen. Warum auch nicht?" Diese Frage formuliert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Themenwechsel: Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen hat angekündigt, in Deutschland jede vierte Stelle zu streichen, also bis zu 14.000 Arbeitsplätze. Dazu schreibt die Zeitung DIE WELT: "ZF stand bislang für die pure Exzellenz des deutschen Mittelstands unter den Autozulieferern. 1915 gegründet, war dieses Unternehmen ein Bollwerk deutscher Innovations- und Qualitätsambition. Das ist vorbei. Deutschland ist ein lausiger Standort geworden. Deswegen hat der Chef von ZF jetzt im Rahmen eines Sparprogramms einen massiven Personalabbau verkündet. Was früher – nicht heute! – noch diverse Sondersendungen ausgelöst hätte. Die Deindustrialisierung Deutschlands ist nicht nur im vollen Gange, sie nimmt auch noch Fahrt auf", prognostiziert DIE WELT.
Ähnlich negativ gestimmt ist die FRANKENPOST aus Hof, in der wir lesen: "Wer wie die IG Metall allein Managementfehlern die Schieflage zuschreibt, übersieht die gewollt hohen Energiepreise in Deutschland. Ein hoher Anteil jeder Stromrechnung fließt auch noch in vielen Jahren in den Ausbau des Leitungsnetzes. Zu hohen Preisen für Kohle, Gas und Öl kommt die CO2-Bepreisung, die das ihre dazu beiträgt, dass das Industrieland Deutschland auf dem Zahnfleisch geht. Alles in allem eine schlechte Entwicklung. ZF ist nur der Anfang – viele andere werden folgen. Leider", ist die FRANKENPOST überzeugt.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sieht eine Mammutaufgabe darin, das Unternehmen so aufzustellen, dass es auch im Zeitalter der Elektromobilität stabil dasteht: "Der Grund ist einfach: Die Produkte, die ZF in der Welt bekannt gemacht haben, werden in elektrischen Autos nicht oder nicht mehr in so ausgefeilter Technik benötigt. Die Maßnahmen, die ZF nun auf den Weg bringt, kommen spät - hoffentlich nicht zu spät. Wenn sie aber die Basis dafür legen, dass ZF in Deutschland wieder wettbewerbsfähig produziert, könnte die langjährige Geschichte des Unternehmens auch in der Heimat weitergehen", so die Hoffnung der F.A.Z.
In die USA. Dort steuert Vize-Präsidentin Harris auf eine ungefährdete Kür zur Präsidentschaftskandidatin zu. Bei den Demokraten herrscht deshalb laut der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG Euphorie: "In US-Wahlkämpfen wird die erste Phase des Überschwangs als 'Honeymoon' bezeichnet. Die 'Flitterwochen' also eines politischen Senkrechtstarters, bis wieder die Realität Einzug hält. Das wird bei Harris nicht anders sein. Selbst wenn die Euphorie verflogen ist, hat die demokratische Kandidatin Vorteile. Sie kann fest mit den Stimmen der Afroamerikaner und anderer Minderheiten rechnen. Frauen, darunter sehr viele in Swing States, werden Harris unterstützen, weil sie für Abtreibungsrechte kämpft. Dazu kommen junge Wähler, die bisher desinteressiert waren, nun aber wieder den Gang zum Wahllokal auf sich nehmen wollen", analysiert die MÄRKISCHE ODERZEITUNG, die in Frankfurt/Oder erscheint.
Die RHEIN-ZEITUNG überlegt, wie der republikanische Kandidat und Ex-Präsident Trump auf Harris reagieren wird: "Gewiss wird Trump versucht sein, das Drehbuch aus dem Wahlkampf 2016 gegen Hillary Clinton hervorzukramen. Dieses sieht ein Dauerfeuer mit sexistischen Attacken auf die Kandidatin der Demokraten vor, die vor persönlichen Beleidigungen keinen Halt machen. Ob diese Masche noch einmal zieht, bleibt fraglich. Aus dem Mund eines verurteilten Vergewaltigers und Straftäters, der Schweigegelder an einen Pornostar bezahlt hat, könnte das wie ein Bumerang zurückkommen. Zumal sich vieles in der amerikanischen Gesellschaft seitdem verändert. Der blondierte Hetzer sieht mit seinen verbalen Tiefschlägen gegen eine Frau noch gestriger aus als ohnehin schon", findet die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz.
Dennoch hält DER SPIEGEL einen Wahlsieg Trumps für möglich. Das Magazin rechnet aber für den Fall mit beträchtlicher Gegenwehr der politischen Gegner: "Die Mehrheit der Amerikaner will kein autoritäres Regime. Die USA sind bei all ihren Problemen, der Polarisierung, der Ungleichheit, der Krise des politischen Systems eine einmalig innovative Gesellschaft. Es gibt wenige Gründe für Europäer, Amerika abzuschreiben – aber viele Gründe, für uns selbst die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die Aussicht auf einen Präsidenten Trump bleibt gespenstisch. Das liegt daran, dass wir Europäer weit davon entfernt sind, uns aus der militärischen und geopolitischen Abhängigkeit von den USA zu befreien." Das war ein Kommentar der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL und damit endet die Presseschau.